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Promotion auf dem Prüfstand

Norbert Lammert, Präsident des Deutschen Bundestages, Mitglied der CDU, soll beim Verfassen seiner Doktorarbeit geschummelt haben. Ein anonymer Plagiatsjäger hat auf einer Internetseite seine Recherchen veröffentlicht.

Von Andrea Groß | 30.07.2013
    Die Dissertation trägt den Titel "Lokale Organisationsstrukturen innerparteilicher Willensbildung – Fallstudie am Beispiel eines CDU-Kreisverbandes im Ruhrgebiet". Norbert Lammert hat sie 1974 an der Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum eingereicht. Ein Jahr später wurde er dort zum Doktor der Soziologie promoviert.

    Aus zeitlichen Gründen, so gibt der unbekannte Plagiatsjäger auf der Internetseite an, habe er nur 42 Seiten der Dissertation des Bundestagspräsidenten untersucht. In der 1976 veröffentlichten Buchform umfasst sie insgesamt gut 220 Seiten. Die Arbeit liegt nicht digital vor – man kann sie also nicht mal eben durch ein Computerprogramm laufen lassen. Der Plagiatsjäger, so die Einschätzung von Fachleuten, hat auf die Fehlersuche mindestens mehrere Monate verwendet.

    Im Einzelnen lauten die Vorwürfe: klassisches Plagiat, das heißt die Übernahme von Textstellen von anderen Autoren, ohne dass diese als Zitat kenntlich gemacht werden. Außerdem der Verweis auf sogenannte Phantomquellen, das heißt, Lammert zitiert aus Büchern und Artikeln, die es gar nicht gibt. Schließlich soll Lammert Textstellen nicht aus der Original-, sondern aus der Sekundärliteratur zitiert haben und dabei charakteristische Fehler übernommen haben, dabei aber trotzdem das Original als Quelle angegeben haben.

    Es ist weniger die Schwere der Vergehen, die Lammert in seiner Dissertation vorgeworfen werden, als ihre Anzahl, die möglicherweise zu einer Aberkennung des Doktortitels führen könnte. So war es auch im Fall von Annette Schavan. Das Phänomen Copy and Paste, das beispielsweise zur Aberkennung des Doktortitels von Theodor zu Guttenberg geführt hat, gab es damals noch nicht.

    Norbert Lammert war für ein Statement am Mikrofon bisher nicht zu erreichen. In der Zeitung "Die Welt" wird er mit den Worten zitiert: "Ich habe meine Doktorarbeit nach bestem Wissen und Gewissen angefertigt." Er habe, so wird er weiter zitiert, die Universität Bochum unverzüglich darum gebeten, die Vorwürfe zu prüfen.

    Die Universität Bochum bestätigt, dass es bereits gestern ein Telefonat zwischen Rektor Elmar Weiler und Norbert Lammert gegeben habe, in dem der Politiker um eine Prüfung der Vorwürfe nachgesucht hat. Die Universität habe das Prüfungsverfahren daraufhin umgehend in Gang gesetzt.

    Es gehe ihm vor allem darum, gibt der Blogger auf der Internetseite an, die Universität Bochum und vor allem die Öffentlichkeit über das wissenschaftliche Fehlverhalten Norbert Lammerts zu informieren.