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Quadriennale Düsseldorf
Weil heute heute ist

Die Zukunft ist das große Thema der Musiknacht der Düsseldorfer Quadriennale. Wie haben wir uns früher die Zukunft vorgestellt? Wie sollte sie klingen? Sehr reizvoll, der Gedanke an das Morgen, das zwangsläufig immer Zukunft bleibt, weil heute heute ist.

Von Peter Backof | 13.06.2014
    Quadriennale Düsseldorf 2014, Anzeigenmotiv
    Quadriennale Düsseldorf 2014, Anzeigenmotiv (Quadriennale GmbH)
    "Also ein Zukunftsklang zum Beispiel wäre das Laserschwert. Das ist ein Klang, den es nicht gibt, ein utopischer sozusagen, der auf eine andere Welt verweist und das Zukünftige selbst symbolisiert."
    Resonanzräume heißt das Seminarprojekt am Institut für Medien- und Kulturwissenschaft Düsseldorf, das Kathrin Dreckmann vorstellt und das die Musiknacht auf der Quadriennale morgen eröffnet, schon am Nachmittag.
    Die Zukunft, wir alle haben unsere Bilder, aber jetzt geht es einmal um Klänge und Musik.
    „Das Krankenhaus, insbesondere die Schwarzwaldklinik, als ein utopischer Ort, der idyllisch sein soll – wie ist das denn klanglich umgesetzt?"
    Klänge, die es nie gegeben hat
    Überraschend: Ausgerechnet diese 80-er Jahre Serie "Schwarzwaldklinik" hat das Seminar hervorgekramt. Es weist nach: Die Klänge der medizinischen Geräte darin gibt es gar nicht. So klingt kein Krankenhaus! Scripted Reality akustisch. Aber so hat man sich eben die Zukunft - hoffnungsvoll - vorgestellt: Genesung müsste technisch klingen. Oder im Weltraum stattfinden? Philipp Maiburg, Leiter des Open Source Festivals, hat programmiert: sämtliche Schauplätze des Kunstfestivals werden bespielt, so getaktet, dass man es schaffen kann, alles zu sehen und zu hören.
    "Das Leitthema der Quadriennale, Zukunft und Utopie. Wir haben uns für die einzelnen Häuser überlegt: Was passt? Es sollte eben nicht so sein: Das Museum ist bis Mitternacht geöffnet, im Foyer steht ein DJ und keiner weiß warum!"
    Musik, die - anspruchsvolle - Inhalte setzt und mit den Ausstellungen korrespondiert, als Ziel: Da passt es zum Beispiel, dass Mouse on Mars, das aus Düsseldorf stammende und seit 21 Jahren laufende Projekt von Andi Toma und Jan St. Werner, Stars des Festivals, in der Schau „Unter der Erde" eben auch unter die Erde oder unter die Haut zielen. Ein audiovisuelles Mapping: Wir sehen Blutbahnen durch die Zellhaufen pulsieren. Eine Reise, eben nicht auf den Mars, sondern ins Innere des Körpers.
    Retrowelle großes Thema auch bei der Musiknacht
    Hat der Weltraum als Utopie und Sehnsuchtsort ausgedient? Zumindest ist er größer als man ihn sich - ideologisch aufgeladen in Zeiten des Kalten Kriegs und aus heutiger Sicht retrofuturistisch - einmal vorgestellt hatte. Rücksturz zur Erde: Reisen mit Warp-Geschwindigkeiten gibt es nicht. Bemerkenswert: Derzeit kursiert die Vorstellung, Musiker müssten doch, über den Umweg eines Satelliten vernetzt, von jedem Ort aus miteinander jammen können. Ein globales Konzert in Echtzeit: Auch das wird es leider niemals gehen, zu klein ist die Schallgeschwindigkeit im Vergleich zur Bildgeschwindigkeit.
    "Dann kann ich sagen: Fahr ein Stück nach rechts!"
    Rücksturz ins Analoge? Natürlich ist die große Retrowelle auch bei der Musiknacht großes Thema. Technomusiker, die mit einem klassischen Konzertflügel arbeiten, uralte Science-Fiction-Filme neu vertonen, oder: die Rückkehr der Schallplatte zum Thema machen. Jens Standke stellt in der Kunsthalle eine Klangmaschine aus, die Vinyl zerfräst und wie ein 3-D-Drucker aussieht.
    "Man kann diese Chronologie, die auf der Platte eigentlich vorgegeben ist, sehr gut außer acht lassen, hin und her springen: das sorgt für überraschende Klangereignisse."
    Wie klingt eine Schallplatte, wenn sie nicht mehr rund ist, sondern sternenförmig gezackt? Sie müsste dann leiern. Der Clou ist aber: Jens Standke hat die Nadel des Plattenspielers durch optische Tonabnehmer ersetzt. Im Prinzip: ein Laserschwert! So kann man Vinyl-Platten quer hören wie eine CD. Das klingt neuartig, hybrid: analog wie digital. Die Musiknacht der Quadriennale hat Beispiele, wie Zukunftsmusik über die große Retroschleife hinaus dann doch entsteht.