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Psychologie, Medien und der Klimawandel

Der Streit um "Climategate" hat gezeigt: Klimawissenschaftler müssen ganz besonders sorgfältig arbeiten, wenn ihre Thesen Glauben finden sollen. Die Medien spielen hierbei auch eine Rolle. Das zu beleuchten, hat sich die Deutsche Welle vorgenommen.

Von Georg Ehring |
    Unsere eigene Seelenlage spielt eine wichtige Rolle: Der Klimawandel ist erstens als Thema ziemlich kompliziert und er berührt unsere Lebensweise. Zwei von drei Befragten einer Umfrage in 13 Ländern sehen im Klimawandel ein Problem, nur neun Prozent machen sich keine Sorgen. Das ist das Ergebnis einer Umfrage, die zur Konferenz der Deutschen Welle über den Umgang der Medien mit dem Klimawandel präsentiert wurde. Viele Fakten seien zwar bekannt, doch im Alltag sei das Thema nach wie vor nicht präsent, meint Professor Andreas Ernst, Direktor im Zentrum für Umweltsystemforschung der Universität Kassel. Medienberichte über den Klimawandel würden zwar konsumiert, aber

    " … nur solange uns das nicht in unserer Bequemlichkeit stört. Weil: Die Dinge, die wir hören müssten, wären unter Umständen sehr unangenehm und die würden wir gern auch von uns weghalten, wir hören natürlich lieber gern positive Neuigkeiten als schlechte, wenn sie uns betreffen, und deswegen halten wir schlechte Neuigkeiten, Klimawandel betreffend, von uns weg. Wir wollen also nicht selber in den Ring springen und sagen: Lasst uns mal was machen, nein: Damit könnte Verzicht verbunden sein, und das wollen wir nicht."

    Klimaskeptiker, die die Ergebnisse der Wissenschaft zur weltweiten Erwärmung relativieren oder als falsch abtun, profitieren von dieser Grundhaltung - und sie sind in manchen Ländern recht erfolgreich. Unter anderem in den USA, wo sie sich mit Gruppierungen zusammen geschlossen haben, die Staatseingriffen in die Wirtschaft von jeher skeptisch bis ablehnend gegenüberstehen. Naomi Oreskes von der Universität von Kalifornien in San Diego.

    "Meiner Ansicht nach gibt es zwei Gründe: Zum Teil liegt es daran, dass sie sehr gut organisiert sind und auf die Medien zugehen und sie unter Druck setzen, dass sie ihre Ansichten präsentieren. Und dieser Druck hat sich als wirksam erwiesen. Was das Publikum angeht, ist die Sache etwas komplizierter, aber: Die weltweite Erwärmung ist eine schlechte Nachricht. Wir hätten lieber, dass es nicht stimmt. Deshalb: Wenn uns jemand erzählt, es sei von der Wissenschaft her nicht wirklich sicher, dass das alles stimmt, dann sind die meisten von uns gegenüber diesem Argument empfänglich."

    Wenig Echo in den Medien finden deshalb Klima-Experten, die die Lage als noch dramatischer darstellen als der Weltklimarat, die Mehrheitsmeinung der Wissenschaft. Solche Stimmen gibt es aber durchaus - Wissenschaftler neigen aber eher zur Zurückhaltung und schrecken vor allzu düsteren Szenarien zurück.
    Präzise Recherche und Faktensammlung sei vor diesem Hintergrund die erste Journalistenpflicht, meint auch Mark Brayne, ein ehemaliger Journalist aus Großbritannien, der heute als Psychotherapeut arbeitet. Zwischen Tatsache und Meinung müsse klar unterschieden werden.

    "Wenn einer sagt: Zwei plus zwei macht vier und ein anderer sagt: Zwei plus zwei macht sechs. Die Wahrheit bleibt bei vier und die Wahrheit liegt nicht irgendwo zwischen diesen Meinungen. Das sind keine Meinungen, das sind Tatsachen. Und bei Klimawandel und CO2 und so weiter verwechseln Journalisten leider viel zu sehr eine wissenschaftliche Untersuchung für eine philosophische Debatte. Und natürlich gibt es auch in der Wissenschaft unterschiedliche Meinungen. Aber die überwiegende Mehrheit der Wissenschaftler sind einer Meinung, dass CO2 ein sehr großes Problem darstellt und die Temperaturen steigen wird."

    Und - eine heikle und umstrittene Forderung: Für Brayne müssen die Medien die Neutralität in dieser Frage aufgeben, schließlich könne man auch nicht neutral über einen schweren Unfall oder die Leiden im Krieg berichten - auch dies fordere schließlich zur Stellungnahme geradezu heraus.