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Putins Ukraine-Politik
"Russland fühlt sich heute stark"

Es sei nicht leicht, den russischen Präsidenten richtig einzuschätzen, sagte der Slawistik-Experte Gerhard Simon im Deutschlandfunk. Ein Politiker vom Schlage Wladimir Putins sei in der Lage zu täuschen, je nach Sachlage argumentiere er immer wieder anders.

Gerhard Simon im Gespräch mit Peter Kapern | 30.03.2014
    Der Kreml an den Ufern der Moskwa in Moskau.
    Simon: Putin will den Kern des russischen Reiches wieder vereinen. (dpa picture alliance / Matthias Toedt)
    Neu sei etwa Putins Argumentation, dass er die russische Welt wieder herstellen wolle, so Gerhard Simon. "Immerhin, es sind jetzt schon 15 Jahre bald ins Land gegangen, seit Herr Putin russischer Präsident ist", wenn die Zeit zwischen seinen Amtsperioden hinzugerechnet werde. Die Annexion der Krim aber sei ihm "erst jetzt eingefallen" und ebenso "die Argumentation, die damit in Zusammenhang steht".
    Putin, so könne man sagen, vollstrecke nun "den patriotischen Konsens", der sich seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion in Russland formiert habe. Dieser sei bis vor kurzem nur reine Rhetorik gewesen. "Eine Rhetorik, um sich selbst sozusagen zu ermuntern, die eigenen Reihen zusammenzuhalten." Das habe bisher nicht zu Handlungen geführt. Der "patriotische Konsens" bestehe in der Auffassung, erläuterte der Experte, "dass Russland ein großes, glorreiches Land ist - mit einer tausendjährigen Geschichte, und dass diese glorreiche Geschichte auch der Pfad in die Zukunft sein soll." Negativ gewendet, bestehe dieser Konsens in der "Unwilligkeit, sich der eigenen Geschichte zu stellen und historisierend auf die Vergangenheit zu gucken" und sich selbst die Frage zu stellen, was eigentlich die Gründe für den Untergang der Sowjetunion gewesen seien, sagte Simon. Dies sei nämlich kein historischer Zufall gewesen, sondern habe gravierende Gründe gehabt. Darüber aber gebe es in Russland bisher keine öffentliche Diskussion.
    Zurück zur Sowjetunion wolle jedoch auch Putin nicht. Das sage dieser ganz deutlich. Aber, und das sei der entscheidende Punkt, so Simon: "Es geht Putin darum, den Schaden zu minimieren", den der Zerfall der Sowjetunion hinterlassen habe. Das bedeute konkret, Putin wolle die drei ostslawischen Völker - den Kern des russischen Reiches - die zusammengehörten, wieder zusammenzuführen. Das sei ein "minimal patriotischer Konsens". Im Unterschied zu früheren Zeiten fühle sich Russland heute stark, das sei mit ein Grund, warum Putin gerade jetzt zur Tat schreite.
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