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Protest gegen LKW-Maut

Rund 35 Liter Diesel rauschen durch die Einspritzdüsen, wenn solch ein Lastwagen 100 Kilometer fährt. Mit jedem Liter Diesel fließen knapp 44 Eurocent Mineralöl- und Ökosteuer in die Staatskasse. Im Deutschlandverkehr summiert sich das bei einem Lastwagen mit 135.000 Kilometern Fahrleistung auf jährlich knapp 20.780 Euro. Die Mitbewerber aus Frankreich, Italien und den Niederlanden zahlen bis zu 6.500 Euro weniger. Sie tanken daheim, schleppen bis zu tausend Liter Diesel mit und fahren über hiesige Straßen, ohne auch nur einen Tankstopp, ohne also in Deutschland Mineralölsteuer zu zahlen.

Michael Braun |
    LKW-Frachten sind für deutsche Spediteure also deutlich teurer, ihr Verband spricht von Wettbewerbsnachteilen, von mangelnder Harmonisierung in Europa. Dennoch hat er der LKW-Maut, also der streckenabhängigen Nutzungsgebühr auf Autobahnen für Lastwagen von mehr als 12 Tonnen Gesamtgewicht zugestimmt. Alle Parteien wollten sie, Widerstand schien zwecklos. Doch der Bundesverband Güterkraftverkehr und Logistik hat verlangt, für die LKW-Maut müsse an anderer Stelle Kompensation geleistet, müsse etwa die Mineralölsteuer auf europäisches Maß gesenkt werden. Und die Politik habe ihm das auch einmal zugesagt, berichtet der Hauptgeschäftsführer des Verbandes, Karlheinz Schmidt, halte sich aber nicht mehr daran:

    Es gibt hier einen ganz klaren Vertrauens- und Wortbruch der Bundesregierung. Kanzleramtschef Dr. Steinmeier hatte dem Gewerbe noch letztes Jahr fest versprochen, die Maut wird nicht einfach oben auf die Mineralöl- und Kraftfahrzeugsteuer draufgesattelt, sondern die deutschen Unternehmer bekommen europäisch gesehen einen größtmöglichen Harmonisierungsschritt. Und das hätte bedeutet, dass das, was wir heute über Kraftfahrzeug- und und Mineralölsteuern für den Wegebau zahlen auf die Maut angerechnet worden wäre. Und dann hätte man die heutigen Wettbewerbsverzerrungen, die wir zu ausländischen Fahrzeugen hätten mit begradigt. Die Bundesregierung hat jetzt bei 6,6 Milliarden DM - so wird das ganze noch gerechnet - Mauteinnahmen ganze 500 Millionen DM für die Umfinanzierung der bisherigen Straßenbaulasten angeboten. Das betrachten wir als Wortbruch und deshalb möchten wir die Bundesregierung über diese Aktion im Grunde verpflichten, das zu tun, was sie noch vor einem Jahr versprochen hat.

    Diese Aktion - das ist eine Aktion des zivilen Ungehorsams, eine Art Urabstimmung darüber nämlich, ob die Fuhrunternehmer den Einbau der elektronischen Erfassungs- und Messgeräte für die Maut verweigern sollen. Die Urabstimmung im Gewerbe läuft - in den ersten Rückläufen ist die Mehrheit eindeutig gegen den Einbau der elektronischen Mautzähler. Und die Branche ahnt und droht, dass es ohne diese elektronischen Helfer nicht gehe, dass es bei einer manuellen Abrechnung zu einem Chaos komme, wenn nicht auf den Straßen, dann im deutschen Gerichtswesen. Karlheinz Schmidt:

