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Protektionismus statt Marktöffnung

Mehr Arbeitsplätze, mehr Wachstum – dazu wollen sich die europäischen Staats- und Regierungschefs auf ihrem Gipfel in Brüssel etwas einfallen lassen. Doch auf die Frage, wie sich die EU im weltweiten Wettbewerb behaupten kann, gibt es unterschiedliche Antworten. Insbesondere um die europäische Energiepolitik gibt es handfesten Streit. Unser Korrespondent Peter Kapérn berichtet aus Brüssel.

Von Peter Kapérn und Jörg Münchenberg | 23.03.2006
    Eines steht schon jetzt fest, auch wenn der EU-Gipfel erst morgen zu Ende geht. Die vielseitige Abschlusserklärung, die die 25 Staats- und Regierungschefs unterzeichnen, wird wieder voller gut gemeinter Absichtserklärungen stecken. Da werden sie untermauern, dass sie die wirtschaftliche Zusammenarbeit in allen Bereichen verstärken, die Arbeitslosigkeit senken und den Binnenmarkt ausbauen wollen. Wie viel diese Beteuerungen wert sind, das wird aber immer dann deutlich, wenn einer der europäischen Top-Politiker aus seinem Herzen keine Mördergrube macht - Italiens Wirtschaftsminister Giulio Tremonti zum Beispiel. Der sah Europa kürzlich in einer Situation vergleichbar jener vom August 1914.

    Der Vergleich mag überzogen gewesen sein, aber Tremonti wollte warnen vor einer neuen Welle des Nationalismus, die derzeit durch Europa rollt. Was Tremonti so verärgert hatte, war ein Schachzug der französischen Regierung. Die hatte, um die Übernahme des französischen Versorgungsunternehmens Suez durch das italienische Unternehmen Enel zu verhindern, kurzerhand dafür gesorgt, dass der Übernahmekandidat bei einem anderen französischen Unternehmen, bei Gaz de France, Unterschlupf finden kann, um so die italienische Offerte abzublocken. Alltag auf dem europäischen Binnenmarkt, dessen Geist und Regeln derzeit fast täglich durch den neuen ökonomischen Patriotismus ausgehebelt werden. Nach Auffassung von Alexander Radwan, Wirtschaftsexperte der CSU im Europaparlament, ist die Union der 25 reif für die Psychiatercouch:

    "Man erkennt momentan in einigen Staaten eine gewisse Schizophrenie. Solange man im Ausland kaufen kann, sind die Nationalstaaten, die nationalen Politiken, zufrieden und sehen das auch als eigene Stärke an. Sobald es aber umgekehrt kommt, und jemand in diesen Markt möchte, greift man zu protektionistischen Mitteln, um dieses wegzuhalten, um es aufzuhalten nach dem Motto: Wir gehen auf Einkaufstour, aber nicht bei uns."

    Sicherlich: Es gibt eine lange Liste gelungener, grenzüberschreitender Fusionen. Mannesmann-Mobilfunk wurde von Vodafone geschluckt, der deutsche Industriegashersteller Linde kaufte den britischen Konkurrenten BOC, die italienische Unicredito sicherte sich die Mehrheit an der Hypovereinsbank. In letzter Zeit aber macht etwas anderes Schlagzeilen: die zunehmenden Versuche der Mitgliedstaaten nämlich, Großkonzerne vor Übernahmen durch ausländische Unternehmen zu schützen. Und je größer die Empörung der eigenen Wählerschaft über einen Übernahmeversuch ist, desto absurder die Argumentation, mit der die Regierungen hantieren. Alexander Radwan:

    "Das führt zu dieser absurden Situation, als jemand den Danone-Konzern aufkaufen wollte, die Spitzenpolitiker in Frankreich auf einmal Jogurt als ein nationales Kulturgut gekennzeichnet haben und hier eine entsprechende Abwehrschlacht vorbereitet haben. Nicht sagend, dass der Danone-Konzern seinen Umsatz und seinen Gewinn überwiegend nicht in Frankreich macht, sondern weltweit macht."

