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Projekt neue Heimat

Roter Felsen, mildes Klima - Helgoland, die einzige deutsche Hochseeinsel hat einige Attraktionen zu bieten. Manche sieht man auf den ersten Blick - so wie die Steilküste. Andere entziehen sich der Beobachtung - so wie die berühmten Hummer. In der Deutschen Bucht kommen Hummer nur rund um Helgoland vor, aber seit gut 40 Jahren ist ihr Bestand eher kümmerlich. Forscher und Fischer haben nun 100 gezüchtete Jungtiere vor der Insel ausgesetzt.

Von Andreas Klose | 01.09.2008
    "Wenn wir die jetzt zusammensetzen würden, würden die sich sofort bekämpfen und versuchen aufzufressen und deswegen setzen wir die jetzt alle in einzelne Gefäße, und dann können wir sie nachher auch schön einzeln ins Wasser packen. "

    Michael Janke hält einen Hummer zwischen Daumen und Zeigefinger. Dann setzt er das Tier in ein rundes Plastikglas. Die sechs bis vierzehn Zentimeter kleinen Tiere entnimmt er wassergefüllten Kästchen, die in einem Aufzuchtbecken der Biologischen Anstalt Helgoland stehen. Die Krebse sind von Natur aus aggressiv. Sie gehen mit ihren Scheren aufeinander los. Deswegen müssten sie getrennt aufgezogen werden, sagt der biologisch technische Assistent und stellt das Glas mit dem Hummer auf einen Handwagen. Die Tiere sind zwischen 8 Monaten und 3 Jahren alt. Meeresbiologe Heinz Dieter Franke und seine Mitarbeiter wollen 100 von ihnen später am Abend in die Nordsee auswildern:

    "Beginnen tut die Aufzucht damit, dass wir von den Helgoländer Fischern diejenigen Tiere kriegen, die Weibchen, die die sich entwickelnden Eier mit sich herum tragen. Diese Tiere sind ganzjährig geschützt, dürfen also von den Fischern nicht in den Handel gebracht werden. Hiermit starten wir also die Aufzucht der Hummer. Diese Tiere sind im Freiland Einzelgänger, führen ein relativ verstecktes Leben, sind nachtaktiv, tagsüber meist versteckt in Felsspalten und kommen erst nachts heraus, dann auf der Suche nach Nahrung oder auf Suche nach Geschlechtspartnern. Wobei sie ganz wesentlich mit Hilfe des Geruchsinnes sich orientieren. "

    Vor Helgoland weht an diesem Abend ein laues Lüftchen. Die Sonne ist bereits untergegangen. Die See ist spiegelglatt. Keine Wolke am Himmel verdeckt die Sterne. Ein Kutter tuckert zu einer felsigen Stelle in Sichtweite der Insel. Dort kommen die jungen Hummer ins Meer.
    Isabel Schmalenbach, Umweltwissenschaftlerin an der Biologischen Anstalt Helgoland, hält ein Hummerglas über die Bordwand. Jetzt schüttet sie das dunkelbraune Tier in die See. Das ist ungefährlich:

    "Erstens sind die Tiere nachtaktiv und zweitens es gibt Fressfeinde, die sind optisch orientiert, und die schalten wir damit einfach aus. Die sehen die dann gar nicht in der Zeit, wo sie von der Wassersäule zum Boden sinken oder schwimmen. "

    Sechs Meter sind es bis zum Meeresboden. Die Hummer legen die Strecke in dreißig Sekunden zurück. Eine Zeit, in der sie unsichtbar bleiben für Raubfische. Tagsüber verschwinden die Tiere dann zwischen den Felsen. Fischerei, Anstieg der Meerestemperatur und Meeresverschmutzung spielten eine Rolle beim dramatischen Rückgang des Helgoländer Hummers. Der Bestand erhole sich aber gerade deswegen nicht, weil die Anzahl der Tiere insgesamt viel zu gering sei, sagt Meeresbiologe Heinz Dieter Franke:

    "Das wäre dann die Chance für ein großes Wiederaufstockungsprogramm. Es würde so aussehen, dass man große Mengen von Hummer über die gefährdeten frühen Phasen der Entwicklung im Labor aufzieht, dann draußen aussetzt, innerhalb relativ kurzer Zeit, innerhalb weniger Jahre, so dass wir dann die Population wieder über diese kritische Dichtegrenze heben können, in der Hoffnung, dass sich die Population wieder aus eigener Kraft auf hohem Niveau erhalten kann. "

    Seit acht Jahren wildern die Forscher der Biologischen Anstalt Helgoland bereits Hummer aus. Eintausend im Jahr seien aber zu wenig, argumentiert Franke. Ein neues Projekt ab dem Frühjahr kommenden Jahres soll helfen. Bei entsprechender Finanzierung können dann bis zu vierzigtausend Tiere pro Jahr über einen Zeitraum von sechs Jahren aufgezogen und ausgewildert werden. Die Kosten liegen bei 1,2 Millionen Euro.