    Es gibt keinen Einbauzwang. Es gibt zwar eine Maut in Deutschland. Und nach europäischem Recht ist es notwendig, dass man auch die manuelle Bezahlung vorsieht. Es wird also dann an wesentlichen Verkehrsknotenpunkten, ob das nun größere Rastplätze abseits der Autobahn oder auf den Autobahnen ist, so genannte Verkaufsautomaten geben. Sie müssen ja dann die Strecke eingeben, wie Sie fahren wollen, zu welcher Uhrzeit. Und dort können Sie dann Ihre Maut manuell buchen. Wir gehen davon aus, dass wenn in Deutschland niemand die vollautomatische Erfassung einbaut, dann werden die Fahrzeuge diese Stellen anfahren, um dort Maut zu buchen, feststellen, es gibt nicht genügend Parkplätze - wir haben ja schon heute keine mehr, um die längeren Ruhezeiten einzuhalten -, und dann fahren wir halt ein Stück weiter, bis zum nächsten Automaten. Und wenn wir dann in der Zwischenzeit völlig zu Unrecht als Schwarzfahrer betrachtet werden und eine Anzeige bekommen, dann werden wir uns mit rechtlichen Mitteln dagegen zur Wehr setzen und das Ganze klarstellen. Das BAG, das Bundesamt für Güterverkehr, will 1.000 Beamte für die Mautkontrolle einsetzen. Stellen sie sich vor, die erwischen jeder jeden Tag nur 20 so genannte Mautsünder, die keine sind, dann haben Sie 20.0000 ungerechtfertigte Verfahren im Bußgeldbereich, und Sie haben 20.000 pro Tag bei Amtsgerichten. Nach fünf Tagen sind es 100.000, nach nicht einmal drei Monaten haben sie bereits eine Millionen Verfahren. Das wird, wenn das Gewerbe sie durchhält und solidarisch mitträgt, dazu führen, dass die Bundesregierung entweder die Rechtspflege in diesem Land aufgibt oder ihr Wort hält.

    3,4 Milliarden Euro soll die Autobahnmaut bringen, rund 300 Millionen Euro hat die Bundesregierung bisher als Ausgleich angeboten. Das wären knapp neun Prozent des Mautaufkommens. Das Verkehrsministerium glaubt, damit dem Kompensationsversprechen nachgekommen zu sein. Der Chef des Hauses, Verkehrsminister Kurt Bodewig, war zu dem Thema als Interviewpartner nicht zu bekommen, aber sein Sprecher Felix Stenschke. Der weist den Vorwurf des Wortbruchs zurück:

    Wir haben ein Verfahren bei der EU-Kommission angemeldet zur größtmöglichen Harmonisierung. Und der Minister hat auch Preise genannt, nämlich 260 Millionen. Das ist nicht nichts.

    Frage: Das ist nicht Nichts, aber 3,4 Milliarden Euro soll die LKW-Maut bringen. Und wenn Sie sagen 260 Millionen als Ausgleich - das ist eigentlich kein Ausgleich ?

    Das ist schon ein Ausgleich. Sie müssen zu den angebotenen Beiträgen, die eine Kompensation oder eine Harmonisierung des Mineralölsteuersatzes sind, hinzurechnen, dass ja auch die Euro-Vignette wegfällt. Die müssen die LKWs bisher auch bezahlen. Und das ist auch ein erklecklicher Batzen. Insofern kommen Sie schon auf einen sehr großen Harmonisierungsbeitrag. Dies ist das, was wir angeboten haben. Dies ist die größtmögliche Harmonisierung, die es geben kann. Die Vorstellung des Gewerbes, das alles kompensiert werden kann, das ist etwas irreal

    Die Euro-Vignette erspart den Spediteuren auf Deutschlands Straßen bis zu 766 Millionen Euro - aber nur ein Teil davon zahlen deutsche Spediteure, einen großen Teil die ausländischen Unternehmer, deren Marktanteil im Jahr 2015 auf die Hälfte gestiegen sein wird. Der Wegfall der Vignette kann also nur mit deutlichem Abschlag als Kompensation für Fuhrunternehmer mit Sitz in Deutschland gelten. Der Giessener Ordinarius für Wettbewerbstheorie, Wettbewerbspolitik und Transportwirtschaft, Professor Gerd Aberle, kann die Klage des Gewerbes über den Wortbruch der Politik jedenfalls nachvollziehen:

    Auch Bundesverkehrsminister hat Aussagen getätigt, dass eine angemessene Berücksichtigung dieser sehr hohen gezahlten Mineralöl- und auch der Kraftfahrzeugsteuer erfolgt. Im Augenblick hat man den Eindruck, dass es darum geht, auf die bestehenden fiskalischen Belastungen durch die Mineralöl- und Kraftfahrzeugsteuern noch was draufzuschlagen. Und die Einführung eines nutzungsabhängigen Preissystems, wie es die Maut darstellt, setzt an sich voraus, dass man sich Gedanken darüber macht, was angerechnet wird. Es geht nicht einfach nur um ein Draufsatteln, sondern es geht darum, dass man einen Teil dieser Belastung dann eben auch verrechnet. Und da sind sicherlich angebotenen Beträge von derzeit 300 Millionen Euro pro Jahr ein sehr geringer Betrag, wenn man mal die Gesamtbelastung sieht. Und die ist eben mit den avisierten 15 Cent je Fahrzeugkilometer in einem ersten Ansatz - es ist ja auch daran gedacht dieses mittel- bis langfristig zu erhöhen - dann ist das eben eine sehr geringe und für das Gewerbe auch nur schwer einzusehende Kompensationsgröße.

