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Pünktlich wie immer

Klimaforschung. – Das Ozonloch ist wieder da. Pünktlich wie immer dünnt die schützende Schicht in der Stratosphäre über der Antarktis großflächig aus. Nicht so ausgedehnt wie im vergangenen Jahr, aber immer noch groß genug, um neben dem antarktischen Kontinent auch noch Teile des umliegenden Meeres zu überdecken.

Von Volker Mrasek |
    Pünktlich zum Tag der Ozonschicht hat es sich wieder eingestellt, am anderen Ende der Welt: das Ozonloch über der Antarktis.

    "”Ich sitz’ hier am Computer. Da kann ich gerade mal auf die aktuellen Karten schauen. Also, das Ozonloch bedeckt nicht nur den antarktischen Kontinent, sondern auch noch große Bereiche des Meeres drum herum. Im Moment misst es 23 Millionen Quadratkilometer.""

    Das ist eine Fläche so groß wie Nordamerika. Und sie dürfte noch weiter wachsen in den nächsten Wochen, sagt Geir Braathen. Der norwegische Atmosphärenchemiker ist Ozon-Spezialist bei der Welt-Meteorologieorganisation WMO in Genf:

    "”In diesem Jahr ist das Ozonloch früher aufgebrochen als sonst. Allerdings hat sich sein Wachstum jetzt ein wenig verlangsamt. Ich denke, es wird nicht so groß werden wie im letzten Jahr.""

    Das würde bedeuten: keine neuen Hiobsbotschaften wie 2006. Da hatte das Ozonloch noch einen neuen Größen-Rekord aufgestellt. Und das, obwohl die Industrieländer schon lange keine Fluorchlorkohlenwasserstoffe mehr herstellen. Und auch keine sogenannten Halone, die früher als Feuerschutzmittel Verwendung fanden. FCKW und Halone: Diese Industrieprodukte enthalten Chlor und Brom und damit jene chemischen Elemente, die Ozon zerstören. Das Verbot der Substanzen wirkt sich erst mit großer Zeitverzögerung in der Stratosphäre aus - dort, wo sich die Ozonschicht befindet, rund 20 bis 25 Kilometer über dem Erdboden. Braathen:

    "”Man sieht zwar, dass der Chlor- und Bromgehalt der Stratosphäre inzwischen abnimmt. Schon seit sieben Jahren ist das so. Doch es geht ziemlich langsam. Der Rückgang beträgt vielleicht ein Prozent pro Saison. Auf jeden Fall ist noch immer genug Chlor und Brom da, um das ganze Ozon über der Antarktis zu zerstören. Ich denke, das wird auch noch bis zum Jahr 2025 so bleiben.""

    Erst dann kann die Heilung der Ozonschicht also wirklich beginnen: in knapp 20 Jahren. Stratosphärisches Ozon ist so etwas wie das Sonnenschutzmittel der Erde. Es verhindert, dass gesundheitsschädliche UV-Anteile der Sonnenstrahlung den Boden erreichen. Zum Glück ist die Antarktis aber unbewohnt. Oder: fast unbewohnt, wie WMO-Experte Braathen präzisiert:

    "”In der Antarktis halten sich lediglich Wissenschaftler auf, und die laufen nicht im T-Shirt herum. Für den Menschen bedeutet das Ozonloch im Prinzip also keine Gefahr. Aber wenn es sich im November, Dezember wieder schließt, strömt ozonarme Luft nach Norden und liegt dann für einige Wochen über Neuseeland, Australien und Südamerika. Indirekt hat das Ozonloch also durchaus Auswirkungen auf bewohnte Gebiete.""

    Kein Ozonloch, aber doch größere Ozonverluste hat auch die Arktis in der Vergangenheit erlebt. Der Ablauf ist derselbe wie am Südpol: In der Eiseskälte der Polarnacht kommt es zu Reaktionen, die Chlor und Brom aktivieren. Und wenn die Sonne dann zurückkehrt, laufen photochemische Prozesse ab, bei denen das Ozon zerstört wird. Über der Antarktis ist das jetzt gerade der Fall, im Nordpolargebiet im Februar und März.

    "”In der Arktis hatten wir mehrfach Jahre mit gravierenden Ozonverlusten. Und die sind sogar gewachsen. Gleichzeitig wird die Stratosphäre immer kälter.""

    Neil Harris, Leiter der Europäischen Koordinierungsstelle für Ozonforschung an der Universität Cambridge in England. Der Klimawandel könnte hier eine Rolle spielen. Und den Ozonabbau künftig sogar noch begünstigen. Treibhausgase wie CO2 halten Wärme in Erdbodennähe zurück, die Stratosphäre kühlt aus, und die Ozon-Killer Chlor und Brom sind dann umso aktiver. Das ist die Vermutung. Sicher ist das zwar noch nicht. Aber wenn es stimmt, würde es die Heilung der Ozonschicht verzögern. Mit ihrer vollständigen Wiedergenesung rechnen die Forscher sowieso erst in 50 Jahren.