Samtweiche laue Sommernacht: Das Parkgelände am Massaciuccoli-See versinkt in Dämmerung. Schilf und Bäume tauchen in mildes Licht. Die am Ende des letzten Jahrzehnts noch provisorisch-schmuddelige Bühne hat dem nach oben offenen Neubau mit angenehm weiträumigen Zugängen und Sitzreihen Platz gemacht. Im Foyer dieses Gran Teatro schenken die Volontari der Barmherzigen Brüder und Schwestern aus Torre del Lago Erfrischungsgetränke aus. Der erste Einsatz der Musik wartet bis Viertel nach neun (bis es ganz dunkel ist).
Eine handliche Verkleinerung des Eingangs zur "Verbotenen Stadt" am Platz des Himmlischen Friedens dämmert vor sich hin. Mit diesem Zitat aus der Architekturgeschichte Pekings hat es sein Bewenden – indem sich das Tor öffnet, kommt noch eine Treppe zum Vorschein.
Aus der Masse der Choristen schälen sich der entthronte Fürst Timur mitsamt seiner jungen Reisebegleiterin Liù und sein Sohn Calaf heraus, dessen Name ein nicht zu lüftendes Staatsgeheimnis bleibt. Später auch die komödiantisch agierenden drei kaiserlichen Minister Ping, Pong und Peng. Sie tragen Zöpfe -und überhaupt wirkt die ganze Szene konsequent verzopft. Die Kostüme - von Franca Squarciapino - orientieren sich an feudaler chinesischer Pracht vergangener Zeiten. Mauricio Scaparro hatte die Auf- und Abtritte koordiniert - bemerkenswert dabei nur die Säbeltänzer und Fahnenschwinger.
Wie diese "Turandot", deren Titelpartie Martina Serafin in die vielleicht doch zu groß geratene und daher nicht ausgebuchte Arena stemmt, führt auch Beppe De Tomasis Aufbereitung der "Tosca" ins imaginäre Opernmuseum. Szene und Kostüme spielen auf das Rom im Jahr 1800 an und könnten so ähnlich auch noch in Paris, Bratislava oder Altenburg gezeigt werden. Der symmetrische Klassizismus suggeriert eine intakte Theaterwelt. In die stolpern dann die sechs Füsiliere zur Exekution des Malers Cavaradossi – zur Einweisung scheint es nicht gereicht zu haben. Überhaupt bleibt "Personenführung" verpönt und könnte den Verdacht des Modernismus aufkommen lassen. Die schwergewichtige Primadonna, die schon in ihren besten Jahren kein Name war, erzwingt nach schütterem Beifall, dass sie eine Arie wiederholen darf. An einem Rückzugsort der Kultur wie hier ist so etwas tatsächlich noch zu erleben!
Nicht nur die Pekinger Principessa und die römische Malermätresse steigen in Torre del Lago aus der Mottenkiste. Auch das virtuos abgerichtete "Wunderkind", das wir für immer überwunden glaubten, kehrt an solchen Orten wieder. Ansonsten ein Tummelplatz für Talente im Sinkflug. Zum Beispiel die abgehalfterte Intendantin der Deutschen Oper Berlin, Kirsten Harms. Die ließ für das "Mädchen aus dem goldenen Westen" die Freiluftbühne von starren großen Zyklopenfiguren einkreisen und eine klobige Theke in Gold aufstellen. Um einen großen Spiel- und Trinktisch arrangierte sie Theaterprügelei und Revolvergefuchtel zu unsinnigen Auf- und Abtritten. Später charakterisierten zwei güldene Liebestäubchen das Domizil der Minni, die ja so etwas ist wie die jüngere Schwester der Mutter Courage. Daniela Dessìs Treffsicherheit hinsichtlich hoher Töne korrespondierte der Inszenierung. Wacker schlugen sich hingegen Fabio Armiliato (als Outlaw Dick) und Carlos Amalguer (als Sheriff Jack).
Auch das, was sich in Torre türmt, ist Opernalltag in Europa: Offensichtlich wollen es die Leute so. Die Handlung wird aus Gründen vereinfachter Probenarbeit und der daraus resultierenden Kostenersparnis "eingefroren". Die Texte der Werke spielen eine so untergeordnete Rolle, dass sie nicht verständlich gemacht oder eingeblendet werden. Es scheint allein auf gewisse positiv konnotierte Gemütswerte des Sounds anzukommen, wobei allerdings das Orchester bereits ab der 20. Sitzreihe wie eine Karikatur verzerrt klingen kann. Das Puccini-Festival versucht, seine Produktionen auch in Abu Dhabi und nordafrikanischen Despotenstaaten zu vermarkten. So wird Oper in der globalisierten Welt verramscht.
