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Quaero und Theseus

Die Euro-Suchmaschine Quaero will nicht besser werden als Google, allenfalls anders. Aber vor allem soll sie der Forschung dienen und analysieren, wie das Suchen funktioniert und wie das Suchen der Zukunft aussehen wird.

Von Mariann Unterluggauer | 03.01.2009
    Die Aufgabenstellung 'alle angebotenen Informationen im Netz zu verstehen' sei heute nicht lösbar, meint Pieter van der Linden. Er arbeitet für den Hersteller von Unterhaltungselektronik Thomson und leitet das französische Forschungsprojekt "Quaero". Quaero wurde im Jahr 2005 von deutschen und französischen Wissenschaftern ins Leben gerufen, um Werkzeuge zu entwickeln, mit denen multimediale Inhalte im Netz darstellbar, auffindbar und durchsuchbar gemacht werden sollen. Eine wesentliche Rolle spielt dabei die Umwandlung von Sprache in Text, denn nur ein Text kann von Suchmaschinenprogrammen auch gefunden werden.

    "Wir dachten uns, dass es in Europa nicht genug Aktivitäten in diesem Bereich gibt. Nur ein Beispiel: 50 Millionen Dollar investieren die USA jährlich allein in Forschungsarbeiten, die sich mit der Übersetzung von Sprache in Text beschäftigen. In Europa gibt es nichts Vergleichbares. Alles begann damit, dass Forscher sich zusammensetzten und sich sagten: wir müssen uns zusammen tun und in dieses Forschungsgebiet investieren, um die technischen Entwicklungen in diesem Bereich ein bis zwei Schritte nach vorne zu bringen."

    Aus dem gemeinschaftlichen Plan wurden schnell zwei getrennte Projekte. Alleine deswegen, so Pieter van der Linden, weil die französischen Wissenschafter ihren Entwurf bei der französischen Regierung einreichten und die Deutschen einen anderen beim Bundeswirtschaftsministerium. Frankreich konzentriert sich auf die Informationssuche im Bereich Multimedia, während Theseus eine semantische Suchmaschine entwickeln will. Zwei Projekte bedeutet auch zwei Budgets: 180 Millionen Euro für Theseus und etwas mehr, 200 Millionen, für "Quaero". Die Trennung ist aber weniger strikt als man auf den ersten Blick vermuten würde: Thomson leitet nicht nur das Projekt Quaero in Frankreich, sondern holt sich auch Unterstützung bei "Theseus". Die Universität Karlsruhe und die Technische Hochschule Aachen wiederum sind beim französischen Projekt Quaero engagiert.

    "Die saßen von Anfang an mit am Tisch. Sie waren da und blieben auch da. Sie passen besser zu Quaero als zu Theseus, denn ihr Spezialgebiet heißt eindeutig Multimedia."

    24 Partner aus Forschung und Industrie arbeiten seit Anfang Mai 2008 am Projekt "Quaero". Die Projektlaufzeit wurde auf fünf Jahre anberaumt. Ziel des Konsortiums sei es nicht am Ende ein konkretes Produkt anzubieten, vielmehr - so Pieter van der Linden - soll damit die Zusammenarbeit von Industrie und Wissenschaft forciert werden. In fünf konkreten Bereichen: Das französische Unternehmen Jouve konzentriert sich auf die Beschlagwortung von Inhalten. Thomson und das französischen Bild- und Audioarchiv INA um das Management von Multimedia-Files.

    "Dieser Bereich richtet sich an Rundfunkstationen, Archive wie INA und professionelle Anwender, die in der Lage sein müssen, ihre Datenbanken zu beherrschen und Multimediainhalte schnell zu finden. Sie müssen in der Lage sein, in sehr kurzer Zeit relevante Informationen zu einer Person heraus zu filtern, damit sie in den acht Uhr Nachrichten die richtigen Bilder zur richtigen Person parat haben."

    Ein weiteres Projekt, das auch von Thomson geleitet wird, nennt sich "personalisiertes Video". Überall, zu jeder Zeit.

    "Dieses Projekt setzt sich mit der Verbreitung von Inhalten auseinander. Es richtet sich an jene Provider, die mobiles TV und Internetfernsehen IPTV anbieten. Heute ist IPTV im Grunde nicht viel mehr als herkömmliches Fernsehen über eine ADSL-Leitung. Die Idee ist, dass wir in Zukunft die IP-Infrastruktur dazu nutzen, personalisierte Inhalte zu den Kunden zu transportieren. "

    Von Werbung bis hin zum Tor in der 54ten Minute eines Fußballspieles. Um die Ausspielung und die Entwicklung einer brauchbaren Benutzeroberfläche für multimediale Inhalte kümmert sich France Telecom. Der französische Suchmaschinenanbieter Exalead ist ein weiterer Partner. Exalead hat sich auf die Informationsauffindung im Intranet und Geschäftsbereich spezialisiert. Diese Firma bietet zwar auch eine interessante Websuchmaschine an, aber dieser Service dient Exalead nur zum Test und nicht als kommerzielles Produkt. Den öffentlichen Kampf mit Google um den Werbemarkt möchte sich der Firmengründer François Bourdoncle lieber ersparen. Genauso wenig verspüren die anderen Partner des Konsortiums Quaero Interesse daran, gegen Google in den Ring zu steigen. Diese Vorstellung mag zwar dem ehemaligen französischen Präsident Chirac gefallen haben, sie habe aber wenig mit der Realität zu tun, sagt Pieter van der Linden. Quaero sei ein industrienahes Forschungsprojekt. Nicht mehr aber auch nicht weniger. Die ersten Ergebnisse werden im Mai 2009 der Öffentlichkeit präsentiert werden.