Mittwoch, 08. Mai 2024

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Prozess um gestohlene Goldmünze
Verteidiger: Indizien, aber keine Beweise

So groß wie ein Käselaib, 100 Kilogramm schwer und 3,75 Millionen Euro wert: Wegen des spektakulären Diebstahls einer riesigen Goldmünze aus dem Bode-Museum in Berlin im Frühjahr 2017 stehen seit heute vier junge Männer in Berlin vor Gericht. Bisher wollten sie sich zu den Vorwürfen nicht äußern.

Tobias Timm im Gespräch mit Maja Ellmenreich | 10.01.2019
    Eine Besucherin des Berliner Bode-Museums betrachtet die 100 Kilogramm schwere Goldmünze "big maple leaf " in der Ausstellung "Goldgiganten - Großes Gold in der Münze und Medaille, " (Dezember 2010 - März 2011). Das Exemplar wurde in der Nacht zum 27.03.2017 im Bode-Museum in Berlin gestohlen.
    Seit 2010 war die Goldmünze "Big Maple Leaf" als Leihgabe aus Privatbesitz im Berliner Bode-Museum zu sehen. (Marcel Mettelsiefen dpa/lbn)
    Der entscheidende Hinweis kam von V-Leuten. Nur dreieinhalb Monate nach dem Einbruch in das Bode-Museum auf der Berliner Museumsinsel und dem Diebstahl der "Big Maple Leaf"-Goldmünze verhaftete die Polizei vier junge Männer wegen dringenden Tatverdachts: zwei Brüder und einen Cousin aus einer aus dem Libanon eingewanderten Großfamilie und ihren Komplizen, der beim Einstieg in die Ausstellungsräume behilflich gewesen sein soll. 68 Seiten umfasst die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft, in der akribisch der Tathergang rekonstruiert wird. Augenzeugen allerdings gibt es nicht, deshalb rechnet Prozessbeobachter Tobias Timm, der die Tathintergründe für die Wochenzeitung "Die Zeit" recherchiert hat, mit einem längeren Verfahren. "Die Anwälte machten klar, dass nach ihrer Meinung die Staatsanwaltschaft zu sehr in die Richtung der jetzt Angeklagten ermittelt hätte", sagte Timm im Deutschlandfunk. "Das wird noch einige Monate dauern."
    Ersten Versuch nicht angezeigt
    Laut Anklage gelangten die beiden Brüder, heute 20 und 24 Jahre alt, und ihr Cousin (20), über die Hochbahngleise der S-Bahn, die hinter dem Museum entlangführen, zum defekten und nicht alarmgesicherten Fenster eines Umkleideraums und von dort in den Ausstellungsbereich. Ihr über ein Subunternehmen als Wachmann beschäftigter Komplize habe die dafür nötigen Informationen weitergegeben. Dessen Anwalt bestreitet die Anschuldigung. Die Leitung der Berliner Museen muss sich schon seit längerem Fragen nach ihren Sicherheitsstandards und ihrer Beschäftigungspolitik gefallen lassen, so Timm: "Man fragt sich da schon: Wie werden diese Wächter und Aufsichtspersonen auf ihre Eignung geprüft? Das Museum stellt dann sogar einen Einbruchsversuch wenige Tage vor der erfolgreichen Tat fest, da gab es in einer Sicherheitsscheibe einen Sprung, es war an einem Bolzen rummanipuliert worden. Und dieser Einbruchsversuch wurde aber nicht der Polizei angezeigt. Das ist schon erstaunlich."
    Vor Ort zertrümmerten die Täter mit einer Axt eine Vitrine und fuhren die schwere Goldplatte mit einem Rollbrett zurück zum Einstiegsfenster. Wieder über die Hochgleise wurde die Beute dann mit einer Karre abtransportiert und in der Nähe des Bahnhofs "Hackescher Markt" in einen Park abgeseilt. Dort stand bereits das Fluchtfahrzeug.
    Indizien, aber keine Beweise
    Die Polizei hat laut Anklage Werkzeug, Kleidung, den Wagen, Goldpreislisten aus dem Internet und vor allem an verschiedenen Stellen auch Goldpartikel in der extremen Reinheit von 99,999 Prozent gefunden. Um für diese Qualität zu werben, waren die weltweit nur fünf Exemlare der "Big Maple Leaf" mit dem Porträt der britischen Königin Elizabeth II. überhaupt hergestellt worden. Außerdem seien Videoaufnahmen ausgewertet worden. Schon am ersten Prozesstag erklärten die Anwälte der Angeklagten aber, die Beweislage sei sehr "dürftig" geblieben. Letztlich stütze sich die Anklage nur auf anonyme Hinweise und ein Gutachten zu Videoaufnahmen, das die Täter, aber nicht deren Gesichter zeige: "Indizien wurden als Tatsachen dargestellt."
    Von der Beute fehlt unterdessen jede Spur: Die Ermittler vermuten, dass die wegen ihres hohen Goldgehaltes sehr weiche Münze wahrscheinlich unmitelbar nach der Tat zerteilt, eingeschmolzen und auf dem Schwarzmarkt verkauft wurde.