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Promotionsrecht
Fachhochschulen wollen auch den Dr. vergeben

Die Fachhochschulrektoren Nordrhein-Westfalens fordern ein Promotionsrecht für Fachhochschulen über ein spezielles Graduiertenkolleg. Ihr Vorsitzender Martin Sternberg sagte im DLF, dass dafür hohe Qualitätsmaßstäbe gelten würden.

Martin Sternberg im Gespräch mit Jörg Biesler | 21.03.2014
    Jörg Biesler: Fachhochschulen sind seit jeher die kleinen Schwestern der Universitäten. Angewandte Wissenschaften sollen sie lehren, man kann dort auch ohne Hochschulreife studieren. Die Professoren müssen doppelt so viele Stunden unterrichten wie ihre Universitätskollegen, zulasten der Forschung. Und daran ändert auch nichts, dass viele Fachhochschulen das Fach mittlerweile aus ihrem Namen gestrichen haben. Seit Bachelor und Master aber ist die Universität den Fachhochschulen ähnlicher geworden, was die Verschulung und die Kürze der Studiengänge angeht. Und da stellt sich die Frage neu nach den tatsächlichen Unterschieden beider Hochschulformen. Die Fachhochschulrektoren Nordrhein-Westfalens fordern ein Promotionsrecht. Ihr Vorsitzender ist Martin Sternberg von der Hochschule in Bochum. Guten Tag, Herr Sternberg!
    Martin Sternberg: Guten Tag, Herr Biesler!
    Biesler: Wo liegen denn aus Ihrer Sicht noch die Unterschiede zwischen Fachhochschule und Universität?
    Sternberg: Nun, die sind schon vielfältig. Die Fachhochschulen sind deutlich anwendungsbezogener. Wenn Sie sich die Curricula, also die Lehrpläne, anschauen, dann enthalten die deutlich mehr Praktika, sie enthalten deutlich mehr Bezüge zum Berufsfeld. Sie haben eben schon gesagt, dass aufgrund des höheren Lehrdeputats auch die Lehre einen deutlich höheren Stellenwert hat bei uns. Es wird generell in kleineren Gruppen gelehrt. Es gibt natürlich an den Fachhochschulen auch nicht alle Fächer, viele Fächer gibt es überhaupt nur an Universitäten wie etwa Medizin, Jura und anderes. Dafür gibt es wiederum an den Fachhochschulen Fächer, die es kaum an Universitäten gibt, also etwa Soziale Arbeit oder Gesundheitswissenschaften, diese medizinischen Assistenzberufe. Insgesamt sind die Fachhochschulen auch meist kleiner, bis auf wenige Ausnahmen – Köln ist natürlich riesengroß -, aber die meisten Fachhochschulen sind deutlich kleiner als die Universitäten, sind zum Teil auch regional aufgestellt. Und, Sie haben es gerade schon gesagt, wir sind eben auch offen für Anfängerinnen und Anfänger ohne Abitur. Allerdings, Fachhochschulreife sollte man schon haben.
    Biesler: Das werden die Universitäten wahrscheinlich in Zukunft auch immer mehr sein, offen für Studienanfänger ohne Abitur, zum Beispiel für Handwerksmeister und so was. Gehen wir noch mal auf Ihren Namen: Sie heißen auch Hochschule Bochum – Sie haben das "Fach-" gestrichen. Für Außenstehende klingt das so ein bisschen neurotisch – Sie wollen nicht Fachhochschule sein.
    Sternberg: Ja, das ist ein bisschen eine Glaubensfrage. Ich halte Fachhochschule für ein gutes Wort und auch auf keinen Fall für ein Schimpfwort. Es gibt trotzdem gute Gründe, warum sich Fachhochschulen umbenennen, auch, warum wir uns umbenannt haben. Zum einen hat es einfach eine deutliche Entwicklung gegeben gegenüber den Fachhochschulen der 70er- und 80er-Jahre. Als sie gegründet wurden, Anfang der 70er-Jahre, kamen sie aus der Tradition der Ingenieurschulen, der Höheren Handelsschulen. Dort ist also schulähnlich unterrichtet worden, Forschung ist überhaupt nicht gemacht worden. Und das hat sich nun ganz, ganz dramatisch geändert mit dem Bologna-Prozess, Sie sagten es schon, haben wir jetzt Bachelor- und Masterabschlüsse, die ja unabhängig qualitätsgesichert akkreditiert werden. Wir haben Forschung jetzt auch als gesetzlichen Auftrag – das steht ja schon seit vielen, vielen Jahren in allen Landeshochschulgesetzen drin. Wir haben auch stark steigende Forschungsaktivitäten. Wir haben kooperative Promotionen. Wir haben auch, nicht zuletzt, einen ganz starken Trend zur Internationalisierung. Die Fachhochschulen werden immer mehr Netzmitglieder in internationalen Netzwerken. Und da muss man sagen, dass das Wort Hochschule schlichtweg auch international leichter zu übersetzen ist. Die Übersetzung von Hochschule ist schlichtweg University, bei Fachhochschule tut man sich immer so ein bisschen schwer.
