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Public? Privat! Partnership

Das Pharma-Unternehmen Boehringer Ingelheim ist in Biberach in kürzester Zeit auf 4000 Mitarbeiter angewachsen. Vor allem die Umsätze mit Bio-Pharmazeutika gehen rasant nach oben. Schon jedes zweite neue Medikament kommt aus diesem Bereich, sagt Personalkoordinator Wolfgang Bader.

Von Peter Köpple | 26.11.2004
    Wir sehen dort eine deutliche Entwicklung, nicht nur bei Boehringer, sondern auch regional, national und auch international, und sehen dort einfach einen zunehmenden Bedarf an derart qualifizierten Personen, die im Bereich von Entwicklung und Produktion von Biopharmazeutika ihr spezielles Fachwissen haben.

    Einen Studiengang mit einem Schwerpunkt auf Herstellung und Entwicklung von Biopharmazeutika gibt es noch gar nicht, er wäre für Boehringer aber ideal, am liebsten direkt vor der Haustür. Fünf Millionen Euro steuert das Unternehmen bei, damit dieser Traum Wirklichkeit wird. Experten von Boehringer reden bei der Gestaltung des Curriculums mit.

    Insbesondere Steriltechnik, eben in solchen großen Maßstäben, so in dessen eigentlichen Prozessen des Fermentierens, aber genauso auch im Aufreinigen dieser Proteine, insbesondere eben in großen Maßstäben, so wie wir sie in der Industrie praktizieren – dass diese Themen eben in den Hochschulen bisher so nicht gelehrt wurden. Und das sind Inhalte, die wir jetzt hier ganz konkret mit reingebracht haben.

    sagt der zuständige Personal-Koordinator bei Bohringer-Ingelheim, Wolfgang Bader. Die Fachhochschule hat extra eine Koordinatorin für das Projekt eingestellt. Susanne Pauly arbeitet die Lehrpläne aus, und nimmt Rücksicht auf die Wünsche der Industrie.

    Es wird eben immer wieder gefordert, dass neben den naturwissenschaftlichen Grundlagen, die sicher auch in anderen Studiengängen gelehrt werden, besondere Bereiche wie zum Beispiel die Regularien innerhalb des Arzneimittelrechts oder auch vor allem wirtschaftliches Verständnis Inhalte solcher Studiengänge sein müssten, um speziell für die Industrie kompetente Mitarbeiter zu gewinnen.

    Geld für den neuen Studiengang kommt nicht nur von der Pharma-Industrie, auch von der Kreissparkasse Biberach, von der Stadt, die ein Grundstück zu Verfügung stellt, vom Landkreis, vom Land und vom Bund. In erster Linie eine regionale Zusammenarbeit mit regionalen Interessen. Ein Modell der Zukunft, meint der Rektor der Hochschule, Prof. Thomas Vogel.

    Dieses Grundprinzip funktioniert überall. Und wir müssen uns langfristig auch darauf einstellen, dass die Hochschulen untereinander im Wettbewerb stehen, aber auch zu anderen Bildungseinrichtungen im Wettbewerb stehen. Und wenn wir etwas erreichen wollen, dann müssen wir ein gutes Ergebnis haben. Das ist eine hohe Qualität unserer Absolventen. Das funktioniert nur, indem wir genau wissen: was brauchen denn die Absolventen, um später im Beruf bestehen zu können? Deswegen erkundigen wir uns von vornhinein, was wird gebraucht, also bedarfsorientiert. Und das andere ist eben, aus den Tendenzen die wir so erleben aus dem Bereich der Finanzierung von Hochschulen bleibt uns gar keine andere Wahl, als diesen Weg zu gehen.

    Ohne das Geld von der Industrie würde es den Studiengang nicht geben, das ist auch den Studenten klar. In der Cafeteria sorgt das Thema für Gesprächsstoff.

    Ich find's eigentlich ganz gut, wenn die das machen. Ist ja für unsere Bildung. Bringt uns ja was, normalerweise" – "Moment, so einfach ist es ja nicht. Die haben ja dann direkten Einfluss auf das Bildungswesen, das ja unabhängig sein soll.

    Viele denken, solange es direkt in Arbeitsplätze führt, ist das neue System durchaus in Ordnung. Trotz Geld von der Industrie und enger Zusammenarbeit, der Rektor der Hochschule findet seine Unabhängigkeit gewahrt.

    Wir lassen uns beraten. Und diese Beratung holen wir uns, wo wir sie bekommen. Und darin sehe ich viel mehr die Unabhängigkeit als eine Abhängigkeit.

    Und auch der Pharma-Hersteller Boehringer Ingelheim betont in diesen Tagen gerne die Freiheit der Lehre. Wolfgang Bader:

    Wir artikulieren auch klar und deutlich, dass das nicht die Boehringer-Haus-und-Hof-Fachhochschule ist, sondern – davon sind wir überzeugt – dass die Hochschulen frei sind und frei bleiben müssen. Aber es spricht ja nichts dagegen, hier auch zu sagen: In Kooperation mit den potentiell künftigen Abnehmern. Und das ist einfach die Industrie.

    Während die ersten 27 Millionen Euro für den Start des neuen Studiengangs gesichert sind, gibt es schon erste Überlegungen für einen späteren Ausbau. Und schon jetzt zeichnet sich eine große Nachfrage nach den 200 neuen Studienplätzen ab.