Archiv


Protest gegen Langzeitstudiengebühren in Thüringen

Maleike: Langzeitstudiengebühren gibt es nicht nur in Thüringen. In Baden-Württemberg werden sie erhoben, seit Anfang des Jahres auch in Nordrhein-Westfalen, hier hatte es nach den Gebührenbescheiden gleich auch Klagen der Studierenden gegeben. Auch in Thüringen haben sich die Studierendenvertreter darauf geeinigt, beim gerichtlichen Widerspruch zu unterstützen. Am Telefon ist Jens Wernicke, hochschulpolitischer Referent des Studierendenkonvents der Bauhaus-Uni Weimar. Warum wollen Sie jetzt den Widerstand auch vor Gericht ausfechten?

    Wernicke: Weil wir natürlich darum bemüht sind, unseren Studierenden - und zwar allen, nicht nur denen, die noch nicht über die Regelstudienzeit hinaus sind - so gut wie möglich zu helfen, dass sie ein adäquates Studium bekommen und wir sehen auch gerichtlich die Chance, in den neuen Bundesländern eventuell vorangehen zu können, als in den alten. Es ist hier der Vertrauensschutz tatsächlich gewährleistet, dass wir argumentieren können und auch werden, dass bis vor Kurzem im Hochschulgesetz in Thüringen stand, ein Studium kostet nichts. Diese Änderung jetzt einfach vorzunehmen und zu sagen, es kostet doch was, ist gut und schön, aber das darf auf keinen Fall rückwirkend die Leute betreffen die bisher ihr Leben nach diesem geltenden Recht gelebt und angewandt haben.

    Maleike: Über welche Zahlen reden wir eigentlich, wenn wir über Langzeitstudierende in Thüringen reden?

    Wernicke: Das sind in Thüringen auch zwischen fünf und zehn Prozent, soweit ich weiß. Klingt erst mal wenig, aber sind dann doch einige tausend Studenten, um die es geht und das wird auch von der Studierendenvertretung nicht weiter akzeptiert, dass hier einfach mal irgendwelche Minderheiten mit Strafzöllen belegt werden für Sachen, für die sie eigentlich nichts können.

    Maleike: Wie lange sind denn die Bescheide in Thüringen schon raus?

    Wernicke: Das ist von Hochschule zu Hochschule unterschiedlich, zwischen einem Monat und einer Woche. Das heißt, in den nächsten Wochen laufen auch schon die Fristen ab, wir haben ein vorgefertigtes Widerspruchsformular, was die Leute nur noch unterschreiben und ausfüllen müssen, was die dann gleich einreichen können. Es geht jetzt auch wirklich darum, schnell zu handeln.

    Maleike: Aus anderen Bundesländern, zum Beispiel aus Nordrhein-Westfalen, weiß man, dass viele nicht den Widerspruchsweg übers Gericht gehen, sondern das Studium beenden. In Nordrhein-Westfalen hat es zu hohen Abgangszahlen geführt, zum Teil in zweistelligen Prozentzahlen. Befürchten Sie das auch für Thüringen?

    Wernicke: Das steht natürlich zu befürchten, wenn wir es nicht irgendwie schaffen, jetzt transparent zu arbeiten und die Studierenden zu erreichen, dass die aus Angst davor, selber tätig zu werden und sich um ihre Rechte zu kümmern, sich im Zweifelsfall vielleicht lieber exmatrikulieren. Da wir das aber nicht wollen, sind wir jetzt wirklich bemüht, jedem einzelnen dabei zu helfen, dass er den Widerspruch einlegt und sobald er darauf eine Absage bekommen hat, im Zweifelsfall auch Klage einreicht.

    Maleike: Erstsemesterzahlen steigen bundesweit an, auch in Thüringen. Rechnen Sie damit, dass die Studienbedingungen in Thüringen dadurch noch verschlechtert werden?

    Wernicke: Ich befürchte, dass das weiterhin der Fall ist. Das ist in den letzten Jahren schon deutlich geworden, dass es genau darauf hinausläuft und immer schlimmer wird. Der Hochschulpakt, den wir hier in Thüringen haben, deckelt die Budgets der Hochschulen mit dem Haushalt von 2001 und berücksichtigt schon die letzten Jahre überhaupt nicht mehr, dass die Studierendenzahlen steigen, dass es Gehaltserhöhungen gibt. Das heißt, die Hochschulen sind im Jahr ungefähr auf den Punkt gebracht circa zehn Prozent Kürzungen gezwungen und es läuft jetzt schon darauf hinaus, dass die Studienbedingungen immer schlechter werden und das ist auch da schon nicht mehr akzeptabel für uns.

    Maleike: Sie haben den Hochschulpakt angesprochen, wie auch gestern schon Jens Goebel, der neue Kultusminister in Thüringen, der gestern seinen Amtsantritt hatte. Der sagte, mit dem Hochschulpakt der jetzt bislang gilt, das ist ja so eine Art Zielvereinbarung, die auch mit viel Zähneknirschen zwischen Hochschulen, Studierenden und dem land hergestellt wurde, wo eben bestimmte Rahmenbedingungen festgelegt wurden, zum Beispiel, was Finanzierung oder Personal angeht. Herr Goebel sagte, der gilt auf jeden Fall noch bis 2006, danach will er ihn auch wieder auflegen, er möchte aber, dass dabei dann auch die Kooperation von Seiten der Studierendenschaft stärker sein wird. Was erwarten Sie davon?

    Wernicke: Schwierig einzuschätzen. Zum einen ist es kontraproduktiv. Was er sagt, widerspricht sich schon an sich. Die aktuelle Situation bis 2006 zu dulden heißt, dass er jetzt noch mindestens zwei Jahre zuschauen will, wie der Zustand überhaupt nicht mehr akzeptabel wird. Da zweifle ich dann auch daran, was es bedeutet, uns in drei Jahren mal Besserung zu versprechen und dann das jetzt zu akzeptieren, wo schon Unis gegen gestreikt haben, gegen die momentanen Bedingungen. Was er sagt, heißt nichts anderes als bis 2006 wird es weiterhin schlechter und dann reden wir vielleicht noch mal drüber. Ich würde mich freuen, wenn er das machen würde, aber dann würde ich mich auch freuen, wenn er nicht nur Pressemitteilungen verschicken würde, sondern auch etwas täte, da habe ich leider noch nichts gesehen. Dass er jetzt sagt, er freut sich auf die Zusammenarbeit mit den Studierenden ist auch ein sehr nettes Argument, ich erlebe aber an Thüringer Hochschulen, wie die demokratische Mitbestimmungsrechte der Studierenden abgeschafft oder geschwächt werden. Ich bin da sehr skeptisch, was solche Äußerungen meinen und wie es dann tatsächlich in der Realität aussieht.

    Maleike: Was wären denn Ihre Hauptforderungen für eine Neuauflage, wenn sie wieder ins Gespräch käme?

    Wernicke: Ganz definitiv drei Punkte. Dass der Hochschulpakt demnächst die Größen Inflation, steigende Studierendenzahlen und Gehaltserhöhung berücksichtigt. Wenn das kompensiert wird, können wir wenigstens den status quo halten und der ist eigentlich schon nicht mehr akzeptabel. Aber da sagt der Minister ja auch, über so was können wir erst ab 2006 reden.

    Maleike: Vielen Dank an Jens Wernicke, hochschulpolitischer Referent des Studierendenkonvents der Bauhaus-Uni Weimar.