    Frankfurt, Rödelheimer Landstraße, Axel Keiper betreibt hier seit mehr als 30 Jahren eine Spedition. Er fährt ausschließlich im innerdeutschen Verkehr, tankt also hier , kriegt die Kosten hier voll ab. Gerade kommt er mit einem Lastzug auf den Hof.

    Das ist einer wie vielen Lastzügen, mit dem Sie gerade auf den Hof gekommen sind ? Einer von 15, von den 15 großen Fernzügen, die von der Autobahngebühr betroffen sind.

    Wieviel Kilometer fahren Sie im Jahr durchschnittlich mit einem Zug ? Zwischen 100.000 und 120.000 km jährlich, in der Mitte wird die Wahrheit liegen.

    Wo wird denn das Erfassungsgerät eingebaut ? Es gibt nur zwei Systeme. Deshalb kann ich mir nur vorstellen. es wird wohl im Frontscheibenbereich oder im vorderen Bereich des Fahrzeuges liegen. Wenn die Satellitengeschichte kommt, wird es wohl im oberen Bereich liegen, dass man bei Durchfahrt ablesen kann, was da gesucht und gefunden wurde.

    Das funktioniert so ähnlich wie der Laser an der Einkaufstheke ? Wird wahrscheinlich so sein, man kann es sich so vorstellen wie an der Kasse, wo mit dem Scanner drüber gefahren wird. So wird das in Vorbeifahrt funktionieren.

    Wie teuer wird das werden ? Bei 2.000 Mark wird das in etwa liegen.

    Und wer zahlt das ? Wahrscheinlich derjenige, der es benutzen muss. Und da haben wir wieder das nächste Mal gewonnen. Ich nehme nicht an, dass die Herren, die das Geld haben wollen, das Medium auch bereitstellen wollen. Die werden sagen: Das müsst ihr euch einbauen.

    In seinem Kontor, wahrlich kein Schickeria-Büro, rechnet Axel Keiper vor, was ihn die Maut kosten würde:

    Ich muss im Moment von dem Sachstand ausgehen, dass es total bei uns hängen bleibt. Relativ schnelle Rechnung: Bei mindestens 100.000 Kilometer Autobahn im Jahr, mal 15 Cent, wären wir bei 15.000 Euro, das mal Fuhrpark: Da braucht man nicht lange zu überlegen, das wird sich nie erwirtschaften lassen. Wenn man mal so die Bilanzen anschaut, Speditionen und Transportunternehmen sind ja schon ziemlich am Ende der Skala angekommen.

    Für eine volle Fuhre von Frankfurt nach Berlin bekomme er 600 Euro. Für die Rückfahrt, wenn es ihm gelinge eine Ladung zu bekommen, könne er nur 400 Euro berechnen. Denn um Berlin herum sei die Konkurrenz ortsansässiger Spediteure groß, die zu fast jedem Preis anböten. Bestenfalls 1.000 Euro seien also umzusetzen für gut tausend Kilometer, für zweieinhalb Tage Lastzug einschließlich Fahrer. Natürlich werde er versuchen, die Mautkosten an seine Auftraggeber, die Verlader, weiterzugeben. Aber selbst wenn ihm das gelinge, müsse er die nächsten Jahre nicht mehr kommen, um höhere Preise wegen höherer Personal- und Sachkosten durchzusetzen, erzählt der Spediteur. Und der Verkehrsökonom Professor Gerd Abeler vermutet, dass die Mautkosten von rund 15.000 Euro je Lastzug und Jahr bei den Fuhrunternehmern hängen bleiben, dass sie sie nicht weitergeben können:

    Das ist eine Frage der wirtschaftlichen Machtsituation. Einige große Unternehmen haben schon vorweg angekündigt, dass sie diese Mautgebühr nicht übernehmen werden. Die wirtschaftliche Situation ist ja auch im Handel und in der produzierenden Wirtschaft schwierig. Nun muss man sagen, dass der Anteil der Transportkosten und damit eine Steigerung der Transportkosten durch die Maut bezogen auf fast alle Endprodukte einen ganz geringen Anteil nur ausmacht. Das sind von 0,5 bis 3 Prozent im Durchschnitt. Das ist also nicht viel. Nun könnte man sagen: Also gut, drei Prozent des Produktendwertes, das ist kein Thema. Es ist aber insofern ein Thema, als dass die Unternehmen einfach die Summe aller Transportkosten sehen. Und die sind natürlich erheblich. Und wenn da ein Aufschlag kommt, der x Prozent ausmacht, durch die Maut, je nach den Entfernungen, die für die Produktkategorien zurückgelegt werden müssen, dann sind das Hunderttausend- oder Millionenbeträge für das einzelne Unternehmen. Und dann ist jeder, der für den Einkauf von Transportleistungen zuständig ist, natürlich bestrebt, hier keine solche Erhöhung in Hunderttausend- oder Millionenhöhe vorzunehmen, obwohl wie gesagt, das umgelegt, als Durchschnittswert ein minimal kleiner Betrag wäre. Aber diejenigen, die jetzt ein Erfolgserlebnis haben wollen, die Controller, die gucken natürlich auf den Gesamtbetrag.

    Die Gewerkschaft Verdi unterstützt übrigens die Position, dass die LKW-Maut kostenneutral zu erheben sei, dass mögliche Nachteile jedenfalls nicht auf die Arbeitnehmer abgewälzt werden sollten.

    Doch im Moment sieht es anders aus: Die LKW-Maut kommt, der Ausgleich für die Fuhrunternehmer kaum, die staatlich begründeten Wettbewerbsnachteile bleiben, werden gar größer - deshalb proben die 15.000 Spediteure nun quasi mit gewerkschaftlichen Mitteln, mit einer Urabstimmung, den zivilen Ungehorsam.

    Das alles wäre vorhersehbar gewesen. Zumindest das, was die Branche als Wortbruch gegenüber dem Gewerbe empfindet, hätten Bundesverkehrsministerium und Kanzleramt als Risiko für ihre Glaubwürdigkeit einschätzen müssen, zumal in einem Wahljahr. Dass sie dieses Risiko eingingen, hängt nach Meinung des Spediteurverbandes mit einer Verkehrspolitik zusammen, die stark von den Interessen des Vorstandes der Deutschen Bahn AG bestimmt ist: Karlheinz Schmidt, der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Güterkraftverkehr:

    Die Eisenbahn ist ja ein sehr teures Kind, auch wenn immer von dem Erfolg der Bahnreform gesprochen wird. Es ist so, dass wir mittlerweile jedes Jahr für die Schiene zehn Milliarden DM aus Staatskasse ausgeben. Es ist also durchaus nicht so, dass die Eisenbahn ihre Wegekosten selber zahlt, sondern zehn Milliarden kommen aus der Staatskasse für Infrastruktur. Hinzu kommen noch mal rund zehn Milliarden allein für Regionalisierung im ÖPNV. Und die fließen auch weitestgehend der Eisenbahn zu. Wenn man sich jetzt betrachtet, das man in der Bundesrepublik Deutschland auch nochmals zehn Milliarden DM für die Straße zur Verfügung gestellt werden, die Straße aber rund 70 Prozent der Verkehrleistungen abwickelt, die Schiene im Personenverkehr um die 8 Prozent dümpelt und im Güterverkehr bei 15 Prozent - dann weiß man, wie teuer die Eisenbahn ist. Und wer die Eisenbahn weiter ausbauen und leistungsfähig machen will, der braucht unendlich viel Geld. Selbstverständlich will Bundesverkehrsminister aus der LKW-Maut Schienen mitfinanzieren. Wir haben noch nicht mal was dagegen, denn wir würden ja gerne Eisenbahn fahren. Das tun wir auch im kombinierten Verkehr. Woran es mangelt sind gute Angebote der Eisenbahn. Und dass es Angebotsmangel auf der Schiene gibt, das hängt damit zusammen, dass der Herr Mehdorn das Netz mit Zähnen und Klauen verteidigt und im Grunde nur so viel Wettbewerb zugelassen wird, wie die DB Zentrale jeweils zulässt.