    Während also in den Mitgliedstaaten der EU ökonomisch die Zugbrücken hochgezogen werden, versucht die EU-Kommission, sich gegen den Strom zu stemmen. Spanien wird ein Vertragsverletzungsverfahren angedroht, weil die Regierung durch Gesetzestricks versucht, eine Übernahme des Stromgiganten Endesa durch die deutsche E.ON zu verhindern. Gegen Polen läuft bereits ein solches Verfahren, weil die polnische Regierung die Übernahme heimischer Banken durch Unicredito unterbinden will. Und auch Italien mit seinem Wirtschaftsminister Tremonti ist ins Visier der Brüsseler Behörde geraten. Denn auch Rom versucht, italienische Banken vor Übernahmen durch ausländische Kreditinstitute zu schützen. Die Waffen der Kommission erweisen sich in der Praxis jedoch häufig als stumpf. Ihr bleiben nur langwierige Prüfverfahren und der noch längere Weg vor den Europäischen Gerichtshof. Andere Wege bleiben den Brüsseler Hütern der EU-Verträge nicht – abgesehen von ungehört verklingenden Appellen. Industriekommissar Günther Verheugen:

    "Die Kommission ruft dringend dazu auf, Abstand zu nehmen von solchen nationalen protektionistischen Alleingängen und eher daran zu arbeiten, dass die ja längst gemeinsam beschlossenen und vereinbarten Vorgaben des Binnenmarktes realisiert werden. Davon werden wir mehr haben, als wenn wir anfangen, uns wieder in nationale Schutz- und Trutzburgen einzuigeln."

    Seit dem 1. Januar 1993 beansprucht die EU, ein Binnenmarkt, also ein Markt ohne innere Grenzen zu sein. Kern dieses Binnenmarktes sind die vier Freiheiten, die in Artikel 14 des EG-Vertrages aufgelistet sind. Der freie Verkehr von Waren, Dienstleistungen, Personen und Kapital soll demnach innerhalb der EU nicht behindert werden. Nicht nur, dass der Binnenmarkt für Dienstleistungen noch immer mehr Fiktion als Realität ist, auch die Freiheit des Kapitalverkehrs wird zunehmend aus vermeintlich nationalen Interessen eingeschränkt. Diese Tendenz grassiert derzeit in fast allen Mitgliedstaaten, nach Ansicht aller Experten sind vor allem aber Frankreich und Deutschland führend bei der Renationalisierung der Wirtschaftspolitik. Das zeigte sich vor allem im erbitterten Streit um die Liberalisierung von Dienstleistungen auf dem europäischen Markt. Frankreich und Deutschland sperrten sich massiv gegen zwei Richtlinien, mit denen die EU-Kommission für mehr Wettbewerb auf dem Dienstleistungssektor generell und bei den Hafendienstleistungen im speziellen sorgen wollte. Die Dienstleistungsrichtlinie ist auf Druck der beiden europäischen Schwergewichte massiv zusammengestrichen worden und befindet sich noch auf dem Weg durch die europäischen Instanzen. Die Hafenrichtlinie hingegen ist endgültig versenkt worden. Paris und Berlin – so der Eindruck, der dadurch entstanden ist - setzen im Zeitalter der Globalisierung noch immer auf die nationale und weniger auf die europäische Karte - trotz aller Erfolge, die sie dem Binnenmarkt verdanken. Der CSU-Europaabgeordnete Alexander Radwan:

    "Der Binnenmarkt hat dazu geführt, dass gerade wir Deutschen in unserer Exportleistung sehr zugenommen haben, in den letzten zehn Jahren eine Verdoppelung der Ausfuhr im europäischen Binnenmarkt. Wenn wir uns Konzerne anschauen, wie zum Beispiel Volkswagen, wo wir es als Selbstverständlichkeit nehmen, dass sie ein Unternehmen wie Seat in Spanien oder Skoda in Tschechien kaufen, also eine sehr starke Ausdehnung der europäischen, der deutschen Unternehmen in Europa. Dort haben wir eine gewisse Stärke gezogen, und wenn dieser Binnenmarkt geschwächt wird, wird auch unsere eigene Wirtschaft geschwächt."

    In dieser Einschätzung sind sich alle großen Fraktionen des Europaparlamentes einig. Und auch darin, dass mehr als nur die Wirtschaftskraft der Mitgliedstaaten durch den neuen Protektionismus in Mitleidenschaft gezogen wird. Alexander Graf Lambsdorff, Abgeordneter der Liberalen im Straßburger Parlament:

    "Der Binnenmarkt ist die Grundlage unseres Wohlstandes in Europa. Wer ihn in Gefahr bringt, legt die Axt an die Wurzel des europäischen Integrationsprozesses. Die Menschen erwarten, dass die Europäische Union Wohlstand garantiert, der Binnenmarkt ist der Garant dieses Wohlstandes. Wer mit ihm Schindluder treibt, gefährdet den Integrationsprozess insgesamt."

