Seit einem Monat kommt unsere Zeitung erst morgens um neun oder zehn Uhr aus der Druckerei. Für eine Tageszeitung ist das tödlich. Wir drucken bei einer staatlichen Firma. Im November wurden dort neue Maschinen installiert. Angeblich kommen die Mitarbeiter nicht damit klar. Doch Tatsache ist, dass in dieser Druckerei mindestens zehn andere Zeitungen gedruckt werden, und dass die Technik sehr wohl funktioniert.
Outouddert Abrous ist Herausgeber der französischsprachigen algerischen Tageszeitung "Liberté", die "Freiheit". Die Zeitung, die einer kleinen Berber-Partei nahe steht, erscheint täglich in 180.000 Exemplaren und wird nicht nur in Algerien, sondern auch in Frankreich, Belgien und England verkauft. Doch in den letzten Monaten warteten die Leserinnen und Leser mehrmals vergeblich auf ihre Morgenlektüre. Outtouddert Abrous vermutet, dass die angeblichen "technischen Probleme" der staatlichen Druckerei damit zu tun haben, dass Liberté die gewaltsame Unterdrückung des Aufstandes in der Kabylei durch Armee und Polizeikräfte kritisiert. Denkbar wäre aber auch, dass den Machthabern der Karikaturist des Blattes zu frech geworden ist: Dilem, zur Zeit Algeriens mutigster Zeichner, schreckt vor keiner Uniform zurück, und nimmt bissig die herrschenden Generäle aufs Korn. Das algerische Verteidigungsministerium überzieht Dilem deshalb mit Gerichtsverfahren. Als Zeitungsdirektor muss Outouddert Abrous den Satiriker zum Gericht begleiten:
Bei uns gehört es für Journalisten zum Job, drei, vier Mal pro Woche zum Gericht zu gehen. Dilem hat keine einzige geheime oder falsche Information verbreitet. Er ist ein Karikaturist, der lediglich die öffentliche Meinung reflektiert. Übrigens steht nicht nur Dilem steht vor Gericht; das Nationale Verteidigungsministerium hat auch Journalisten von El-Watan und Le Matin angezeigt. Wir fragen uns, warum ausgerechnet diese Institution die Presse angreift, obwohl wir in den Jahren des Terrorismus den Staat unterstützt haben.
Der im Jahr 2001 verabschiedete Paragraph 144 des algerischen Strafgesetzbuches verbietet jegliche Kritik am Staatspräsidenten, dem Parlament und der Armee, und sieht Geldstrafen bis zu umgerechnet dreieinhalbtausend Euro oder Gefängnis zwischen zwei und zwölf Monaten vor. Ende Dezember wurde der Karikaturist Dilem im ersten von insgesamt drei Prozessen zu 240 Euro Geldstrafe verurteilt. Das ist in Algerien ein doppeltes Monatsgehalt und damit eine Menge Geld. Doch die "technischen" Probleme der Zeitung Liberté und die verhängten Geldstrafen wirken harmlos angesichts dessen, was engagierte Journalisten in der algerischen Provinz erleben. Regionale Korrespondenten, die Missstände in der Verhaltung oder Korruptionsskandale enthüllen, werden bedroht und tätlich angegriffen – zum Teil mit tragischen Folgen. Abdelhai Beliardou, Reporter der international bekannten Tageszeitung El-Ouatan im ostalgerischen Tebessa, hatte im Sommer 2002 über mögliche Verbindungen des Direktors der lokalen Industrie- und Handelskammer zu Terrorgruppen berichtet. Daraufhin wurde der Journalist in seinem Haus von Schlägern überfallen, die ihn danach durch die Straßen des Viertels schleiften, um ihn auf einem öffentlichen Platz zu beschimpfen und krankenhausreif zu schlagen. Die Polizei griff nicht ein. Beliardou wurde depressiv, und nahm sich im Oktober 2002 das Leben. Outouddert Abrous:
Wir standen immer unter Druck, aber jetzt ist die Repression so massiv, dass man schon den Eindruck hat, die Presse soll marginalisiert werden, weil man sie nicht mehr braucht. Denn nach dem langen Terrorismus müssten wir jetzt eigentlich als Journalisten untersuchen, was passiert ist. Aber wenn man das tut, stößt man mit vielen Interessen zusammen, und da sagt man uns: Vorsicht, geht nicht zu weit.
"Der wahre Terrorismus sind heute die lokalen Mafias", sagt ein Zeitungsreporter im ostalgerischen Annaba. Und Virginie Locussol von Reporter ohne Grenzen schrieb im vergangenen November nach einer Recherchereise: "Die algerischen Journalisten sind heute weit davon entfernt, ihren Beruf frei ausüben zu können, auch wenn die Bedrohung durch islamistischen Terror nachgelassen hat." In dem Bericht forderte Reporter ohne Grenzen die algerischen Machthaber auch erneut auf, den Verbleib von mindestens fünf verschwundenen Journalisten aufzuklären, die möglicherweise im Polizeigewahrsam ums Leben kamen. Die algerische Regierung bereitet jetzt ein Pressegesetz vor, das die Neugründung von Zeitungen erheblich einschränken soll. Doch die unabhängigen algerischen Zeitungsjournalisten schaffen Fakten: Die größte Tageszeitung, die arabischsprachige "Al-Khabar" und die renommierte "El Watan" haben sich von der staatlichen Bevormundung befreit, indem sie eigene Druckereien eingerichtet haben. Und wenn es nach Outoudderte Abrous geht, wird auch "Liberté" bald auf eigenen Maschinen drucken.
