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Proteste in der Türkei
Wieder Wasserwerfer gegen Demonstranten

Es sind Szenen, die an den Sommer in Istanbul erinnern: Die türkische Polizei geht mit Wasserwerfern und Tränengas gegen regierungskritische Demonstranten vor. Die fordern in Sprechchören den Rücktritt von Präsident Erdogan wegen der Korruptionsaffäre.

27.12.2013
    Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan sitzt finster blickend vor einer Türkei-Flagge.
    Der türkische Ministerpräsident Erdogan muss eine juristische Niederlage verkraften. (dpa picture alliance / Sedat Suna)
    Bei Protesten in Istanbul hat die Polizei wieder Wasserwerfer, Tränengas und Plastikgeschosse gegen die Demonstranten eingesetzt. Der zentrale Taksim-Platz wurde abgeriegelt. Die Regierungsgegner skandierten wie bei den Protesten im Sommer: "Überall ist Taksim, überall ist Widerstand". Einige von ihnen warfen Steine und Feuerwerkskörper auf die Sicherheitskräfte. Auch aus der Hauptstadt Ankara und Izmir wurden wurden Proteste gemeldet. Zugleich gingen in anderen Regionen der Türkei auch Tausende Anhänger Erdogans auf die Straße.
    Zuvor hatten türkische Richter das Vorhaben der Regierung blockiert, deren Kontrolle über die Polizei auszuweiten. Die Beamten sollten dazu verpflichtet werden, ihre Korruptionsermittlungen gegenüber Vorgesetzten offenzulegen. Damit will die Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan offenbar verhindern, dass in der Korruptionsaffäre gegen weitere Verdächtige aus dem Umfeld der Regierungspartei AKP vorgegangen wird.
    Türkische Opposition: Polizei werden die Hände gebunden
    Als Grund für die Entscheidung gaben die Richter laut der Onlineausgabe der Zeitung "Hürriyet" an, das Dekret könne "irreparable Schäden" verursachen. Als Konsequenz aus den Korruptionsermittlungen hatte die Regierung in den vergangenen Tagen Hunderte Polizisten entlassen, weil sie von ihnen nicht über die Ermittlungen informiert worden sei. Die türkische Opposition kritisierte daraufhin, den Beamten würden die Hände gebunden.
    Die Polizei hat seit dem 17. Dezember Dutzende Geschäftsleute und Politiker aus Erdogans Umfeld festgenommen, darunter die Söhne von drei Ministern. Daraufhin hatte der Regierungschef am Mittwoch zehn Minister ausgetauscht. Die Opposition und zahlreiche Demonstranten fordern jedoch weiter, dass Erdogan zurücktritt.
    Die Europäische Union verfolgt die Entwicklung in der Türkei laut dem für die Beitrittsverhandlungen zuständigen Kommissar Stefan Füle "mit zunehmender Besorgnis". In einer Erklärung erinnerte Füle die Türkei an ihre Pflichten als Beitrittskandidat und forderte die Regierung auf, "alle nötigen Schritte zu unternehmen, damit die Vorwürfe von Rechtsverletzungen ohne Benachteiligung oder Bevorzugung transparent und unparteiisch aufgeklärt werden".
    #Turkey:following events around judiciary with growing concern,independent and impartial judiciary is crucial http://t.co/23MR2y5G24— Štefan Füle (@StefanFuleEU) 27. Dezember 2013
    Drei Abgeordnete der Regierungspartei ziehen sich zurück
    Gegen den Ministerpräsidenten gibt es inzwischen auch Protest aus den eigenen Reihen. Drei Abgeordnete der AKP haben die Regierungspartei verlassen, da sie von "Arroganz" geführt werde, sagte der frühere Kulturminister Ertugrul Günay auf einer Pressekonferenz. Auch sei es nicht länger möglich, sich in der Partei Gehör zu verschaffen. Die AKP behält allerdings trotz der Austritte eine breite Mehrheit im Parlament.
    Unterdessen hat der Generalstab erklärt, dass die Streitkräfte "nicht in die politischen Debatten" hineingezogen werden wollten. In der Vergangenheit griff die Armee immer wieder ein, um ihre Interessen zu verteidigen und den säkularen Charakter des Staats zu schützen. In den vergangenen Jahren wurden die Streitkräfte allerdings zunehmend von der Regierungspartei dazu gezwungen, sich weitgehend aus der Politik zurückzuziehen.
    Erdogan sieht sich als Opfer von internationaler Verschwörung
    In der Korruptionsaffäre geht es den Ermittlern zufolge um die Bestechung von Politikern mit dem Ziel, Baugenehmigungen zu erhalten und illegale Goldgeschäfte mit dem Iran zu vertuschen. Erdogan spricht dagegen von einem internationalen Komplott, das ihn und seine Regierung stürzen wolle.
    Die Affäre belastet zunehmend auch die türkische Wirtschaft. Der Lira sank am Freitag im Handel auf ein Rekordtief. Für einen US-Dollar mussten zeitweise 2,18 Lira gezahlt werden und damit so viel wie noch nie. Auch türkische Staatsanleihen und der Aktienhandel des Landes gerieten unter Druck, nachdem ausländische Investoren den Markt teilweise verlassen hatten.