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Propaganda im "Schurkenstaat"

Seitdem der Machthaber Nordkoreas, Kim Jong Il, nicht an den Feierlichkeiten zum 60. Jahrestag der Staatsgründung teilgenommen hat, ranken sich viele Gerüchte um seinen Gesundheitszustand - zumindest im Ausland. In Nordkorea dagegen ist Kim Jong Il nach wie vor tagtäglich präsent: Wenn nicht leibhaftig, so doch zumindest auf überlebensgroßen Plakaten und als Denkmal auf den Plätzen Pjöngjangs.

Von Peter Kujath |
    Wer auf dem kleinen Flughafen in Pjöngjang, der Hauptstadt Nordkoreas, landet, wird von einem fröhlich-lächelnden rundlichen Herrn begrüßt. Ein riesiges Porträt hängt draußen über dem Eingangsbereich. Der Mann ist Kim Il Sung, Gründer der Demokratischen Volksrepublik Nordkorea und Vater von Kim Jong Il, dem derzeitigen Machthaber im kommunistischen, international isolierten Land.

    Es ist kein Zufall, dass der Vater, obwohl er 1994 an einem Herzinfarkt verstarb, noch immer so präsent ist und Kim Jong Il sich gerne mit ihm in Öl und Stein abbilden lässt. Kim Il Sung war der charismatische Führer, der das Land mit seinen öffentlichen Auftritten, seiner in zahlreichen Bänden niedergeschriebenen Theorie geprägt hat. Seinem Sohn, Kim Jong Il, fehlt viel von dieser Aura.

    Die staatliche Musikgesellschaft hat vielleicht gerade deshalb viele Lieder über Kim Jong Il komponieren lassen.

    Seitdem er jedoch nicht an den Feierlichkeiten zum 60. Jahrestag der Staatsgründung teilgenommen hat, ranken sich viele Gerüchte um seinen Gesundheitszustand - zumindest im Ausland. In Nordkorea war in der zweiten Hälfte des Augusts noch jeder Einwohner davon überzeugt, dass ohne den "großen General" vermeintlich nichts gehe.

    "Ich singe die Lieder, die unser Volk mag. Deshalb singe ich über General Kim Jong Il, aber auch über das Leben der Menschen und einige traditionelle Lieder."

    Dieser Musiker gehört zu einer sogenannten Fabrik-Kapelle. Sie singen und spielen zur Motivation der Arbeiterinnen und Arbeiter in den Fabrik-Hallen oder draußen an den wenigen Baustellen, auf denen noch gearbeitet wird - ohne Maschinen dafür mit Seilwinden und kräftigen Armen.

    "Ich bin stolz darauf, dass ich in dieser Fabrik arbeiten darf, die Kim Jong Il besucht hat. Dazu kommt die Musik, die ich gerne höre. Ich nehme mir immer vor, noch besser zu arbeiten,"

    sagt diese Angestellte. Über dem Eingang zur Fabrikhalle in Pjöngjang hängt ein Schild: Am 31. Oktober 2005 hat Kim Jong Il hier eine Vor-Ort-Inspektion vorgenommen und wichtige Hinweise zur Verbesserung der Kabelherstellung gegeben - heißt es.

    Das alles beherrschende Denkmal in der Stadt zeigt jedoch als überlebensgroße, bronzene Statue den Vater Kim Il Sung. Frisch verheiratete Paare kommen hierher, um vor ihr Blumen niederzulegen. Es ist schwer zu sagen, in wie weit diese Gesten nur einstudiert sind - es scheint aber, als ob die Menschen in Nordkorea Kim Il Sung, der das Land aufgebaut hat, eine ehrlichere Verehrung entgegenbringen als seinem Sohn Kim Jong Il. Das würde aber niemand aussprechen. Stattdessen hört man von den vermeintlichen Heldentaten des "großen Generals", wie Kim Jong Il genannt wird.

    "Dank der Fürsorge von General Kim Jong Il haben wir genügend Materialien für den Anbau bekommen. Deshalb wird die Ernte in diesem Jahr sehr hoch ausfallen."

