Mittwoch, 17. April 2024

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Promovieren im Museum
Leuphana Universität bildet Kuratoren in der Praxis aus

Erst die Promotion, dann noch ein Volontariat: So sieht die Ausbildung von Kuratoren aus. Die Leuphana Universität in Lüneburg schickt Wissenschaftler nun schon vor dem Doktortitel ins Museum. In dem dualen System PriMus forschen sie vor Ort in den Sammlungen.

Von Carmela Thiele | 22.01.2018
    Tag der offenen Tür an der Leuphana Universität in Lüneburg: Das neue Zentralgebäude wurde von Daniel Libeskind entworfen.
    Tag der offenen Tür an der Leuphana Universität in Lüneburg: Das neue Zentralgebäude wurde von Daniel Libeskind entworfen. (picture alliance / Philipp Schulze/dpa)
    Auf der ersten PriMus-Tagung sind nicht nur internationale Experten zu Gast, die Veranstaltung ist auch Pflichtprogramm für die Teilnehmer des neuen Ausbildungsmodells "PriMus - Promovieren im Museum". Julian Windmöller ist einer von sechs jungen Wissenschaftlern, die zwischen Uni und Museum pendeln. Für ihn ist das neue duale System schon jetzt ein Gewinn.
    Julian Windmöller: "Ich bin von Haus aus Historiker, ausgebildeter. Und klassischerweise hätte ich, wenn ich jetzt promoviert hätte, hätte ich mein Thema mit Schriftquellen, mit Bildquellen ausgelegt. Und bei PriMus war von Anfang an klar, ich werde mit Objekten arbeiten. Ich gehe für mich in neue Bereiche, die ich vorher nur am Rand so gestreift hatte. Das fordert ein ganz anderes Sehen, wenn man direkt bei seiner wissenschaftlichen Arbeit das Museum die ganze Zeit mitdenkt."
    Sein Thema: der Nachlass einer deutsch-baltischen Familie
    Julian Windmöller arbeitet Archivbestände des Ostpreußischen Landesmuseums Lüneburg auf, den Nachlass einer deutsch-baltischen Adelsfamilie. Das Thema kam von dem Museum, das mit PriMus kooperiert. Dort war man offenbar froh, dass jemand die 300 Objekte umfassende Sammlung aufarbeitet – und zwar kostenlos. Denn die jungen Wissenschaftler werden vom Modellprojekt, also vom Staat, bezahlt.
    Die Verbesserungen der Kuratoren-Ausbildung sollen auch den Museen zu Gute kommen. Beate Söntgen, Professorin für Kunstgeschichte und Initiatorin des Projekts.
    "Ich glaube, dass die Museen aufgrund ihrer knappen Personaldecke immer mehr darunter leiden, dass sie nicht mehr zum Forschen kommen, und so hat man auf jeden Fall Personen im Haus, die sich auch primär dieser Aufgabe widmen dürfen. Und wir hoffen, dass dadurch auch das Bewusstsein der Öffentlichkeit, dass die Museen auch Forschungsstätten sind, wach gehalten wird, und sich vielleicht auch Strukturen bessern."
    Beate Söntgen hat PriMus gemeinsam mit ihrer Kollegin Susanne Leeb konzipiert. Neben der im Rahmen des Projekts betreuten Doktorarbeit und Museumsalltag sollen die Teilnehmer auch museologisch auf den neuesten Stand gebracht werden, sagt sie. Über die ersten drei Semester laufen Theorie-Blockseminare, dazu kommen Workshops zu Ausstellungskonzeption und Ausstellungsdisplay oder Restaurierung. Volles Programm also.
    "Die Leute müssen sich sehr ranhalten"
    Susanne Leeb: "Was wir sehen, die Leute müssen sich sehr ranhalten. Es ist doch sehr viel und dann noch gleichzeitig im Museum zu arbeiten, weil die Doktorandinnen ja auch in laufende Projekte eingebunden werden, um diese Museumserfahrung zu machen. Und dann ist es schon ein Kampf, wieviel Zeit man für die Promotion hat, und die sollen ja auch noch eine Ausstellungskonzeption zusätzlich zu ihrer Promotion entwickeln. Und wir hätten eigentlich gerne längere Förderung. Also wir haben mit drei Jahren kalkuliert, das ist ein bisschen knapp."
    2019[*] endet das Validierungsprogramm, das das Bundesministerium für Bildung und Forschung mit 1,3 Millionen Euro fördert. Geplant ist zwar ein Handbuch, das die PriMus-Erfahrungen dokumentiert. Aber das reicht den Macherinnen als Ergebnis wohl nicht. Es zeichnet sich jetzt schon ab, dass eine nachhaltige Reform der Kuratoren-Ausbildung nur mit einer längeren Testphase zu haben ist. – Bestätigt hat sich immerhin schon jetzt, dass die Museen profitieren - oder das Ausstellungsinstitut, wie im Fall von PriMus-Teilnehmerin Stefanie Regenbrecht:
    Stefanie Regenbrecht: "Ja, auf jeden Fall, weil die Deichtorhallen auch wieder einen anderen Typ von Museum darstellen oder eigentlich kein Museum darstellen, sondern eher ein Ausstellungshaus, und ich da jetzt ein bisschen reinfunke mit wissenschaftlicher Arbeit und Sammlungsarbeit, was eigentlich eher am Museum stattfindet."

    [*]Anmerkung der Redaktion: In der ursprünglichen Textversion wurde versehentlich eine falsche Jahreszahl genannt, richtig ist 2019.