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Prothese aus dem 3-D-Drucker

Prothesen sind auch deshalb so teuer, weil sie individuell angepasst werden müssen. Selbst professionelle Hersteller setzen dabei auch auf 3-D-Druckverfahren. Diese Technik ist sogar für Heimanwender erschwinglich. Das Projekt "Robohand" ist ein Beispiel für den Selbstbau von Prothesen.

Von Thomas Reintjes | 18.09.2013
    Auf seiner YouTube-Seite zeigt Ivan Owen seine Schöpfungen, darunter einige mechanische Hände. Owen baut Puppen und Kostüme. Die überdimensionale Hand in diesem Video ist für ein Werwolfkostüm gedacht. Ein solches Video hat Richard van As gesehen und Ivan Owen eine E-Mail geschickt:

    "Er hat mich gefragt, ob ich mit ihm an einem Fingerersatz arbeiten wolle."

    Van As, Dachdecker in Südafrika, hatte bei einem Arbeitsunfall zwei Finger verloren. Owen, auf der anderen Seite der Erde in den USA, zögerte nicht lange. Er flog nach Südafrika und bastelte gemeinsam mit van As an einer künstlichen Hand aus Metall. Richtig Fahrt nahm das Projekt auf, als die Mutter von Liam Dippenaar sich an die beiden wandte. Owen:

    "Er wurde ohne Finger an der rechten Hand geboren. Zuerst haben wir ihm einen Prototyp aus Metall gebaut. Aber dann waren wir vom 3-D-Druck begeistert. Wir haben entsprechend der Metallteile ein 3-D-Design am Computer erstellt. Damit konnten wir dann die Plastikteile für seine Hand drucken."

    Ein YouTube-Video zeigt, wie Liam mit der Kunststoffhand Münzen greifen kann - was nicht immer gelingt. Es ist vermutlich die weltweit erste selbst gedruckte Prothese. Die 3-D-Drucktechnik hatte für die Entwickler der Robohand - wie sie sie nannten - immense Vorteile. Sie konnten problemlos über Kontinente hinweg Designs austauschen, indem sie sich Dateien statt Bauteile zuschickten, bis alles funktionierte, erzählt Owen:

    "Die Hand funktioniert rein mechanisch, ohne Elektronik oder Motoren. Von jedem Finger geht ein Draht zum Unterarm, wo er befestigt ist. Wenn man sein Handgelenk nach unten biegt, strafft das die Drähte und biegt die Finger. Wenn man das Handgelenk zurückbewegt, strecken Gummis am Handrücken die Finger wieder."

    Das selbst zusammenzubauen ist nicht ganz einfach, außerdem braucht man außer den billigen 3-D-Druck-Teilen und ein bisschen Zubehör einen teuren orthopädischen Kunststoff, der als Armschale dient und an dem die Robohand befestigt wird. Das Ergebnis ist eine recht einfache Prothese, mit der sich lediglich greifen lässt. Trotzdem war Charles Goldfarb, Handchirurg an der Washington University im US-Bundesstaat Missouri, beim ersten Anblick der Robohand begeistert:

    "Ich dachte: Das ist genial. Aber ich dachte auch, es sieht schon sehr einfach aus. Wird es wohl funktionieren?"

    Gesehen hat der Arzt die Robohand zum ersten Mal, als ein Patient mit den gedruckten Einzelteilen zu ihm kam. Die digitalen Bauanleitungen, die Dateien für den Ausdruck auf 3-D-Druckern, hat Ivan Owen frei verfügbar ins Internet gestellt. Jeder, der einen 3-D-Drucker zur Verfügung hat, kann sich eine Robohand ausdrucken. Charles Goldfarb will sie jetzt auch weiteren Patienten empfehlen - für jeden sei Robohand zwar nicht geeignet, aber vor allem für Kinder sei sie interessant:

    "Die Robohand ist toll für ein Kind, das keine Finger und keinen Daumen hat, das jung ist und unbedingt eine Prothese haben möchte und das wegen des Wachstums noch mehrere Prothesen brauchen wird. Dann wäre die Robohand eine gute Wahl."

    Prothesen für Kinder sind vor allem deshalb eine teure Angelegenheit, weil sie so oft eine neue brauchen. Für Erwachsene lohnt sich hingegen eine aufwendigere, vielfältiger einsetzbare, aber mehrere 10.000 Euro teure Handprothese schon eher. Robohand zeigt auf, wie 3-D-Druck individuelle Anpassungen vereinfacht. Vielleicht lässt sich dieses Prinzip in Zukunft mit den Hightech-Prothesen zusammenführen, sodass auch diese mit den Kindern mitwachsen können, hofft Charles Goldfarb:

    "Robohand ist ein wunderbarer Start. Sie hilft Kindern schon jetzt, aber öffnet auch die Tür für noch größere und bessere Ideen in der Zukunft."