    Eine kleine Gruppe von Bauern hat sich an einem Sonntag am Rande von Pjöngjang zum Grillen getroffen. Es gibt selbst angebautes Gemüse, Reis und Ziegenfleisch. Die Frage nach den Zeiten der Hungerkatastrophen im Land ist nicht gestattet. Stattdessen erklärt einer der Bauern, warum es gerade so reichlich Ziegenfleisch gibt.

    "Einmal hat General Kim Jong Il den Hinweis gegeben, dass jeder Bauernhof Haustiere züchten soll, damit es jedem besser geht. Und deshalb haben wir angefangen, Ziegen oder Hasen zu züchten, also die Tiere, die Gras fressen. Auf diese Weise haben wir zusätzliches Fleisch gewonnen. Und das hier war auch eine Ziege, die wir selbst gezüchtet hatten."

    Kim Jong Il ist für seine Vor-Ort-Hinweise bekannt. Er schreibt keine Bücher und hält keine Reden. Sein Terminplan ist Staatsgeheimnis aus Angst vor Anschlägen. Bis zum 14. August tauchte er regelmäßig bei Armeeeinheiten oder verdienten Arbeiter- und Bauerngruppen auf, um bei der Inspektion wichtige Verbesserungsvorschläge zu machen - so auch in diesem Kino in Pjöngjang wie die Führerin stolz erzählt.

    "Am 5. Juni diesen Jahres kam Genosse Kim Jong Il persönlich und hat sich das alles angeschaut. Im Eingangsbereich hing damals ein großer Kronleuchter. Und als der große General das gesehen hatte, gab er den Hinweis, dass die Menschen von dessen Helligkeit geblendet werden, wenn sie aus dem Kino kämen. Außerdem könnten die Augen der Besucher geschädigt werden. Daraufhin haben wir die Beleuchtung verändert und alles so gemacht, wie sie es jetzt sehen."

    Das Kino steht nicht weit vom Kim Il Sung Platz entfernt. Die heutigen Vorstellungen seien ausverkauft. In dem einen Saal wird ein alter nordkoreanischer Film gezeigt im anderen läuft ein chinesischer Historienschinken. Wer vom Kino herunter an den Fluss Taedong geht und dort ein wenig entlang spaziert, kann sicher sein, dass nach kurzer Zeit aus den vielen Lautsprechern Marschmusik ertönt und Parolen, die das Land und die Errungenschaften der beiden Kims preisen.

    Dabei liegt die Wirtschaft Nordkoreas danieder, gibt es für die Menschen kaum etwas zu kaufen. Nachrichten aus der Welt dringen nur gefiltert in das hermetisch abgeriegelte Land. Als Erklärung für die schwierige Situation, in der sich Nordkorea befindet, werden die Aktivitäten des feindlichen Auslands herangezogen. Und dann kommt wieder Kim Jong Il ins Spiel, der mit seiner Weitsicht und dem Atomprogramm das Land angeblich zu einer Festung gemacht habe.

    "Als ich vor Kim Jong Il auftreten durfte, war das auch für mich ein überwältigendes Gefühl. Wir hier in Nordkorea, wir erleben alle Kim Jong Il als Vater. Und wenn man vor seinem Vater auftreten kann, dann hat man daran große Freude."

    Om Pong Sim ist 18 Jahre alt und Schülerin der Musik und Tanzschule Pjöngjangs. Seit mehreren Jahren nimmt sie an der Massenveranstaltung Arirang teil - wie auch ihre Freundin, die stolz ergänzt.

    "Ich hatte achtmal die Chance, vor General Kim Jong Il aufzutreten. Es ist sehr schwer, meine Gefühle von damals auszudrücken. Aber was ich sagen kann, ist, dass ich mich wahnsinnig freute, vor ihm aufzutreten und ihm dadurch auch ein wenig Ruhezeit bereiten zu dürfen."

    Dieses Jahr jedoch besuchte Kim Jong Il keine der Aufführungen. Und auch bei den anderen Veranstaltungen zum 60. Jahrestag der Gründung der Demokratischen Volksrepublik Koreas tauchte er nicht auf. Verlässliche Informationen über seinen Verbleib und seinen Gesundheitszustand gibt es nicht. Aber es ist sicher, dass die Macht-Clique im Land alles tun wird, um die Bevölkerung im Glauben an die beiden Kims zu bestärken - ungeachtet der historischen Wirklichkeit.