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Proteste gegen die Istanbuler Stadtplanung

Vor 87 Jahren wurde das Emek Kino in einem historischen Jugendstil-Gebäudekomplex im Istanbuler Stadtzentrum eingerichtet. Nun will es die Stadtverwaltung abreißen, um ein Einkaufszentrum zu errichten. Die radikale Sanierungspolitik ist kein Einzelfall in der Metropole am Bospurus.

Von Sabine Küper-Büsch |
    "Istanbul gehört uns” protestieren aufgebrachte Demonstranten auf dem Istiklal Boulvard. Das ist die zentrale verkehrsberuhigte Einkaufsstraße im Stadtzentrum Beyoðlu. Die Menschen sträuben sich gegen die Gentrifizierungswut der Stadtverwaltung von Istanbul. Nach zweieinhalb Jahren Rechtsstreit wurde am ersten Dezember der Abriss des historischen Filmpalastes Emek gerichtlich ermöglicht. Ein weiteres Einkaufszentrum soll dort errichtet werden. Ali Gürsel, Sprecher der Initiative zur Rettung des Emek Kinos, spricht aus, was alle hier denken.

    "Das Emek Kino ist ein Symbol für diese Stadt. Wir werden es nicht aufgeben. Wir alle haben uns mit unserer ersten Liebe vor diesem Kino verabredet. Wir haben unsere schönsten Filme hier angeschaut. Wir Istanbuler dürfen nicht zulassen, dass unsere schönsten Kulturräume zu Konsumtempeln degenerieren.”"

    Das Emek Kino wurde vor 87 Jahren in einem historischen Jugendstil-Gebäudekomplex eingerichtet. Die Yeþilçam-Straße, avancierte zum Zentrum der türkischen Filmproduktion.

    Das Emek Kino beherbergte alle Filmpremieren. Die Kunsthistorikerin Derya Nükhet Özer von der Istanbuler Yeditepe Universität warnt vor der verheerenden Sanierungspolitik der Istanbuler Stadtverwaltung.

    ""Im Namen der sogenannten Stadtsanierung werden momentan Kulturgüter einfach ausradiert. Das ist eine gefährliche Entwicklung, denn es wurden gleichzeitig gesetzliche Rahmenbedingungen dafür geschaffen.”"

    Der Emek Filmpalast ist nur ein Beispiel für die historische Bausubstanz erodierende Sanierungspolitik in der Metropole am Bosporus. Seit Jahren warnt die UNESCO, Istanbul von der Liste des Weltkulturerbes zu streichen. Als Istanbul 2010 Kulturhauptstadt Europas war, nutzte die Stadtverwaltung diese Gunst der Stunde, um einschneidenden stadtplanerischen Rahmenbedingungen den Weg zu bahnen unterstreicht Kunsthistorikerin Derya Nükhet Özer.

    ""Die UNESCO kritisiert seit 2004 fehlende juristische Strukturen zum Schutz des Weltkulturerbes in der Stadt. Die wurden jetzt innerhalb eines aus Ankara kommenden Gesetzes geschaffen. Allerdings nicht im Geiste der UNESCO. Die Regierung hat der Stadtverwaltung einen Blankoschein zur Sanierung ausgestellt."

    Die Folgen sind bereits zu spüren. Nur fünfhundert Meter vom Emek Filmpalast entfernt liegt der Tarlabaþý-Boulvard. Früher wohnten vor allem die religiösen Minderheiten, Griechen, Armenier und Juden hier. In den 50er-Jahren kam es jedoch zu fremdenfeindlichen Pogromen, die meisten Familien verließen das Viertel. Migranten aus Anatolien zogen in ihre Häuser. Es entstand eine neue Subkultur. Die Menschen hatten gerade Fuß gefasst und sich einen bescheidenen Wohlstand aufgebaut. Im vergangenen Jahr wurden jedoch fast alle Eigentümer gezwungen, ihre Häuser an den Staat zu verkaufen. Sie mussten einer zweifelhaften Sanierungspolitik weichen, kritisiert Stadtplaner Korhan Gümüs.

    "”Unser Problem ist, dass immer etwas Neues entstehen soll, ohne das ein Plan existiert, wie das aussehen soll. Das Alte muss weg und was kommt dann? Der tatsächliche Abriss des Emek Kinos zum Beispiel wäre ein nicht wieder gut zu machender Fehler. Es ist eines der wenigen historischen Kulturpaläste innerhalb einer bereits kaputt sanierten Innenstadt.”"

    Die Istanbuler sind entschlossen die türkische Regierung mit Dauerprotesten unter Druck zu setzen. Nicht nur auf der Straße, auch im Internet wird Ankara an alte Versprechen erinnert. Auf YouTube kursiert ein Spottvideo über den türkischen Kulturminister Ertugrul Güney.

    "Das Emek Kino wird nicht abgerissen” hatte der Minister vor zwei Jahren versprochen. An diese Worte wird er in den kommenden Wochen immer wieder erinnert werden.