Freitag, 29. März 2024

Archiv


Prozentzahlen überall

Ob für oder gegen Frauen oder Migranten - es gibt keine guten und keine schlechten Quoten. Quoten missachten immer das, was sie eigentlich zu erreichen suchen: die Gleichheit aller Bürger in einer je spezifischen Situation.

Von Christian Gampert | 06.05.2011
    Früher, damals, also ungefähr in den 1960er Jahren, als bejahrte Professoren in trauter Runde beisammensaßen, um über die Besetzung eines vakanten Lehrstuhls zu beraten, damals war derjenige ein Exot, der den Posten – eventuell, vielleicht - mit einer Frau besetzen wollte. Skurriler Gedanke: Frau auf Lehrstuhl, geht nicht. Frau ging vielleicht als Fernsehansagerin, seit Irene Koss war das denkbar geworden, aber nicht an der Uni.

    Später waren dann diejenigen die Außenseiter, die Lehrstühle nicht mit Frauen besetzen wollten. Seit etwa Mitte der 1990er Jahren muss jeder Altorientalist oder, sagen wir, Sinologe, der sich auf einen Lehrstuhl für mittelalterliche Chinakunde bewirbt, mindestens 20 Veröffentlichungen zur Gender-Theorie vorweisen. Und er sollte unter Umständen eine Geschlechtsumwandlung ins Auge fassen: Bei gleicher Eignung – aber was ist eigentlich gleiche Eignung – werden Frauen bevorzugt.

    Auch bei den politischen Parteien ist es nun schwer in Mode, mit Frauenquoten das weibliche Geschlecht zu fördern, und das heißt, ein ehrenwertes Ziel mit den falschen Mitteln anzugehen. Platz 2 der Liste (wieso denn Platz 2?) ist bei den Grünen seit jeher für eine Frau reserviert, wie alle übrigen geraden Listenplätze auch. Kürzlich hat sogar die CSU ihr Herz für Frauen entdeckt und quotenmäßig nachgezogen. Und nun plant die Sozialdemokratische Partei Deutschlands etwas noch viel Erregenderes, nämlich eine "Migranten-Quote von mindestens 15 Prozent" für ihre Führungsgremien.

    Es wird jetzt wirklich kompliziert. Frau muss sich entscheiden, auf welcher Fahrkarte sie in die Führungsposition segelt: Ist es das Frauen-Ticket? Das Migranten-Ticket? Sollte man nicht noch eine Schwulen- und Lesben-Quote einführen, sagen wir: zehn Prozent? Dann wären bereits 75 Prozent aller verfügbaren Plätze in festen Händen, das würde manches erleichtern …

    Was man zunächst für eine seltsame Blüte deutschen Regulierungswahns und der Political Correctness halten könnte, wird nun aber konterkariert durch einen rassistisch anmutenden Vorschlag von der anderen Rheinseite. Der französische Fußballverband will eine Quote von "höchstens 30 Prozent" für Spieler mit sogenanntem afrikanischem Migrationshintergrund einführen – in Sportschulen und Trainingszentren.

    Nachwuchsförderung ist schon okay, aber das Nationalteam, die Équipe Tricolore, soll offenbar nicht zu schwarz daherkommen. Andererseits will man auch nicht Fußballer ausbilden, die dann für den Gegner antreten, also ihr afrikanisches Heimatland. Der Nationaltrainer Laurent Blanc, er heißt wirklich so, sagte dem Internetportal Médiapart: "Bin total dafür". Total dafür zu sein ist immer schwierig, vor allem bei der Quote. Der technische Direktor des Fußballverbands wurde bereits suspendiert, und der Nationaltrainer steht nun auch ziemlich belämmert im Strafraum rum.

    Es gibt übrigens keine guten und keine schlechten Quoten. Quoten missachten immer das, was sie eigentlich zu erreichen suchen: die Gleichheit aller Bürger in einer je spezifischen Situation. In Südafrika werden durch die Quoten ständig Leute in Posten gehievt, für die sie nicht geeignet sind. Das spricht nicht gegen das hehre Ziel der Schwarzen-Emanzipation, aber gegen die Quote, mit deren Hilfe eben auch Inkompetenz befördert wird.

    Und was die SPD betrifft, ein bescheidener Vorschlag: Jeder wählt den, den er tatsächlich wählen will. August Bebel wäre sicher einverstanden.