    Biesler: Aber so, wie Sie das jetzt geschildert haben, sieht man ja, dass Sie sich selber auch auf dem Weg sehen, der Universität immer näher zu kommen, was die Forschung angeht, was aber auch die Promotionsmöglichkeit, die haben Sie gerade auch schon angesprochen, angeht, mit Kooperationen mit Universitäten. Also das Promotionsrecht ist da natürlich ein ganz wichtiger Baustein. Nennen Sie uns mal ein paar sachliche Gründe dafür, warum Sie das haben wollen, nicht nur, damit Sie den Universitäten noch gleicher werden.
    Sternberg: Also das hat natürlich viel mit Forschung zu tun. Das hat aber auch zu tun mit der Wechselwirkung zwischen Forschung und Lehre. Forschung wird mehr und mehr gemacht, wird durchgeführt von Professorinnen und Professoren, aber eben auch von jungen Leuten. Nachwuchskräfte, Nachwuchswissenschaftler, die sich interessieren, die sich brennend interessieren für diese Forschungsthemen. Die forschen hier zwei, drei, vier, fünf Jahre an bestimmten Themen auf sehr hohem Niveau. Und die erwarten dann sozusagen als Lohn auch die Promotion. Die haben diese wissenschaftliche Qualifikation erworben. Und wir tun uns ganz, ganz schwer, überhaupt Leute zu requirieren, also zu akquirieren, einzustellen, wenn wir nicht diese Perspektive bieten können. Wir haben die Perspektive über die kooperativen Promotionen. Das funktioniert auch durchaus in vielen Fällen recht gut. Also wir in Bochum, wir haben hier zum Beispiel mit der Ruhr-Universität wirklich gute, machen gute Erfahrungen. Es ist aber sehr, sehr schwierig. Wir hängen letztlich immer an den Universitäten. Und zwar nicht an den Hochschulleitungen, sondern an den Fakultäten. Wir sind von dem guten Willen der Fakultäten dort abhängig. Das klappt mal besser, mal schlechter.
    Biesler: Jedenfalls keine besonders schöne Situation, dann darum bitten zu müssen, dass da vielleicht mal promoviert wird. Kann ich gut verstehen.
    Sternberg: Man geht ins Ausland. Und das ist ja auch kaum zu verstehen, warum wir ins Ausland gehen müssen, um unsere besten Leute wirklich dann zu promovieren.
    Biesler: Ja, und viele, die ins Ausland gehen, gehen ja aus Gründen ins Ausland, die Sie nicht vertreten möchten. Sie wollen ja Qualität und nicht, dass man dann doch irgendwie noch den Doktor kriegt, so wie das in der Vergangenheit ja das eine oder andere Mal der Fall war. Jetzt haben Sie gesagt, die Kooperation mit den Universitäten ist nicht so gut. Viele sagen natürlich auch, an den Fachhochschulen arbeiten einfach auch viele Professoren, die selber gar nicht promoviert sind. Wie sollen die denn bitte eine Dissertation betreuen. Sie haben gestern eine Lösung dafür vorgeschlagen. Wie soll die aussehen?
    Sternberg: Zunächst mal gibt es in den wissenschaftlichen Fächern verhältnismäßig wenig, die nicht promoviert sind. Das waren früher sozusagen die Übergeleiteten aus den Ingenieurschulen. Ich kann mich an sehr, sehr wenige Fälle erinnern, wo wir wirklich nicht Promovierte eingestellt haben. Das geht auch nur in großen Ausnahmefällen, wenn promotionsadäquate Leistungen festgestellt werden. Aber uns geht es ja darum, dass wir wirklich die Qualität ganz, ganz groß schreiben. Wir wollen ein Graduierteninstitut installieren in Nordrhein-Westfalen. Also wir fordern nicht das Promotionsrecht jetzt für die Fachhochschulen im einzelnen. Wir sagen aber, dass die besten, die leistungsfähigsten forschenden Professorinnen und Professoren in verschiedenen Themenclustern in einem Graduierteninstitut zusammengefasst werden, also ein virtuelles Institut, in dem aber zusammen, gemeinsam geforscht wird, in dem man sich austauscht, wo also ganz dicht eine Forschungsatmosphäre, eine Forschungslandschaft entsteht, in der dann auch auf sehr, sehr hohem Niveau Promotionen durchgeführt werden. Das heißt also, es wird schon schwierig werden, in dieses Graduiertenkolleg überhaupt hinein zu kommen, für die Kolleginnen und Kollegen. Und die Verfahren, die Promotionsverfahren werden auf einem sehr hohen Niveau durchgeführt. Wir haben also Qualitätssicherungsverfahren vor. Wir planen das, wie sie etwa auch der Wissenschaftsrat empfiehlt.
    Biesler: Langfristig – mit der Bitte um eine sehr kurze Antwort, vielleicht ja oder nein –, langfristig albern, die Unterscheidung zwischen Fachhochschule und Universität?
    Sternberg: Ich glaube, dass es ein differenziertes Hochschulsystem geben muss. Ich glaube, dass es Unterschiede zwischen Hochschulen geben muss. Und die sollten sich auch in dem Namen äußern. Ob das jetzt unbedingt Fachhochschule sein muss, lasse ich mal dahingestellt. Ich glaube, Hochschule oder Universität für angewandte Wissenschaften würde es auch tun.
    Biesler: Martin Sternberg, der Rektor der Hochschule Bochum und Vorsitzender der Landesrektorenkonferenz der Fachhochschulen in Nordrhein-Westfalen. Danke schön!
    Sternberg: Bitte!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.