    Der Preis, der für die Renationalisierung im Bereich der Wirtschaft zu zahlen wäre, wäre also sehr hoch. Warum aber dann betreiben viele Regierungen der Mitgliedstaaten dieses Geschäft? Sie werden, darin sind sich EU-Kommissare wie Europaabgeordnete einig, von der Angst ihrer Wähler getrieben. Von der Angst vor der Globalisierung. Denn diese beiden, Globalisierung und Binnenmarkt, sind für viele Europäer mittlerweile zwei Seiten einer Medaille. Mit Erläuterungen über die Segnungen des Binnenmarktes braucht Bernhard Rapkay, SPD-Abgeordneter aus Dortmund, deshalb derzeit seinen Wählern gar nicht zu kommen:

    "Es gibt natürlich auch eine verständliche Reaktion, wenn Leute sich in ihrem konkreten Arbeitsplatz gefährdet sehen, und zwar real gefährdet sehen, dann sagen die eben auch: Weißt du was, du kannst uns erzählen, was du lustig bist, und das mag ja vielleicht auch stimmen. Für mich ist nur die Erfahrung eine völlig andere."

    So erklärt sich der massive Widerstand, der derzeit auch von vielen europäischen Gewerkschaften gegen die Fortentwicklung des Binnenmarktes ausgeübt wird. Ein Widerstand, der von Regierungen, die um die Wiederwahl fürchten müssen, nur allzu gern aufgenommen und verstärkt wird. Das Konzept der EU-Kommission, im sich verschärfenden weltweiten Wettbewerb auf Liberalisierung und auf den Aufbau starker europäischer Konzerne statt auf den Erhalt nationaler Champions zu setzen, stößt hingegen nur bei wenigen Mitgliedstaaten auf Unterstützung. So bleibt es wohl auf europäischer Ebene bei blutleeren Beteuerungen, man wolle den Binnenmarkt nicht durch Protektionismus aushebeln. Als Italien unmittelbar vor dem Gipfel versuchte, Rückendeckung in der EU für eine Resolution gegen den französischen Wirtschaftspatriotismus zu finden, musste die Regierung in Rom feststellen, dass kaum ein Land bereit war, die Resolution zu unterzeichnen. Auch die Bundesregierung winkte höflich ab. Mehr als das, was Bundespräsident Horst Köhler kürzlich vor dem Europaparlament zum neuen Protektionismus gesagt hat, ist aus Berlin also derzeit wohl nicht zu erwarten.

    "Wer den europäischen Binnenmarkt durch Protektionismus schwächt, der schneidet sich am Ende ins eigene Fleisch. Wer jetzt wieder in das alte "Jeder ist sich selbst der nächste" verfällt, verkennt die Dimension des globalen Wettbewerbs und gaukelt seinen Bürgern eine Scheinsicherheit vor."

    Das Schlagwort Globalisierung geistert als Schreckgespenst durch die deutsche Debatte. Angst bestimmt die Diskussion, die Angst davor, dass immer mehr Arbeitsplätze ins Ausland verschoben werden. Dabei ist Deutschland gleichzeitig einer der Hauptprofiteure der weltweit vernetzten Ökonomie: Denn was Firmenkäufe und Übernahmen im Ausland angeht, spielen deutsche Konzerne weltweit vorne mit. Jörg Münchenberg hat die Fakten zusammengetragen.

    Das globale Übernahmekarussell dreht sich immer schneller, und deutsche Unternehmen sind ganz vorne mit dabei. So bietet der deutsche Chemiegigant BASF für den amerikanischen Katalysatorenhersteller Engelhard – das Gebot liegt bei knapp fünf Milliarden Euro. Der Mischkonzern Linde, der künftig sein Geld alleine mit Industriegasen verdienen will, kauft den britischen Konkurrenten BOC für rund zwölf Milliarden Euro. Doch am spektakulärsten ist sicherlich der Poker des deutschen Energieversorgers E.ON um den spanischen Konkurrenten Endesa – E.ON ist bereit, für diesen Megadeal rund 30 Milliarden Euro auf den Tisch zu legen.

