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Prüfungsangst: kein Fall für die Justiz

Prüfungsangst begründet nicht das Recht auf eine Wiederholungsprüfung. Das hat das Oberverwaltungsgericht Koblenz entschieden. Die allgemeine Prüfungsangst müssen Studierende anders bekämpfen- etwa mit Hilfe von psychotherapeutischen Beratungsstellen, wie es sie an der Uni Mainz gibt.

Von Ludger Fittkau |
    "Ich habe viele Prüfungen nicht bestanden und der Druck wächst. Man ist nicht darauf vorbereitet. Das ist was ganz Neues. Man macht ja nur einmal Diplom und nur einmal Staatsexamen und das Neue macht halt Angst. Das, was man nicht kennt, im Bewusstsein, das macht mir Angst."

    Seinen Namen will der Mainzer Soziologiestudent nicht nennen. Obwohl viele Studierende Prüfungsängste kennen, ist sie eine schambesetzte Sache, über die man nicht gerne spricht. Der Mainzer Soziologiestudent stellt sich seiner Angst. Er nimmt an einem Kurs der psychotherapeutischen Beratungsstelle der Universität Mainz teil, in dem das Lampenfieber bearbeitet wird. Kursleiterin ist die Diplompsychologin Kathrin Bormann. Sie betont, wie wichtig eine gute inhaltliche Vorbereitung gegen Prüfungsangst wirkt:

    "Wenn ich weiß, was ich gelernt habe, wenn ich weiß, auf was ich zurückgreifen kann, dass ich die richtigen Unterlagen mir schon besorgt habe, dass ich einen guten Zeitplan hatte, das ich alle Themen, die in der Prüfung drankommen werden, auch wirklich abgehandelt habe, dann kann ich mit größerer Sicherheit in die Prüfung gehen, weil ich weniger Lücken habe."

    Immer hilft das nicht. Oft kommt die Angst erst kurz vor der Prüfung.

    "Es gab auch schon häufig Fälle, wo ich die Prüfungen gar nicht gemacht habe. Wo ich vor der Tür stand und nicht reingegangen bin und die Prüfung gar nicht gemacht habe."

    Ein solches Handeln schafft in jedem Fall eine bessere Rechtsposition, als die Prüfung zu machen, durchzufallen und nachher darüber zu klagen, man habe Prüfungsangst gehabt.
    Das sagt Manfred Stamm, Richter am Oberverwaltungsgericht Koblenz, das ein aktuelles Urteil zur Prüfungsangst gefällt hat:

    "Wenn man in einer Prüfung in seiner Leistungsfähigkeit vorübergehend beeinträchtigt ist, muss man das vor Ablegung der Prüfung melden, wenn dies möglich ist. Damit man sich nicht Wettbewerbsvorteile dadurch verschafft, dass man die Prüfung erst mal durchzieht und dann, wenn sie nicht bestanden wird oder nicht gut genug bestanden wird, sich nachträglich auf die Prüfungsunfähigkeit beruft."

    Das Oberverwaltungsgericht Koblenz hat nun klargestellt, dass es im Normalfall kein Recht auf eine zweite Wiederholungsprüfung gibt. Ein Jurastudent, der zweimal durch sein Staatsexamen gefallen war, wollte diese mit Verweis auf seine besondere Prüfungsangst vor Gericht erstreiten. Das wurde ihm verwehrt, weil kein besonderer Härtefall – wie eine akute Erkrankung – vorlag. Richter Manfred Stamm:

    "Eine dauerhafte Prüfungsangst wiederum ist kein rechtfertigender Grund, sich von der Prüfung abzumelden, weil sie das Leistungsbild des Prüflings prägt und nicht lediglich vorübergehend einschränkt. Er ist vielmehr ständig prüfungsunfähig."

    Bei ständiger Prüfungsangst hilft also kein Gang vors Gericht, sonder eher professionelle psychologische Hilfe. So, wie sie der Mainzer Soziologiestudent bei der psychotherapeutischen Beratungsstelle seiner Uni sucht. Psychologin Kathrin Bormann:

    "Wir haben zum einen bei uns in der Beratungsstelle Einzelberatung, und auch den Prüfungsangstkurs zur Unterstützung der Studierenden mit Prüfungsängsten. Es besteht aber auch die Möglichkeit, bei einer ausgeprägten Prüfungsangst eine Psychotherapie zu absolvieren. Und ich denke, es ist wichtig, wenn eine große Einschränkung oder Belastung im Alltag da ist, es gibt sehr gute Methoden, um dem entgegenzuwirken. Würde ich jeden ermutigen, der sagt, Prüfungsängste sind ein Thema oder sind schwierig."

    Lampenfieber vor Prüfungen ist normal und oft sogar hilfreich, sich wirklich konzentrieren zu können. Ängste bei Studierenden vor allem vor mündlichen Prüfungen sind weit verbreitet, die Kurse der Mainzer Beratungsstelle dazu sind regelmäßig voll. Wer nur leichten Stress vor Prüfungen bekämpfen muss, kann sich oft selbst helfen. Lautes Sprechen vor dem Spiegel hilft manchmal genauso wie ein Rollenspiel in der Studenten-WG, betont die Mainzer Diplompsychologin:

    "Wir ermutigen auch immer, auch wenn es stressig wird, kurz vor der Prüfung noch ein wenig Sport zu machen als Ausgleich, um nicht in die ganz hohe Erregungskurve reinzukommen, in den ganz hohen Angstbereich."

    Schon die ersten Sitzungen des Mainzer Prüfungsangstkurses haben den Soziologiestudenten bereits ermutigt, an die nächste Prüfung selbstbewusst heranzugehen. Seine Strategie sieht jetzt so aus:

    "Positiv denken und sich keine Gedanken um ungelegte Eier zu machen. Dann sieht man auch andere Wege, wie es zu was Positivem kommen kann."