    Dass der Chef der Bahn AG die Verkehrspolitik in Deutschland mache, streitet das Verkehrsministerium ab. Sein Sprecher Felix Stenschke weist solche Vorwürfe zurück, hält die Entscheidungen über die LKW-Maut für gerechtfertigt:

    Ich weiß ja, dass es in der Mediengesellschaft immer nach dem Western-Prinzip des Showdwons geht: "Wer hat gewonnen, und wer bleibt auf der Straße liegen". Das ist in der Verkehrspolitik nicht unbedingt das Kriterium. Minister Bodewig macht seine politischen Aufgaben und Herr Mehdorn macht seine betriebswirtschaftlichen Aufgaben bei der Bahn. Das heißt: Wir nehmen das Geld, das als Einnahme aus der Maut kommt und investieren das in Verkehrsprojekte. Daraus finanzieren wir ein umfangreiches Anti-Stauprogramm und daraus finanzieren wir auch ein Sechser-Betreiber-Modell, ein Privat-Vorfinanzierungsmodell, wo Autobahnen von zwei Streifen besonders belastet werden auf drei Streifen ausgebaut werden. Das heißt: On top auf den normalen Haushalt bekommen wir zusätzliche Einnahmen, um die dringend benötigte Verkehrsinfrastruktur auszubauen.

    Der Giessener Ordinarius für Wettbewerbspolitik und Transportwirtschaft, Professor Gerd Aberle, sieht dagegen die Gefahr, dass das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung durch die LKW-Maut verletzt wird, dass also die Spediteure zahlen, das Geld aber nicht dem Straßenbau, sondern zur Bahn fließt. Und außerdem weist er darauf hin, dass der Verkehrsminister den Einfluss auf die Mauteinnahmen verloren hat, dass der Finanzminister die Hand darüber hält:

    An sich war es ja angedacht, dass durch die fahrleistungsabhängige Straßenbenutzungsgebühr eine Finanzmasse geschaffen wird, die eben nicht mehr in der ausschließlichen Disposition des Finanzministers sich befindet. Bisher ist es ja so, dass zwar sehr hohe Steuern gezahlt werden, Mineralölsteuer und - mit geringerer Bedeutung - die Kraftfahrzeugsteuer -, aber diese Einnahmen fließen natürlich immer in die Entscheidungsbereiche des Bundesfinanzministers oder der Länderfinanzminister. Nun war angedacht, dass eine solche benutzungsabhängige Gebühr jetzt einen in sich geschlossenen Finanztopf bildet, in den man also nicht so einfach reingreifen kann von außen und der dann auch für Investitionen zur Verfügung steht, so wie das ja eine Gebühr ist. Eine Gebühr, da sprechen wir ja vom sogenannten Äquivalenzprinzip, das heißt, Leistung und Gegenleistung müssen in einem bestimmten Verhältnis zueinander stehen.

    Das war die Theorie. In der Praxis sieht es anders aus. Zugriff hat weiterhin der Bundesfinanzminister. Es ist ja erstaunlich: Es gibt eine Infrastrukturfinanzierungsgesellschaft, die ist jetzt gegründet worden. Und wenn man da mal hinschaut, bekommt sie die Gelder nicht direkt, die durch die Maut eingenommen werden. Sondern die Gelder fließen erst an den Finanzminister, und der Finanzminister gibt dann wieder Beträge an diese Infrastrukturfinanzierungsgesellschaft.

    Das ist eine völlig unsinnige Konstruktion. Aber sie hat die Konsequenz, dass wiederum der Finanzminister letztlich entscheidet, welche Beträge wirklich für diese Infrastrukturmaßnahmen zur Verfügung stehen. Man sieht hier, dass der Finanzminister eben eine sehr starke Position hat, und der Verkehrsminister, der sicherlich andere Vorstellungen hat, diese aber aus verständlichen Gründen sicherlich nicht laut äußern wird, dass der Bundesverkehrsminister sich hier nicht durchsetzen kann. Das ist eine bedauerliche Entwicklung, und stellt diesen sehr guten Grundgedanken einer eigenständigen Finanzierung über fahrleistungsabhängige Abgaben im Grunde in eine Abseitsposition.

    Die Stellung Bodewigs in der Verkehrspolitik durfte offenbar nicht zu stark werden. Sein Vorschlag, der Bahn das Schienennetz zu nehmen, um es stärker für andere Wettbewerber zu öffnen, ist längst vom Tisch. Dagegen soll DB-Vorstand Mehdorn beim Kanzler interveniert haben. 200.000 Bahnerstimmen zählen im Wahljahr mehr als 15.000 von Spediteuren. Auch Unionskanzlerkandidat Stoiber hat Mehdorn brieflich versichert, nicht auf der Trennung von Netz und Betrieb zu bestehen. Das System Bahn bleibt wie es ist, gespeist durch immer neue Gelder aus immer neuen Töpfen. Die LKW-Maut ist der nächste.