    Kein Zweifel: Die internationale Übernahmewelle rollt – und nach Jahren der Zurückhaltung wird sie nicht zuletzt von deutschen Konzernen maßgeblich vorangetrieben. Für den Chefvolkswirt des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Hans-Joachim Haß, keine überraschende Entwicklung:

    "Wir sehen ja, dass die Performance der global agierenden Unternehmen im Grunde exzellent ist. Wir sind Exportweltmeister, und die deutschen Unternehmen haben international Marktanteile hinzugewonnen. Und das hat sie nicht nur dadurch, dass sie vernünftige Produkte anbietet, sondern indem sie sich auch unternehmerisch auf den Weltmärkten vernünftig aufgestellt hat – durch Verlagerung, durch Outsourcing, durch Beteiligung, durch all diese Dinge."

    Nach Berechnungen der Unternehmensberatung KPMG wurden von Januar bis November 2005 weltweit Firmen für rund zwei Billionen Dollar übernommen – der Anteil der deutschen Konzerne daran lag immerhin bei rund 80 Milliarden Dollar. Für den BDI-Chefvolkswirt ist dies eine direkte Folge der globalisierten Wirtschaftswelt, zumal der Wettbewerbsdruck durch die beiden neuen Mitspieler Indien und China enorm gestiegen sei:

    "Da wo sie die großen Massenmärkte haben, erzwingen die globalen Marktstrukturen auch große Unternehmenseinheiten. So, und da stellt sich natürlich aus Sicht der Unternehmen die Frage: Wie kommt man zu solchen Einheiten? Durch organisches Wachstum, dass man etwa jedes Jahr zehn Prozent zulegt in seinem Umsatz, erreicht man eben nicht in absehbarer Zeit die Größenordnungen, die notwendig sind. Insofern kommen dann eben externe Überlegungen ins Visier – Übernahmen und solche Geschichten rücken dann in den Fokus."

    Aber es sind eben nicht nur die großen Konzerne wie BASF, Daimler, E-ON, Linde, Deutsche Post AG oder auch Adidas, die derzeit das ganz große Rad drehen. Selbst mittelständische Unternehmen tummeln sich verstärkt auf ausländischen Märkten, sind am Übernahmepoker maßgeblich beteiligt, betont der Chefvolkswirt des Deutschen Industrie- und Handelkammertages (DIHK), Axel Nitschke, mit Verweis auf die Ergebnisse einer noch unveröffentlichten Unternehmensumfrage:

    "Nach unserer Meinung ist der deutsche Mittelstand sehr stark an diesen Übernahmeaktivitäten beteiligt – und zwar in beide Richtungen. Wir haben die Information, dass sehr viele Unternehmen in der Größenordnung 200 bis 1000 Beschäftigte sich immer stärker auf die Auslandsmärkte hin orientieren und dafür dann auch dort Unternehmen einkaufen. Aber auch eine große Gruppe von deutschen Unternehmen sucht Beteiligungspartner oder Übernahmeinteressenten in anderen Ländern, so dass also deutsche Mittelständler in beiden Richtungen aktiv sind."

    Fressen und gefressen werden – das zentrale Motto der Globalisierung - gilt also auch für mittelständische Unternehmen, die gerade auf den Auslandsmärkten gut vertreten sind. Und es gibt neue Trends: Zwar steht Europa noch immer ganz vorne, doch längst wagen auch kleinere Firmen den Sprung in die Boomregion Südostasien, so die neuesten Daten beim DIHK:

    "Mittelständische Firmen aus der KfZ-Zulieferindustrie, aus dem elektrotechnischen Bereich, aber auch aus dem chemischen Pharmabereich sind sehr aktiv. Wir haben bei den DIHK-Umfragen diese Branchen an der Spitze stehen. Die Regionen: An erster Stelle stehen hier die Beitrittsländer des Jahres 2004 zur Europäischen Union, will heißen: die mittel- und osteuropäischen Länder. Schon an zweiter Stelle folgt China. Und an dritter Stelle, ebenfalls mit einem beachtlichen Prozentwert von 35 Prozent folgen die traditionellen EU-15-Länder."

