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Provokation endet als Skandal

Lawrence Summers, seit vier Jahren Präsident der Elite-Uni Harvard, ist dafür bekannt, kein Blatt vor den Mund zu nehmen. Auf einer Konferenz über Wirtschaftsentwicklungen hatte er mit frauenfeindlichen Bemerkungen für Aufruhr gesorgt. Auf dem Campus gibt es kein anderes Thema mehr. Und Summers merkt, dass er unter Umständen zu weit gegangen ist.

Von Gunnar Schultz-Burkel | 17.03.2005
    Lawrence Summers hatte geglaubt, das Schlimmste hinter sich zu haben. Deshalb kam das Abstimmungsergebnis wie ein Tiefschlag. 218 Mitglieder des Fachbereichs Kunst und Wissenschaften entzogen ihm das Vertrauen. Nur 185 hielten zu dem Harvard-Chef.
    Die Abstimmung hat zwar nur symbolische Bedeutung, aber sie soll Summers zeigen, dass er in der Vergangenheit einfach zu weit gegangen ist.

    Dabei hatte er sich nach eigenen Angaben in den letzten Wochen alle Mühe gegeben, den angerichteten Schaden zu begrenzen. Auf seiner Webseite beteuerte er immer wieder, dass er nicht verstanden und missinterpretiert wurde. Darüber können die meisten Frauen, die seine Januarrede hörten, nur die Köpfe schütteln.

    Summers, seit vier Jahren Präsident der Elite-Uni Harvard, hatte auf einer Konferenz über Wirtschaftsentwicklungen unter anderem erklärt, es gäbe naturgegebene Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Deshalb gäbe es auch weniger weibliche Naturwissenschaftler. Er muss gemerkt haben, dass viele Teilnehmer fassungslos waren. Aber statt sich von da an zurück zu nehmen, legte Summers noch mal nach.

    Frauen würden auch in vielen anderen Berufen nicht an die Spitze kommen, meinte er, weil sie nicht 80 Stunden in der Woche arbeiten wollen. Und Teamarbeit würde ihnen sowieso nicht liegen. Das Fazit seiner Ausführungen: Frauen hätten einfach nicht die Auffassungsgabe

    Professor Nancy Hopkins von der Elite -Hochschule MIT blieb buchstäblich die Luft weg. "Diese Rede hat mich wirklich umgehauen," sagt sie. Hopkins und einige andere Wissenschaftlerinnen verließen den Saal. Ein paar schrieben noch am selben Tag einen Beschwerdebrief an den Aufsichtsrat der Elite-Hochschule.

    Summers, Finanzminister unter Ex-Präsident Clinton, ist dafür bekannt, kein Blatt vor den Mund zu nehmen. Seine zum Teil brutale Offenheit führte gleich zu Beginn seiner Amtszeit dazu, dass einige Professoren die Hochschule wechselten Unter ihnen einer der besten Wissenschaftler für Afro-Amerikanische Studien.

    Seitdem Summers Chef von Harvard ist, sagen seine Kritiker, sackte der Anteil neuer Professorinnen rapide nach unten. Von 32 offenen Stellen gingen nur vier an Frauen.
    Harvard Hochschullehrerin Claudia Goldin hat weder damit, noch mit Summers Reden ein Problem. Er provoziert gerne, glaubt sie, und zu keiner Zeit hat er gesagt, dass Frauen es in den Wissenschaften nicht packen. "Summers hat lediglich die Frage gestellt, warum es weniger weibliche Mathematiker und Ingenieure gibt!"

    Auf dem Campus gibt es seit Januar kein anderes Thema mehr, als Summers Thesen
    "Ich finde das in Ordnung, erklärte ein Student, denn jetzt gibt es jede Menge Diskussionsstoff." Aber seine Kommilitonin sieht das nicht so. "Ich will hier nicht als Frau beurteilt werden," sagt sie, "sondern als Intellektuelle."

    Summers benötigte einige Tage, bis er sich zu einer müden Entschuldigung durchringen konnte. Aber der Druck nahm von Woche zu Woche zu und endete vorerst in diesem Misstrauensvotum.
    Es ist übrigens das erste gegen einen Uni-Präsidenten in der fast 400-jährigen Harvard-Geschichte .

    Dennoch wird es wenig Auswirkungen auf den Gesamtbetrieb haben. Der Fachbereich Kunst und Wissenschaften ist nur einer von zehn Fakultäten. Und das Aufsichtsgremium, die Harvard Corporation, hat Summers bereits das Vertrauen ausgesprochen. Viele Akademikerinnen an der Harvard Uni und anderen Hochschulen haben deshalb inzwischen den Eindruck gewonnen, dass Summers laut aussprach, was einige andere Uni-Präsidenten und Wissenschaftler nur hinter vorgehaltener Hand sagen.