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Projekt "Mitmacher"
Integration durchs Ehrenamt

Die einen brauchen Hilfe, die anderen suchen Anschluss: Die Initiative Mitmacher vermittelt deshalb in Hamburg Geflüchtete in ehrenamtliche Beschäftigung. Wie zum Beispiel den gelernten Zimmermann Khaled, der sich bei einem Krankenhausradio engagiert.

Von Axel Schröder | 02.11.2018
    Im Keller der Schön-Klinik in Hamburg-Eilbek, im kleinen Sendestudio für das Krankenhaus-Radio behält der 28jährige Khaled Sahyoune die Technik im Blick, wacht über die Lautstärkepegel während der Live-Sendung. Karin Schrader und Susanne Amelung moderieren die abendliche Radiosendung, freuen sich über die Hilfe des technisch versierten Khaled:
    "Er macht das toll. Er hat die Technik sofort begriffen, gerafft. Er ist uns eine große Hilfe hier. Und es macht viel Spaß mit ihm."
    Khaled nickt rüber zu Karin Schrader. Gleich ist der Musiktitel zu Ende.
    "Das war Phil Collins. Immer wieder gern gehört! Und jetzt haben wir das nächste: Abi Wallenstein und Joja Wend: Good Morning-Blues."
    Ehrenamt beim Krankenhaus-Radio
    Der Titel läuft, der schmächtige Ehrenamtler schleicht auf leisen Sohlen aus dem kleinen Studio. Erklärt auf dem neonbeleuchteten Keller-Flur, worum es bei seinem Ehrenamt beim Krankenhausradio geht:
    "Wenn es zum Beispiel ein Problem mit dem Mikrofon gibt, soll ich nachgucken, ob es zu laut oder gut so ist. Und wenn es etwas am Computer gibt, soll ich es so schnell wie möglich reparieren. Das ist alles."
    Neben Khaled nickt Anne Busch. Die 29-jährige hat die Initiative Mitmacher entwickelt. Mit einem klaren Ziel: Mitmacher vermittelt nach Deutschland geflüchtete Menschen in Ehrenämter:
    "Die Idee ist 2010 entstanden. Da gab es einen Workshop zum Thema Sozialunternehmertum und wie können wir die Situation von Flüchtlingen in Deutschland verbessern. Und dann haben wir in einer Gruppe von Geflüchteten und Nicht-Geflüchteten die Idee entwickelt."
    Viele Geldtöpfe, ein Projekt
    Die Kreditanstalt für Wiederaufbau und die Social Impact gGmbH stellen Anne Busch einen kostenlosen Büroarbeitsplatz in Hamburg zur Verfügung. Ihr Gehalt stammt aus dem Fördermitteltopf des Bezirks Hamburg-Harburg. Damit die Suche nach Ehrenamtlichen-Stellen schnell erfolgreich ist, kooperiert Anne Buschs Mitmacher-Projekt mit dem Freiwilligennetz Harburg, einer von zehn Hamburger Freiwilligenagenturen und profitiert von deren breitem Netzwerk.
    "Auf der anderen Seite gehe ich in Integrationskurse. Da gibt es eine Kooperation mit der Volkshochschule. Und ich informiere die Menschen, die einen Deutschkurs machen, dass es Ehrenamt gibt, was das eigentlich ist. Und das es Mitmacher gibt und was ist eigentlich Mitmacher. Und dann frage ich, wer Lust hat, mitzumachen. Und dann führen wir die zusammen."
    Der Syrer Khaled Sahyoune kam vor zweieinhalb Jahren nach Deutschland. Der Buchhalter aus der Hafenstadt Latakia machte zwei Deutschkurse, arbeitet heute als Zimmermann. Die Suche nach einem Ehrenamtlichen-Job in einem fremden Land hatte er, mit mäßigem Erfolg, schon auf eigene Faust begonnen.
    "Ich habe alle Leute angeschrieben oder zum Beispiel telefoniert. Und ich habe keine Antwort bekommen. Sie sagen, sie sagen einem Bescheid, aber: keine Antwort bekommen. Und nach ein paar Monaten habe ich Anna kennengelernt. Und sie hat mir gesagt, sie findet für mich bestimmt etwas und das dauert nicht lange."
    Anne Busch fragte nach: Was kann Khaled? In welchem Feld will er ehrenamtlich arbeiten? Sechs Tage musste er warten, dann kam Anne Buschs Vorschlag, ihn beim Krankenhaus-Radio unterzubringen. Khaled, der sich schon im Studium in Syrien freiwillig engagiert hat, sagte zu:
    "Deutschland macht so viel für uns. Wir sollen nicht einfach zuhause sitzen. Wir sollen etwas machen. Zum Beispiel, wenn ich pro Woche zwei oder drei Mal ehrenamtlich arbeite, dann ist es zuerst Interesse daran und dann kann ich auch die Leute kennenlernen. Ich kann etwas für Deutschland oder für mich machen. Das ist das große Interesse für mich."
    Angekommen, um zurück zu geben
    Die Studio-Tür öffnet sich. Noch läuft die Sendung und Karin Schrader winkt Khaled rein, braucht seine Hilfe. Der nickt, geht leise ins Studio. Im kargen Krankenhausflur erklärt Anne Busch, warum das Mitmacher-Projekt für Menschen wie Khaled so wichtig ist:
    "Es gibt ganz viele Sachen, die dazu führen, dass die Leute, die hierher kommen, das Gefühl haben: Ich vergesse alles, was ich gelernt habe. Ich kann gar nichts mehr, ich bin fühle mich schwach hier in Deutschland. Und das ist eben eine Chance, im Ehrenamt zu zeigen: Doch, Du hilfst auch! Du kannst was und das ist total wertvoll. Und dadurch auch mehr Mut und neue Kraft zu geben für den Weg."
    Bevor Anne Busch ihr Mitmacher-Projekt in Hamburg startete, hatte sie in einer ähnlichen Initiative 30 Geflüchteten in Köln eine Freiwilligenarbeit vermittelt. In Hamburg sind es bisher 15 Menschen, die sie bei den ersten Einsätzen am neuen Ort, in Altersheimen oder zur Gartenpflege, zumindest die ersten Male noch begleitet. Damit in Zukunft mehr Menschen vermittelt werden können, will Anna Busch neue Gelder für ihr Projekt einwerben und aus dem bisherigen Ein-Frau-Betrieb mehr machen. Und vielleicht ist es irgendwann auch möglich, hofft Anne Busch, auch eine kleine Aufwandsentschädigung zu zahlen:
    "Über Mitmacher gibt es im Moment noch für niemanden eine Aufwandsentschädigung, das machen alle kostenfrei. Das ist was, was wir vielleicht für die Zukunft mal überlegen könnten. Es gibt ja generell Aufwandsentschädigungen für Ehrenämter. Aber das Geld muss ja auch irgendwo herkommen."