Outouddert Abrous ist Herausgeber der französischsprachigen algerischen Tageszeitung "Liberté", die "Freiheit". Die Zeitung, die einer kleinen Berber-Partei nahe steht, erscheint täglich in 180.000 Exemplaren und wird nicht nur in Algerien, sondern auch in Frankreich, Belgien und England verkauft. Doch in den letzten Monaten warteten die Leserinnen und Leser mehrmals vergeblich auf ihre Morgenlektüre. Outtouddert Abrous vermutet, dass die angeblichen "technischen Probleme" der staatlichen Druckerei damit zu tun haben, dass Liberté die gewaltsame Unterdrückung des Aufstandes in der Kabylei durch Armee und Polizeikräfte kritisiert. Denkbar wäre aber auch, dass den Machthabern der Karikaturist des Blattes zu frech geworden ist: Dilem, zur Zeit Algeriens mutigster Zeichner, schreckt vor keiner Uniform zurück, und nimmt bissig die herrschenden Generäle aufs Korn. Das algerische Verteidigungsministerium überzieht Dilem deshalb mit Gerichtsverfahren. Als Zeitungsdirektor muss Outouddert Abrous den Satiriker zum Gericht begleiten:
Bei uns gehört es für Journalisten zum Job, drei, vier Mal pro Woche zum Gericht zu gehen. Dilem hat keine einzige geheime oder falsche Information verbreitet. Er ist ein Karikaturist, der lediglich die öffentliche Meinung reflektiert. Übrigens steht nicht nur Dilem steht vor Gericht; das Nationale Verteidigungsministerium hat auch Journalisten von El-Watan und Le Matin angezeigt. Wir fragen uns, warum ausgerechnet diese Institution die Presse angreift, obwohl wir in den Jahren des Terrorismus den Staat unterstützt haben.
Der im Jahr 2001 verabschiedete Paragraph 144 des algerischen Strafgesetzbuches verbietet jegliche Kritik am Staatspräsidenten, dem Parlament und der Armee, und sieht Geldstrafen bis zu umgerechnet dreieinhalbtausend Euro oder Gefängnis zwischen zwei und zwölf Monaten vor. Ende Dezember wurde der Karikaturist Dilem im ersten von insgesamt drei Prozessen zu 240 Euro Geldstrafe verurteilt. Das ist in Algerien ein doppeltes Monatsgehalt und damit eine Menge Geld. Doch die "technischen" Probleme der Zeitung Liberté und die verhängten Geldstrafen wirken harmlos angesichts dessen, was engagierte Journalisten in der algerischen Provinz erleben. Regionale Korrespondenten, die Missstände in der Verhaltung oder Korruptionsskandale enthüllen, werden bedroht und tätlich angegriffen – zum Teil mit tragischen Folgen. Abdelhai Beliardou, Reporter der international bekannten Tageszeitung El-Ouatan im ostalgerischen Tebessa, hatte im Sommer 2002 über mögliche Verbindungen des Direktors der lokalen Industrie- und Handelskammer zu Terrorgruppen berichtet. Daraufhin wurde der Journalist in seinem Haus von Schlägern überfallen, die ihn danach durch die Straßen des Viertels schleiften, um ihn auf einem öffentlichen Platz zu beschimpfen und krankenhausreif zu schlagen. Die Polizei griff nicht ein. Beliardou wurde depressiv, und nahm sich im Oktober 2002 das Leben. Outouddert Abrous:
Wir standen immer unter Druck, aber jetzt ist die Repression so massiv, dass man schon den Eindruck hat, die Presse soll marginalisiert werden, weil man sie nicht mehr braucht. Denn nach dem langen Terrorismus müssten wir jetzt eigentlich als Journalisten untersuchen, was passiert ist. Aber wenn man das tut, stößt man mit vielen Interessen zusammen, und da sagt man uns: Vorsicht, geht nicht zu weit.
"Der wahre Terrorismus sind heute die lokalen Mafias", sagt ein Zeitungsreporter im ostalgerischen Annaba. Und Virginie Locussol von Reporter ohne Grenzen schrieb im vergangenen November nach einer Recherchereise: "Die algerischen Journalisten sind heute weit davon entfernt, ihren Beruf frei ausüben zu können, auch wenn die Bedrohung durch islamistischen Terror nachgelassen hat." In dem Bericht forderte Reporter ohne Grenzen die algerischen Machthaber auch erneut auf, den Verbleib von mindestens fünf verschwundenen Journalisten aufzuklären, die möglicherweise im Polizeigewahrsam ums Leben kamen. Die algerische Regierung bereitet jetzt ein Pressegesetz vor, das die Neugründung von Zeitungen erheblich einschränken soll. Doch die unabhängigen algerischen Zeitungsjournalisten schaffen Fakten: Die größte Tageszeitung, die arabischsprachige "Al-Khabar" und die renommierte "El Watan" haben sich von der staatlichen Bevormundung befreit, indem sie eigene Druckereien eingerichtet haben. Und wenn es nach Outoudderte Abrous geht, wird auch "Liberté" bald auf eigenen Maschinen drucken.