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"Protect Protect"

Die New Yorker Künstlerin Jenny Holzer ist bekannt für ihre Laufbänder mit Sprüchen – sogenannte "True-isms", etwa der Satz "Protect me from what I want". Die Laufbänder an Fassaden wurden schnell so etwas wie das Markenzeichen der heute 58-Jährigen. Im Whitney Museum in New York ist nun eine große Werkschau von Jenny Holzer zu sehen.

Von Sacha Verna |
    David Kiehl erinnert sich noch gut daran, wie er Jenny Holzers Werk zum ersten Mal begegnete:

    " When I came to New York and moved down to Tribeca one of the things in the late 70ies that you kept finding were the Jenny Holzer-True-isms. Pasted up on buildings, on hoardings, sometimes complete, sometimes scratched, sometimes half-torn."

    Als er in den späten 70er-Jahren nach New York gekommen und nach Tribeca gezogen sei, habe man überall Jenny Holzers "True-isms" gefunden – an Gebäude oder Bretterzäune geklebt, manchmal vollständig, manchmal zerkratzt, manchmal halb zerrissen.

    David Kiehl hat die von vielen mit Spannung erwartete Ausstellung Jenny Holzer: "Protect, Protect" im Whitney Museum eingerichtet. Und die "True-isms", zu Deutsch Binsenweisheiten, mit der die amerikanische Künstlerin einst New Yorks Straßenwände pflasterte, sind längst in viel feinerer Umgebung zum schmückenden Beiwerk geworden.

    Sätze wie "Glücklich zu sein ist wichtiger als alles andere” oder "Hättest du dich anständig benommen, würden die Kommunisten nicht existieren” tauchen auch in "Protect, Protect" auf, obgleich die Schau sich eigentlich auf Jenny Holzers Arbeiten aus den letzten 15 Jahren konzentriert. Doch Recycling gehört zur Methode dieser Künstlerin, und das ist nicht als Kritik gemeint.

    Text und Licht sind Jenny Holzers Markenzeichen. Seit Anfang der 90er-Jahre benutzt Jenny Holzer die LED- oder Leuchtdiodentechnik, um Spruchbänder wie Nachrichten über Lichttafeln laufen zu lassen oder sie auf Fassaden, ja sogar Flüsse zu projizieren. Mit entsprechendem Effekt. Die Reden von deutschen Politikern, die seit 1999 im Berliner Reichstag über eine Stele spulen, sind eine Gaudi fürs Volk. Die linguistischen Lichtspiele, die Holzer 2001 im Auftrag der Neuen Nationalgalerie für verschiedenste Orte in der Hauptstadt entwarf, waren es nicht minder.

    "Protect, Protect" ist eine sehr gepflegte Angelegenheit. Farbenfroh und sauber, und politisch überaus korrekt. Denn der politische Unterton, den Jenny Holzers Werke stets hatten, ist in den vergangenen Jahren zu einem Dröhnen angeschwollen. Und wer Machtmissbrauch anprangert, hat immer Recht. Über "Thorax" etwa, eine blau-violette LED-Installation aus 12 geschwungenen Elementen, laufen Texte, die Jenny Holzer deklassifizierten Dokumenten der US-Regierung entnommen hat. Genauso wie auf den "Redaction Paintings", den schwarz-weißen Siebdrucken, die Holzers jüngste Arbeiten bilden, handelt es sich bei diesen Texten um Weisungen der Regierung, die die Strategien im sogenannten Krieg gegen den Terrorismus betreffen. Was man da zu lesen kriegt, schockiert. Natürlich.

    Nicht weniger ungemütlich mutete "Lustmord" an. Dieses Werk geht auf einen Auftrag der "Süddeutschen Zeitung" für ein Titelblatt zurück. Es besteht aus einem Tisch, auf dem hübsch sortiert menschliche Knochen liegen, von denen manche mit beschrifteten Silberringen versehen sind. Die Silberringe erzählen, was mit Frauen und Kindern während des Krieges in Ex-Jugoslawien geschah. Tiffany-Schmuck und Tod – auch diese Kombination schockiert. Natürlich.

    Das Problem ist, dass derlei ästhetisierte Moral immer einen unangenehmen Beigeschmack hat.

    "I think she is a political artist and yet she is an artist first."

    Er halte Jenny Holzer für eine politische Künstlerin, sagt der Kurator David Kiehl, doch in erster Linie sei sie Künstlerin. Allerdings überzeugen die Werke auch nicht wirklich, wenn man sie aus dieser Perspektive betrachtet. Dazu sind Jenny Holzers Mittel zu beschränkt. Ob Leuchtdioden oder Öl auf Leinwand – sie verweisen letztlich nur auf sich selbst. Noch einmal David Kiehl:

    " She arrests you with the beauty. And then stops you as you read the text. And all of a sudden you say: Wait – this is so beautiful and I'm reading this?"

    Jenny Holzer nehme einen mit der Schönheit ihrer Werke gefangen, bis man sich plötzlich erschrocken über den Inhalt der Texte klar werde. Nun ist das Unterlaufen von Erwartungen ein bekanntes künstlerisches Prinzip. Nur dass bei Jenny Holzer trotz vieler Texte keine Sprache entsteht.

    Die Ausstellung Jenny Holzer: "Protect, Protect" ist im Whitney Museum in New York noch bis am 31. Mai zu sehen. Dazu ist unter demselben Titel ein 128-seitiger Katalog erschienen. Er kostet 45 Dollar.