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Putschversuch in Österreich

Engelbert Dollfuß, seit 1931 Kanzler Österreichs, errichtete im Land ein autoritäres Regime mit faschistischen Einschlägen. Am 25. Juli 1934 versuchten österreichische Nationalsozialisten, ihn zu stürzen. Dollfuß starb. Die Täter wurden gefasst.

Von Beatrix Novy | 25.07.2009
    Bundeskanzler Engelbert Dollfuß ermordet! Als der österreichische Justizminister Kurt von Schuschnigg am 25. Juli 1934 diese Nachricht übermittelte, sprach er in dasselbe Mikrofon des Rundfunksenders RAVAG, von dem aus wenige Stunden zuvor österreichische Nationalsozialisten ihren vermeintlichen Sieg verkündet hatten. Stattdessen saßen sie jetzt in Haft - der Versuch, das Regime Dollfuß zu stürzen und Österreich dem NS-Staat in die Hände zu liefern, war gescheitert.

    Der Putsch war nur eines von vielen deprimierenden Ereignissen, die Österreichs unaufhaltsamen Abstieg nach dem Ersten Weltkrieg begleiteten. Heute glauben, einer Umfrage zufolge, 80 Prozent der österreichischen Abiturienten, die Demokratie in Österreich sei 1938, mit dem Anschluss an Hitler-Deutschland untergegangen. Da aber war sie längst tot. Der christsoziale Engelbert Dollfuß, seit 1931 Kanzler der instabilen jungen Republik, nutzte eine der vielen Regierungskrisen zur Ausschaltung des Parlaments, mit der Begründung: Es müsse jetzt übergangsweise einmal autoritär regiert werden. Das traf sich mit Dollfuß' eigenen politischen Überzeugungen, aber auch mit einer verbreiteten Tendenz in Europa: Totalitäre Bewegungen machten der Demokratie von Italien bis auf dem Balkan Konkurrenz.

    Dass ein Porträt von Engelbert Dollfuß bis heute in den Fraktionsräumen der Österreichischen Volkspartei hängen darf, wird damit gerechtfertigt, dass er bis zum Schluss für Österreichs Unabhängigkeit gekämpft hatte. Er versuchte es mit einem an den italienischen Faschismus angelehnten ständestaatlichen System; dabei war ein berufsständisches Selbstverständnis, das die Parteien hätte ersetzen können, weit und breit nicht zu entdecken. Ob der Begriff "Austrofaschismus" für dieses System angemessen ist, darüber ist in letzter Zeit viel diskutiert worden. Ein autoritäres Regime mit faschistischen Einschlägen, diese Diktion bevorzugt der Wiener Historiker Gerhard Botz.

    "Weder Dollfuß noch Schuschnigg hatten eine Massenpartei, noch eine Bewegung. Sie hatten versucht, die Vaterländische Front als Einheitspartei zu schaffen. Aber das war eine Partei, bei der im Wesentlichen keine besondere ideologische und geschichtliche Dynamik geherrscht hat."

    Gerhard Habich, Anfang der 30er-Jahre Hauptvertreter der österreichischen NSDAP, hatte also gar nicht so unrecht, wenn er meinte:

    "Die Liebe und das Vertrauen der Österreicher hat die Regierung Dollfuß nie besessen."

    Die Nazis glaubten, dass die Österreicher nicht den blutleeren Austrofaschismus wollten, sondern das Original - also den Anschluss an Deutschland. Weil sie diesem Anliegen mit Terroranschlägen Nachdruck verliehen, verbot Dollfuß die Partei im Juli 1933.

    "Unser Kampf geht gegen falsche Ideen und lehnen falschen Nationalismus ab!"

    Am 25. Juli 1934 verkleideten sich 150 Nationalsozialisten in einer Turnhalle als Soldaten des Bundesheeres.

    "Zivilisten mit Paketen sammeln sich."

    Sie wurden dabei von einem Kriminalbeamten beobachtet

    "Die Zivilisten ziehen Uniformen an und bewaffnen sich."

    Die Umsturzpläne waren nicht unbemerkt geblieben, aber Putschgerüchte hatte es schon so oft gegeben, dass sie kaum noch ernst genommen wurden. Trotzdem schickte Dollfuß, als die Nachricht ihn erreicht, seine Minister vorsorglich weg - als die Nazis schließlich das Bundeskanzleramt stürmten, fanden sie keine Regierung vor, die sie stürzten konnten.

    Im ziellosen Hin und Her, das nun begann, während das Gebäude bereits umstellt wurde, erscheinen die beiden Kugeln, die Dollfuß töteten, zufällig und sinnlos. Das Bild des verbluteten Kanzlers auf einem Sofa aber wurde zum Menetekel: Vier Jahre später, 1938, machte Hitler selbst Ernst mit dem Anschluss Österreichs an Deutschland.