Wer von Jericho, tief unten am Jordan, hinaufgehen will nach Jerusalem, der wird nach Möglichkeit den Fußweg durch das Wadi Kelt nehmen, entlang dem herodianischen Aquädukt, und in der Höhe des Klosters St. Georg unter überhängenden Felsen die "Schwalbennester" von frühchristlichen Eremiten sehen. Zumindest eine dieser kargen Behausungen, in denen die Radikalgläubigen ihrem Gott nahe sein wollten, stamme, so erzählen die Mönche, bereits aus der Zeit des Alten Testaments und habe dem Propheten Elias am Ende als Zufluchtsort gedient, nachdem er sein großes Säuberungswerk gegen den Baals-Kult vollbracht hatte. Der Geist der Abtrünnigkeit von einzigen wahren Gott war aus den wirtschaftlich hoch entwickelten Küstenstädten Tyrus und Sidon mit der Frau des Königs Ahab, der Königin Isebel gekommen. Entsprechend harsch wurde die Dame vom sittenstrengen Elias attackiert.
Felix Mendelssohn Bartholdy schrieb gut ein Jahr vor seinem Tod noch einmal ein großes geistliches Oratorium, das an die Glaubensstrenge des Elias erinnerte, dann aber auf die allwaltende Güte des von diesem Propheten gegen alle äußeren und inneren Anfechtungen durchgesetzten Gottes abhob: Ein Bekenntniswerk des Konvertiten, der sich – obwohl musikdramatisch hoch begabt – auf die "unreine Mischform" der Oper nie ernsthaft einließ. Zutiefst mochte dies übrigens mit Vorstellungen von notwendigem Bilderverbot zu schaffen haben, die gerade auch – wie die Historizität der fast 3.000 Jahre zurückliegenden Elias-Tragödie – zu bedenken wären, wenn gerade dieses Oratorium auf die Bühne gebracht wird.
Ohne die Delikatessen der Mendelssohnschen Musik herauszupräparieren, hat Catherine Rückwardt mit den Kollektiven des Staatstheaters Mainz (verstärkt von der Domkantorei St. Martin) für eine respektable musikalische Darbietung gesorgt; Janice Creswell als Erster Engel und, in der Titelpartie, Hans-Otto Weiß mit seinem vollen und in den tieferen Lagen rundum überzeugenden Baß vermochten sich zu profilierten.
Jens-Daniel Herzog wollte das Werk gründlich mißverstehen. Er benutzte es, um Unmut über eine zunehmend globalisierte Weltordnung, amerikanisierte Politiker-Auftritte sowie den Mißbrauch von Religion und Glauben für reaktionäre Formen der Politik zu demonstrieren. Er machte Ahab zum jovialen Diktator in einer Mehrzweckhalle Baujahr 1956, Obadja zum agilen Jung-Angestellten auf dem Sprung in der Karriere-Leiter – und zeigte Elias als Politiker von Typ Bill Clinton.
Die Inszenierung benutzt für den kranken Knaben eine authentische Intensivstations-Einrichtung, setzt einen runden Tisch mit Bildschirmen und Telefonen an die Stelle des Baal-Altars (die Hoffahrt der Technik-Gläubigen wird durch Strom- und System-Ausfall abgestraft). Die Engel sausen als Feuerwehrleute aus einem runden Loch im Bühnenhimmel an Seilen herunter und liquidieren die Baals-Priester.
Zur prophetischen Warnung vor dem Laster, der "Hure Babylon", präsentiert Regisseur Herzog einen Anflug von sexueller Marktwirtschaft, dann knallbunten amerikanisierten Politik-Medien-Rummel mit viel Video-Einsatz: Elias als Pop-Ikone des Massen-Protests. Sein überlebensgroß auf den Screen projiziertes Bild erstarrt; der Widerstand wird perfekt vereinnahmt; der überforderte und altersresignierte Glaubenskämpfer zieht sich zurück.
