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Purer Hohn auf die Politik

Die Essays in diesem Band sind unter anderen über den Dichter Gu Cheng, den Verleger James Laughlin, den ehemaligen US-Präsidenten George W. Bush und Susan Sontag. "Erdnüsse, Orangen" ist mittlerweile der dritte Band mit gesammelten Beiträgen von Eliot Weinberger, das Spektrum ist jedoch breiter als in den beiden früheren Büchern.

Von Michael Schmitt |
    'Denk' ich an e-books in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht',

    könnte frei nach Heinrich Heine in diesen Tagen Verlegers Nachtgesang lauten. Doch wo ein Schreckgespenst lauert, ist auch der Trost nicht fern. Er findet sich beispielsweise in Eliot Weinbergers neuem Essayband, im Porträt des amerikanischen Verlegers James Laughlin. Der stammte aus einer reichen Industriellenfamilie, hatte künstlerische Ambitionen, verließ Harvard ohne Abschluss, um mit 19 Jahren in Paris für Gertrude Stein zu arbeiten. Fuhr sodann weiter nach Rapallo, weil er Ezra Pound verehrte, musste sich von diesem großen Meister aber sagen lassen, dass er ein entsetzlicher Dichter sei und besser etwas Nützliches tun und Verleger werden solle.

    Der junge Mann nahm sich das zu Herzen und gründete 1936 den Verlag New Directions, dessen Programm von Beginn an der künstlerischen Moderne verpflichtet war. Eine Anthologie mit Texten von Ezra Pound und Wallace Stevens, von Henry Miller und Elisabeth Bishop und vielen anderen, deren Namen seither nicht vergessen worden sind, macht den Anfang. In den ersten fünf Jahren erscheinen im Schnitt jeweils acht Bücher, die der Verleger selbst im Auto an die Buchhandlungen ausliefert. Nach und nach wird aus New Directions eine verlegerische "Marke", deren Bücher der junge Eliot Weinberger schon einfach deshalb sammelt, weil sie aus diesem Hause stammen. Eine solche Bindung, hochgerechnet auf eine ganze Lesergemeinde lässt sich ökonomisch sinnvoll als Langzeitinvestment beschreiben, als eine altmodische, aber nachhaltige Form des Geschäftemachens. James Laughlin verlegt die Avantgarde und setzt sie durch, und sein Verlag floriert jahrzehntelang.

    Lässt sich daraus eine Lehre ziehen?

    Eliot Weinberger erzählt solche Geschichten nicht, um eine Botschaft damit zu verbinden - obwohl er sicherlich als "homme de lettre" gelten darf. Aber Wirkungen entfalten dürfen seine Geschichten schon. Er ist 1949 geboren und hat sich schon in jungen Jahren als Übersetzer der Gedichte von Octavio Paz einen Namen gemacht; er ist ein intimer Kenner der chinesischen Kultur und Übersetzer der Lyrik von Bei Dao und manch anderer zeitgenössischer Lyriker aus dem Land der Mitte. Und er ist ein begnadeter Essayist, was man hierzulande schon in "lettre international" nachlesen konnte, als seine Beobachtungen über das Leben in Manhattan nach dem 11. September 2001 abgedruckt wurden. Er ist außerdem, obwohl er sich gerne und oft auf kurios anmutenden kulturgeschichtlichen Pfaden bewegt, ein ausgesprochen politischer Kopf, der entschieden gegen George W. Bush und gegen den Krieg im Irak aufgetreten ist und über diesen Krieg auch einen seiner bekanntesten Texte verfasst hat, der seither weltweit immer wieder vorgetragen und zitiert worden ist: "What I heard about Iraq."

    Das ist eine Collage aus nichts anderem als regierungsamtlichen Statements aus den Jahren 1992 bis 2005, es ist der pure Hohn auf die Politik und auf ihre erklärten Absichten in diesem Krieg - und auf dessen Verlauf. Außerdem ist es der Text, an dem sich Eliot Weinbergers ganz eigene Arbeitsweise am deutlichsten erkennen lässt. Weinberger sammelt und arrangiert Material, egal ob es um Politik, um Literatur oder um Erdnüsse, um Orangen oder um chinesische Buchtitel für einen "Wolkenbücherschrank" geht. Er kompiliert - und durch die Art der Anordnung kommentiert sich dieses Material dann ganz von selbst. Der Essayist und seine Meinung treten explizit kaum einmal in Erscheinung; durch die Anordnung des Materials aber sind sie natürlich immer präsent. Das mag suggestiv sein - aber es ist eine Einladung zum Selberdenken. Seine Texte wirken oft unverkennbar süffisant, aber sie bevormunden den Leser nicht.

    "Erdnüsse, Orangen" ist mittlerweile der dritte Band mit gesammelten Beiträgen von Eliot Weinberger; und wiederum hat Peter Torberg sie einfühlsam ins Deutsche übertragen, mit dem Sinn für das Bissige genauso wie für das Schwebend-Tastende. Die Essays handeln von Literatur und vom Übersetzen, von Fotografen und von einer Reise auf dem Jangtsekiang. Das Spektrum ist breiter als in den beiden früheren Büchern, denn dieses Mal sind auch ausgesprochen politische Texte aufgenommen worden. Dazu zählt etwa die pointierte Zusammenstellung von Behauptungen aus George W. Bushs "Decision Points", die Weinberger mit anderen Quellen und Nachrichten vergleicht, um am Ende Bushs selbstgefälliges und verlogenes Werk der postmodernen statt der politisch-historischen Literatur zuzurechnen. Auch das Porträt des chinesischen Dichters Gu Cheng, der als vielversprechendes Talent und enfant terrible aufsteigt und zuletzt unter grässlichen Umständen in Neuseeland stirbt, zählt vielleicht dazu. Und auch die umfassende und bissige Würdigung des Lebenswerkes von Susan Sontag, der Eliot Weinberger vorhält, dass sie zwar viele ansprechende Dinge gesagt, aber wenig davon wirklich eingelöst hat.

    Er erklärt, warum das Übersetzen als ein Lebenselixier für die Literatur angesehen werden sollte; er vergleicht auf wenigen Seiten die verbreitete Vorstellung vom "postnationalen Schriftsteller" unserer Zeit mit dem schwach ausgeprägten Interesse amerikanischer Autoren an der Welt jenseits der Grenzen der USA. Und notiert ergänzend, dass nur 20 Prozent der Amerikaner einen Reisepass hätten. Spätestens dann ahnt man, warum es ihn selbst so oft in die Welt hinaustreibt, warum er sich seine Themen genauso in Somalia wie in den Anden oder zwischen verstaubten Buchdeckeln sucht.
    Man wird ein bisschen schlauer, wenn man ihm dabei Gesellschaft leistet.

    Eliot Weinberger:
    Erdnüsse! Orangen. Aus d. Englischen von Peter Torberg, Berenberg Verlag, Berlin 2011, 200 Seiten