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Protest gegen Frieden mit der ETA

Angehörige der Opfer des baskischen ETA-Terrors wollen an diesem Wochenende gegen die Friedenspläne des spanischen Ministerpräsidenten José Luis Rodriguez Zapatero demonstrieren. Sein Verhandlungsangebot an die ETA und deren verbotene Partei Batasuna geht ihnen viel zu weit. Der Protest wird von der konservativen Opposition mitgetragen. Hans-Günter Kellner berichtet aus dem Baskenland.

09.06.2006
    Der Terror hat eine Landkarte der Gewalt hinterlassen: Viele Städtenamen den erinnern im Baskenland an die Anschläge der ETA: Vitoria, Zumárraga, Altsasu, Andoain oder Tolosa. Am 29. Juli des Jahres 2000 ermordete hier ein ETA-Kommando den sozialistischen Politiker Juan Mari Jáuregui, als dieser mit einem Freund in einem Restaurant einen Café trank. Solche Morde haben sich tief in die politische Landschaft eingegraben, die weiterhin von der Konfrontation geprägt ist: Zwischen radikalen ETA-Sympathisanten und Demokraten, zwischen Nationalisten und Nicht-Nationalisten, Konservativen und Sozialisten. Die Witwe von Juan Mari Jáuregui, Maixabel Lasa, fordert dazu auf, die Schützengräben endlich zu verlassen:

    "Dieser so genannte Konflikt, den wir hier im Baskenland erleben, macht es erforderlich, dass wir miteinander sprechen. Wir müssen nach Lösungen suchen. Je mehr wir miteinander reden, umso besser. Und je länger wir damit warten, umso schwerer werden es Frieden und Freiheit in unserem Land haben. Juanmari sagte immer, wir müssen so schnell wie möglich Brücken für den Dialog schlagen."

    Ihr Mann setzte sich stets für die Verständigung zwischen Nationalisten und Nicht-Nationalisten ein. Das vergisst seine Witwe nie. Deshalb schien sie der regionalen Verwaltung auch die geeignete Person für den Posten der Beauftragten der Terroropfer zu sein. Ihr Aufruf zum Dialog schließt ausdrücklich auch Batasuna mit ein. Sie vertraut darauf, dass die spanische Regierung die Opfer nicht vergessen wird:

    "Der Dialog ist in diesem Moment die Aufgabe der Regierung. Der muss geführt werden. Zapatero hat versichert, zuvor das Parlament um Zustimmung zu bitten. Das ist eine gute Idee. Nur die Regierung kann diesen Dialog führen, und ich denke, dass Zapatero bei diesen Gesprächen auch immer die Opfer und ihre Angehörigen präsent haben wird."

    Maixabel Lasa versteht nur zu gut, wenn andere Opfer mit dieser Dialogbereitschaft Probleme haben, wenn sie fürchten, übergangen zu werden, dass ihr Recht auf Gerechtigkeit missachtet werden könnte. Die Opfer haben für sie allen Grund, den Politikern und auch der baskischen Gesellschaft zu misstrauen:

    "Die Opfer wurden zu lange Zeit missachtet. Die ETA hat doch immer gesagt, dass sie die Menschen im Namen des baskischen Volkes entführt und ermordet. Und das baskische Volk hat zu lange weggeschaut. Und in welchem baskischen Dorf wurde keine Solidaritätsresolution verabschiedet, wenn mutmaßliche Terroristen verhaftet wurden? In Schulen und Fabriken wurde bei Verhaftungen gestreikt, aber die Terroropfer erfuhren diese Solidarität lange Zeit nicht."

    Im Alltag des Journalisten Gorka Landaburu hat der Waffenstillstand nichts geändert. Er kommt in die Hotellobby mit einem diskreten Leibwächter an der Seite. Die ETA schickte ihm 2001 eine Briefbombe. Mit viel Glück überlebte er das Attentat. Dass ihm nun immer alles aus der Hand fällt, weil die Bombe ihm Teile der Finger abriss, erträgt er geduldig. Im Gegensatz zu vielen anderen Terroropfern würde Landaburu einer Freilassung der Täter von einst zustimmen:

    "Der Herr Susper, einer der ETA-Führer, der mir die Briefbombe schickte, sitzt derzeit in Frankreich in Haft. Wenn er mir den Frieden für mich und mein Land garantiert, wenn künftig jeder friedlich für seine Vorstellungen von der Unabhängigkeit oder die Selbstbestimmung eintritt, dann soll er als freier Mann ins Baskenland zurückkehren. Ich trage keinen Hass in mir, ich will nur Lösungen. Das ist der einzige Weg. Wir können nicht ständig zurück schauen."