Erst hier scheint eine ernsthafte Berührung auf zwischen der Inszenierung und dem Werk, das sich gegen eine derart vereindeutlichende und verflachende Übertragung sperrt. Zwischen der Genese bzw. Durchsetzung der monotheistischen Religion und ihrem heutigen Mißbrauch durch Figuren wie George W. Bush liegen 3.000 Jahre – und wenn zwei zu so verschiedenen Zeitpunkten vielleicht etwas Ähnliches tun, dann liegt dazwischen eben die gesamte von uns überschaubare Geschichte der Menschheit. Und Anfang oder Ende – das macht eben schon einen kleinen Unterschied aus.
Felix Mendelssohn Bartholdy schrieb gut ein Jahr vor seinem Tod noch einmal ein großes geistliches Oratorium, das an die Glaubensstrenge des Elias erinnerte, dann aber auf die allwaltende Güte des von diesem Propheten gegen alle äußeren und inneren Anfechtungen durchgesetzten Gottes abhob: Ein Bekenntniswerk des Konvertiten, der sich – obwohl musikdramatisch hoch begabt – auf die "unreine Mischform" der Oper nie ernsthaft einließ. Zutiefst mochte dies übrigens mit Vorstellungen von notwendigem Bilderverbot zu schaffen haben, die gerade auch – wie die Historizität der fast 3.000 Jahre zurückliegenden Elias-Tragödie – zu bedenken wären, wenn gerade dieses Oratorium auf die Bühne gebracht wird.
Ohne die Delikatessen der Mendelssohnschen Musik herauszupräparieren, hat Catherine Rückwardt mit den Kollektiven des Staatstheaters Mainz (verstärkt von der Domkantorei St. Martin) für eine respektable musikalische Darbietung gesorgt; Janice Creswell als Erster Engel und, in der Titelpartie, Hans-Otto Weiß mit seinem vollen und in den tieferen Lagen rundum überzeugenden Baß vermochten sich zu profilierten.
Jens-Daniel Herzog wollte das Werk gründlich mißverstehen. Er benutzte es, um Unmut über eine zunehmend globalisierte Weltordnung, amerikanisierte Politiker-Auftritte sowie den Mißbrauch von Religion und Glauben für reaktionäre Formen der Politik zu demonstrieren. Er machte Ahab zum jovialen Diktator in einer Mehrzweckhalle Baujahr 1956, Obadja zum agilen Jung-Angestellten auf dem Sprung in der Karriere-Leiter – und zeigte Elias als Politiker von Typ Bill Clinton.
Die Inszenierung benutzt für den kranken Knaben eine authentische Intensivstations-Einrichtung, setzt einen runden Tisch mit Bildschirmen und Telefonen an die Stelle des Baal-Altars (die Hoffahrt der Technik-Gläubigen wird durch Strom- und System-Ausfall abgestraft). Die Engel sausen als Feuerwehrleute aus einem runden Loch im Bühnenhimmel an Seilen herunter und liquidieren die Baals-Priester.
Zur prophetischen Warnung vor dem Laster, der "Hure Babylon", präsentiert Regisseur Herzog einen Anflug von sexueller Marktwirtschaft, dann knallbunten amerikanisierten Politik-Medien-Rummel mit viel Video-Einsatz: Elias als Pop-Ikone des Massen-Protests. Sein überlebensgroß auf den Screen projiziertes Bild erstarrt; der Widerstand wird perfekt vereinnahmt; der überforderte und altersresignierte Glaubenskämpfer zieht sich zurück.
Erst hier scheint eine ernsthafte Berührung auf zwischen der Inszenierung und dem Werk, das sich gegen eine derart vereindeutlichende und verflachende Übertragung sperrt. Zwischen der Genese bzw. Durchsetzung der monotheistischen Religion und ihrem heutigen Mißbrauch durch Figuren wie George W. Bush liegen 3.000 Jahre – und wenn zwei zu so verschiedenen Zeitpunkten vielleicht etwas Ähnliches tun, dann liegt dazwischen eben die gesamte von uns überschaubare Geschichte der Menschheit. Und Anfang oder Ende – das macht eben schon einen kleinen Unterschied aus.