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Projekt für Chancengleichheit an Hochschulen
Die Verschiedenheit der Menschen sinnvoll nutzen

Studierende kommen mit ganz unterschiedlichen Voraussetzungen an die Universitäten. Das hat auch Auswirkungen auf den Hochschulbetrieb. Um den sinnvollen Umgang mit den Unterschieden zu fördern, gab es in den vergangenen Jahren in Nordrhein-Westfalen ein Projekt. Es offenbarte einen großen Nachholbedarf.

Von Stephanie Kowalewski | 21.12.2016
    Studenten verfolgen in Köln in der Aula Universität eine Veranstaltung.
    Studenten sind alle gleich? Nein, ganz und gar nicht. ( picture alliance / dpa / Oliver Berg)
    "Wenn wir eins gemeinsam haben, dann, das wir verschieden sind. Es macht uns aus."
    "Und das Diversity Management ist eigentlich die andere Seite der Medaille", meinen Nicole Auferkorte-Michaelis von der Uni Duisburg-Essen und Frank Linde von der TH Köln, die Projektleiter der KomDiM-Initiative. KomDiM steht für den etwas sperrigen Namen: Zentrum für Kompetenzentwicklung für Diversity Management in Studium und Lehre an Hochschulen in NRW.
    "Wie gehe ich eigentlich mit diesen Unterschieden um? Was mache ich daraus? Wie nutze ich sie vielleicht produktiv oder wie baue ich Missstände ab? Also die unterschiedlichsten Dinge, die Menschen daran hindern produktiv, gut miteinander zurechtzukommen."
    Vier Jahre lang haben sich hier 23 Vertreter von Projekten zum Diversity Management regelmäßig getroffen und in Seminaren erarbeitet, wie sich das Thema der individuellen Verschiedenheit und Chancengleichheit an ihren Hochschulen verankern lässt. Oft mussten sie da so ziemlich bei null anfangen, erzählt Frank Linde:
    "In den Hochschulen ist es eigentlich eher ein neues Thema. Es ist ein ganz klarer Nachholbedarf, weil hier noch nicht einmal Sensibilität dafür da ist. Also man hat eigentlich lange versäumt, sich klar zu machen, dass Menschen – ob man es sieht oder nicht - unterschiedlich sind, und das das für die Lernprozesse, für das Lerngeschehen einfach einen riesen Unterschied macht."
    Akademikerinnen mit Behinderungen
    Um diese Unterschiede und ihre Folgen drehen sich die Projekte der Teilnehmer. Susanne Groth von der Uni Köln zum Beispiel begleitet ein Projekt der Stadt Köln wissenschaftlich, bei dem es um Akademikerinnen mit Behinderungen geht. Gerade diesen Frauen wird der Schritt von der Hochschule in den Beruf oft schwer gemacht, sagt sie.
    "Es gibt super große Vorurteile. Und da sind die Barrieren meistens gar nicht die technischen, gar nicht die baulichen Barrieren, die da eine Rolle spielen, sondern es sind einfach die Barrieren in den Köpfen. Die Leute haben eine falsche Vorstellung davon, was Menschen mit Behinderungen angeht auf dem Arbeitsmarkt: Die denken, die wären weniger leistungsfähig, das ist das häufigste Vorurteil, oder die wären ständig krank."
    Um diese Vorurteile abzubauen, wird es ab März eine Gruppe von klein- und mittelständischen Unternehmen geben, die als Mentoren ein Jahr lang Akademikerinnen mit Behinderung beim Übergang in den Beruf begleiten werden.
    "Es ist geplant, dass auch Besuche in den Unternehmen stattfinden, und dann soll es auch regelmäßig Austausch geben, wie kann eine berufliche Zukunft ein beruflicher Einstieg für die Mentis aussehen, was brauchen eigentlich Unternehmen, was müssen die wissen, wenn die jemanden mit Behinderung oder gesundheitlicher Einschränkung einstellen."
    Verbesserung von Chancengleichheit
    Um mehr Chancengleichheit an der Hochschule geht es in dem Projekt von Annette Ladwig. Sie arbeitet an der Universität Duisburg-Essen mit den Verantwortlichen an den einzelnen Fakultäten zusammen, hat Netzwerkgruppen gegründet.
    "Manche Koordinatoren haben die Fragestellung - muss ich was Besonderes machen für internationale Studierende oder für Bildungsaufsteiger - gar nicht so bei der Konzeption im Blick. Und dadurch, dass ich eben mit den Akteuren zusammenarbeite und diese Themen immer wieder hineinbringe, fließen die auch in die Struktur, in die Beratung hinein. So denke ich, ist es auch der einzige Weg, wie man Diversity Management über die Akteure an der Hochschule implementieren kann."
    Es sei eben ein Unterschied, sagt sie, ob Studienanfänger aus einer akademischen Familie kommen oder nicht. Deshalb gibt es an ihrer Uni inzwischen spezielle Schulungen für Tutoren, die sich um die Einführung der Studierenden kümmern.
    "Wo auch speziell die Tutoren sensibilisiert werden - oh, ich hab da Studierende, die kennen sich mit dem System Hochschule noch überhaupt nicht aus. Die haben keine Eltern, die schon Erfahrung gehabt haben, die muss ich noch mal anders mit wissenschaftlichen Arbeiten oder auch mit der Bibliothek oder anderen Strukturen an der Uni in Bezug bringen."
    Zwei von 23 Projekten, die im Rahmen der vierjährigen Diversity-Initiative KomDiM an 20 NRW-Hochschulen umgesetzt wurden und werden. Eine Arbeit, für die die 23 Hochschulvertreter gerade von NRW-Wissenschaftsministerin Svenja Schulze ein entsprechendes Zertifikat überreicht bekommen haben. Die Landesinitiative KomDiM ist damit zu Ende – erfolgreich wie Frank Linde sagt:
    "Auf Landesebene konnten wir ganz deutlich feststellen, dass sich Diversity-Strukturen an Hochschulen insgesamt entwickelt haben, dass Studienmodule entstanden sind, die sich mit Diversity beschäftigen. Und wir können sehen, dass ein guter Teil der Forschung, die schon lange in den englischsprachigen Ländern stattfindet, dass der hier nach Deutschland reingeholt wurde."