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Projekt "Schule ohne Homophobie"
"Klassische Rollenbilder aufbrechen"

Seit genau zehn Jahren ist das Projekt "Schule der Vielfalt" gegen Homophobie aktiv. Dabei geht es darum, dass Schüler ihre Sexualität angstfrei leben können - deswegen werden auch Themen wie Coming-Out und Homosexualität aktiv im Unterricht thematisiert.

Von Kai Rüsberg | 07.02.2018
    Schüler demonstrieren am 28.02.2016 in Stuttgart gegen Homophobie
    Das Projekt "Schule der Vielfalt - Schule ohne Homophobie" ist in 14 von 16 Bundesländern mit Projektschulen vertreten. Im Bild: Schüler demonstrieren gegen Homophobie (imago)
    Gleich im Eingangsbereich der Gesamtschule Erich Kästner hängt ein großes rotes Schild: "Come in, wir sind offen - Schule der Vielfalt" steht darauf. Unten steht weiter: "Lesbisch, schwul, hetero, bi und trans." Sexualität werde hier offen thematisiert, erzählt die 17-jährige Leona Mondri aus der Stufe 12.
    "Man kann viel offener sein. Man muss sich nicht verstecken. Wir haben die Möglichkeit, dass jeder seine Sexualität leben kann, wie er möchte."
    Leona Mondri engagiert sich in der Schülervertretung, die gerade in der Sitzung über das Thema diskutiert.
    "Heute geht es darum, das Schulfest weiter zu planen. Wir haben schon mehrere Projekte angesprochen. Eins ist aktuell: das Projekt gegen Homophobie. Das wird jetzt immer konkreter, auch eine AG ist geplant."
    20 Schüler, von der Unterstufe bis zu den Abiturienten, sitzen in dem SV-Raum und tragen Ideen zusammen, wie man Toleranz gegenüber verschiedenen Formen von Sexualität fördern kann. Der 19-jährige Jannik Scholz sieht das als ein Projekt, um das sich die Schüler selbst kümmern müssen.
    "Unser Ziel ist es immer, das Coming out und Homosexualität in den Unterricht zu tragen. Das soll alltäglich sein. Wichtig ist, dass die Schüler einen Schutzraum finden um offen reden zu können, so dass wir auch Lehrer dazu schulen."
    SV-Vertrauenslehrerin Diana Wellmann ist begeistert darüber, dass die Schüler die Idee "Schule der Vielfalt" zu ihrem eigenen Thema gemacht haben. Bei mehr als 1.400 Schülern und 140 Lehrern an der Gesamtschule wäre es für sie allein kaum möglich, zu jedem vorzudringen.
    "Ich weiß, dass wir Schüler und Schülerinnen haben, die homosexuell sind. Aber uns Lehrern öffnen die sich nicht so wie gegenüber Schülern. Wir versuchen das auch zu unterbinden, wenn es Anfeindungen gibt - und das zum Gespräch zu bringen, wenn schwul oder homo als Schimpfwort benutzt wird."
    Thema Sexualität gehört mit zum Schulleben
    Vereinzelt gibt es Unverständnis bei Eltern und auch Schülern – insbesondere, wenn sie aus anderen Kulturkreisen stammen, sagt SV-Lehrerin Wellmann. Aber in einer Schule mit Ganztagsbetrieb gehöre Sexualität zum Schulleben.
    "Sie haben hier auch ihr Privatleben, weil sie hier ihre Freunde haben. Und gerade wo wir hier an der Schule großen Wert darauf legen, eine Wertehaltung zu vermitteln, gehört das in die Schule, das zu thematisieren und Rollenbilder aufzubrechen. Wir haben nun mal nicht mehr Mutter/Vater/Kind als klassisches Rollenbild."
    Die Anfeindungen von Mitschülern für ihre sexuelle Orientierung hätten bei vielen betroffenen Schülern zum Teil drastische Auswirkungen, meint Frank Pohl heute bei einer Fachtagung in Bochum. Er ist Landeskoordinator im Projekt "Schule der Vielfalt" in Köln.
    "Wenn man als Schüler in die Schule geht, mit Magenschmerzen, und das tagtäglich erlebt, dann ist das schwerwiegend. Das wirkt sich aus auf die Kinder. Wir haben auch Schüler, die in der Berufskarriere Brüche aufweisen und auf dem zweiten Bildungsweg den Schulabschluss nachholen, weil sie das in der Schule nicht ausgehalten haben."
    Das Interesse der Schulen in NRW ist groß. Der Fachtag war ausgebucht. Die Initiative bildet Lehrkräfte fort und macht Trans- und Homophobie bereits bei der Ausbildung zum Thema. In Nordrhein-Westfalen wird das vom Schulministerium unterstützt.
    Und an der Erich-Kästner Gesamtschule in Bochum stehen auch viele Schüler voll hinter der Idee, offen über sexuelle Beziehungen zu sprechen und sich gegen Homophobie einzusetzen.
    "Ich finde, wenn man eine Frau liebt, dann ist das doch nur Liebe und keine Politik." - "Ich finde das ist normal - und Menschen sollten tun, was sie glücklich macht."