    Doch nicht immer fällt die Bilanz positiv aus: Viele Übernahmen gehen schief, weil die Unternehmenskulturen nicht zusammenpassen oder auch die Übernahme weitaus teurer wird als geplant: Nicht selten entpuppt sich die erkämpfte Braut am Ende als wenig attraktiv, eine Erfahrung, die sowohl große Konzerne wie Mittelständler machen müssen.

    Anfangs war bei Daimler im Zuge der Übernahme des amerikanischen Automobilherstellers Chrysler noch von einer "Hochzeit im Himmel" die Rede. Nach einem harten Sanierungskurs und milliardenschweren Verlusten hat sich die Euphorie in Luft aufgelöst. Auch beim DIHK heißt es, mindestens jedes zehnte Auslandsengagement gehe am Ende schief. Doch wer sich auf kein Risiko einlässt, der habe im globalen Kampf um Marktanteile schon verloren, heißt es bei den Experten. Und selbst der drohende Abbau von Arbeitsplätzen zahle sich letztlich auch für die Beschäftigten aus, erklärt der Hamburger Wirtschaftsrechtler Michael Adams:

    "Es kann bei einzelnen Unternehmen natürlich zum Abbau von Beschäftigung führen. Aber alle Untersuchungen von dem hoch flexiblen amerikanischen Markt zeigen, dass es dann an anderer Stelle natürlich wieder neue Arbeitsplätze gibt. Denn wenn die Produktivität steigt, heißt es, dass an irgendeiner Stelle auch die Gewinne und die Löhne steigen, die dann wiederum Produkte verlangen, wozu man Arbeitnehmer braucht."

    Eine Einschätzung, der die Gewerkschaften sicherlich nicht unbedingt folgen werden. Dennoch gilt die Übernahmepraxis in Deutschland als relativ liberal, auch wenn die Bundesregierung bei der Rahmengesetzgebung nicht ganz so weit gehen will, wie dies die EU-Kommission vorgeschlagen hat. So sollen etwa Vorratsbeschlüsse der Hauptversammlung zur Abwehr einer feindlichen Übernahme möglich sein. Nationale Champions, die zudem den Schutz der Politik genießen wie etwa in Frankreich, gibt es hierzulande jedoch kaum noch, von Ausnahmen wie etwa VW einmal abgesehen.

    Längst gehört die so genannte Deutschland AG, also die enge Interessenverflechtung von einzelnen Unternehmen, der Vergangenheit an: Nicht zuletzt die rot-grüne Bundesregierung hatte daran erheblichen Anteil – der Verkauf von Beteiligungen wurde steuerfrei gestellt. Aber, so Adams, in den Chefetagen habe auch ein neues Denken Einzug gehalten:

    "Der alte Filz zwischen den Unternehmen mit den großen Banken und Versicherungen im Zentrum – das haben die als unmodern erkannt und haben ihre Beteiligungen abgebaut. Die Deutschland AG gibt es auf Seiten der Aktionäre nicht mehr."

    Und die deutschen Unternehmen gelten an der Börse als unterbewertet, obwohl sie vielfach hervorragende Geschäftszahlen vorweisen können. Dazu fehlt es gerade bei mittelständischen Betrieben oft an Kapital, so dass selbst ausländische Beteiligungsgesellschaften, im letzten Jahr von den Sozialdemokraten als Heuschrecken verschmäht, nicht selten höchst willkommen sind. Die Eigentümerstrukturen verändern sich enorm – Vorreiter, so BDI-Chefvolkswirt Haß, seien hier einmal mehr die großen, international ausgestellten Konzerne:

    "Wenn sie sich zum Beispiel einmal die Eigentümerstrukturen von großen deutschen DAX-Unternehmen anschauen, von E.ON zum Beispiel, einem Energieversorger. Ob das in dem Sinne noch ein richtig deutsches Unternehmen ist, weiß ich gar nicht. Die haben zwar nach wie vor ihre Konzernzentrale hier in Deutschland und haben den deutschen Markt auch hauptsächlich im Visier. Aber von der Eigentümerstruktur sind sie längst internationalisiert, und dies gilt im Grund genommen für alle diese Unternehmen – DaimlerChrysler, die großen Chemieunternehmen."

    Angesichts der positiven Konjunkturaussichten – sowohl hierzulande als auch weltweit - dürfte sich das Übernahmekarussell nach Einschätzung der meisten Experten auch in diesem Jahr rasant weiter drehen - nicht zuletzt dank der kräftigen Unterstützung deutscher Unternehmen.