Infos:
Das Puccini-Festival am Massaciuccoli-See
Eine handliche Verkleinerung des Eingangs zur "Verbotenen Stadt" am Platz des Himmlischen Friedens dämmert vor sich hin. Mit diesem Zitat aus der Architekturgeschichte Pekings hat es sein Bewenden – indem sich das Tor öffnet, kommt noch eine Treppe zum Vorschein.
Aus der Masse der Choristen schälen sich der entthronte Fürst Timur mitsamt seiner jungen Reisebegleiterin Liù und sein Sohn Calaf heraus, dessen Name ein nicht zu lüftendes Staatsgeheimnis bleibt. Später auch die komödiantisch agierenden drei kaiserlichen Minister Ping, Pong und Peng. Sie tragen Zöpfe -und überhaupt wirkt die ganze Szene konsequent verzopft. Die Kostüme - von Franca Squarciapino - orientieren sich an feudaler chinesischer Pracht vergangener Zeiten. Mauricio Scaparro hatte die Auf- und Abtritte koordiniert - bemerkenswert dabei nur die Säbeltänzer und Fahnenschwinger.
Wie diese "Turandot", deren Titelpartie Martina Serafin in die vielleicht doch zu groß geratene und daher nicht ausgebuchte Arena stemmt, führt auch Beppe De Tomasis Aufbereitung der "Tosca" ins imaginäre Opernmuseum. Szene und Kostüme spielen auf das Rom im Jahr 1800 an und könnten so ähnlich auch noch in Paris, Bratislava oder Altenburg gezeigt werden. Der symmetrische Klassizismus suggeriert eine intakte Theaterwelt. In die stolpern dann die sechs Füsiliere zur Exekution des Malers Cavaradossi – zur Einweisung scheint es nicht gereicht zu haben. Überhaupt bleibt "Personenführung" verpönt und könnte den Verdacht des Modernismus aufkommen lassen. Die schwergewichtige Primadonna, die schon in ihren besten Jahren kein Name war, erzwingt nach schütterem Beifall, dass sie eine Arie wiederholen darf. An einem Rückzugsort der Kultur wie hier ist so etwas tatsächlich noch zu erleben!
Nicht nur die Pekinger Principessa und die römische Malermätresse steigen in Torre del Lago aus der Mottenkiste. Auch das virtuos abgerichtete "Wunderkind", das wir für immer überwunden glaubten, kehrt an solchen Orten wieder. Ansonsten ein Tummelplatz für Talente im Sinkflug. Zum Beispiel die abgehalfterte Intendantin der Deutschen Oper Berlin, Kirsten Harms. Die ließ für das "Mädchen aus dem goldenen Westen" die Freiluftbühne von starren großen Zyklopenfiguren einkreisen und eine klobige Theke in Gold aufstellen. Um einen großen Spiel- und Trinktisch arrangierte sie Theaterprügelei und Revolvergefuchtel zu unsinnigen Auf- und Abtritten. Später charakterisierten zwei güldene Liebestäubchen das Domizil der Minni, die ja so etwas ist wie die jüngere Schwester der Mutter Courage. Daniela Dessìs Treffsicherheit hinsichtlich hoher Töne korrespondierte der Inszenierung. Wacker schlugen sich hingegen Fabio Armiliato (als Outlaw Dick) und Carlos Amalguer (als Sheriff Jack).
Auch das, was sich in Torre türmt, ist Opernalltag in Europa: Offensichtlich wollen es die Leute so. Die Handlung wird aus Gründen vereinfachter Probenarbeit und der daraus resultierenden Kostenersparnis "eingefroren". Die Texte der Werke spielen eine so untergeordnete Rolle, dass sie nicht verständlich gemacht oder eingeblendet werden. Es scheint allein auf gewisse positiv konnotierte Gemütswerte des Sounds anzukommen, wobei allerdings das Orchester bereits ab der 20. Sitzreihe wie eine Karikatur verzerrt klingen kann. Das Puccini-Festival versucht, seine Produktionen auch in Abu Dhabi und nordafrikanischen Despotenstaaten zu vermarkten. So wird Oper in der globalisierten Welt verramscht.
Infos:
Das Puccini-Festival am Massaciuccoli-See