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Qualitätssicherung im Operationssaal

Durch Checklisten, wie sie die Weltgesundheitsorganisation erarbeitet hat, kann das Risiko von Fehlern bei Operationen verringert werden. Mithilfe der Liste können Abläufe in Krankenhäusern strukturiert überprüft werden.

Von Bettina Mittelstraß |
    "In der Chirurgie haben wir Tat, Tatzeit, Tatort und Täter. Und wenn da ein Ergebnis nicht so ist, wie der Patient sich das vorgestellt hat, dann hat man auch im Röntgenbild oder in anderen Dingen sehr objektivierbare Befunde."

    Schon deshalb seien die Chirurgen aufgerufen, sich intensiv um die Qualität ihres Handwerks zu kümmern, sagt der Medizinprofessor Hartwig Bauer, lange Jahre Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie Berlin.

    "Wir sehen die Operation als Kernstück der chirurgischen Behandlung, und um die Operation – 'peri' ist da dieser Ausdruck - gliedert sich eine ganze Menge von Behandlungsschritten, die enorm wichtig sind. Denn auch der geschickteste Operateur allein und der operative Eingriff ist natürlich nicht ausreichende Gewähr, dass dem Patienten der Eingriff auch nutzt und hilft, sondern da muss das gesamte Umfeld stimmen im Rahmen dieser perioperativen Behandlung."

    Teamarbeit ist im Krankenhaus gefragt. Denn die Medizin ist komplexer geworden: Immer mehr Spezialisten übernehmen eingeschränkte Arbeitsfelder, und auf dem Weg von der Diagnose bis hin zur Nachsorge auf der Station sehen Patienten immer wieder andere Ärzte oder Mitarbeiter. Nicht selten entsteht dabei der Eindruck, es wisse die eine Hand nicht, was die andere macht. Wenn das zutrifft, werden Patienten verwechselt, falsche Seiten operiert oder auch nur falsche Pflaster geklebt, weil die Information, dass Patient x allergisch reagiert, irgendwo auf der Strecke geblieben ist. Das liegt, sagt Hartwig Bauer, an einer fatalen Entwicklung:

    "Die Arbeitsverdichtung, die auf unsere ärztlichen aber auch pflegerischen und alle Mitarbeiter im Krankenhaus kommt, ist enorm. Immer mehr Patienten in kürzerer Zeit durch das Krankenhaus zu schleusen, da ist irgendwann die Zitrone ausgequetscht und dann kommt die Schale und dann wird‘s bitter. Und da müssen wir alle Vorkehrungen treffen und uns auch dagegen wehren, dass wir Dinge nicht mehr unterschreiten können."

    Um das Risiko von Fehlern zu vermindern, sollte in allen Kliniken eine Checkliste eingeführt werden, wie sie die Weltgesundheitsorganisation erarbeitet hat und empfiehlt. Mit ihrer Hilfe können Abläufe strukturiert überprüft werden. Denkarbeit dürfe sie den Mitarbeitern aber nicht abnehmen, sagt Claus-Dieter Heidecke, Medizinprofessor an der Uniklinik Greifswald:

    "Eine nicht mit Bedacht aufgefüllt oder abgehakte Checkliste ist genau so gefährlich wie gar keine zu haben. Man muss schon im Kopf verschaltet haben, was man macht, und das auch bewusst noch mal reflektieren."

    Vor der Operation: Ist Patient identifiziert? Wurde mit ihm gesprochen? Stimmt die Blutgruppe? Sind die Laborwerte richtig zugeordnet? Der Vorgang sei vergleichbar mit dem Check des Piloten vor dem Start - und im Zweifelsfall muss der Eingriff abgebrochen werden, sagt Heidecke.

    "Die ärztliche Entscheidung im Einzelfall ist ja immer noch mal eine, wo man auch von Pfaden grundsätzlich abweichen kann, und soll und muss, wenn es indiziert ist."

    Auch Fehler bei der Nachbehandlung geraten immer mehr in den Fokus der Chirurgen selbst.

    "Patient geht aus dem OP raus auf die nachbehandelnde Einheit – sei es Intensivstation, Wacheinheit oder Normalstation. Auch da muss klar sein, dass ein Protokoll dabei ist, dass eine Verfahrensanweisung dabei ist, welche Schmerzmittel, welche Therapie hinterher gemacht wird. Ohne solche Maßnahmen müsste eigentlich der Prozess dort angehalten werden und der Patient fährt nicht aus dem OP raus. Das machen Sie ein paar Mal. Da gibt es einen Riesenärger, aber ich glaube, das ist ein heilsames Gewitter, weil das alle noch mal daran erinnert, dass wir da mehr machen müssen."

    Wichtigste Voraussetzung ist der langfristige Aufbau einer Sicherheitskultur an jeder Klinik:

    "Da haben wir sehr viel gelernt, dass der offene Umgang mit Fehlern und über Fehler zu sprechen und daraus zu lernen die entscheidende Voraussetzung ist, um mehr an Patientensicherheit gewährleisten zu können."

    Auch Patienten sollten sich im Übrigen nicht scheuen mitzureden: Lieber einmal mehr nachfragen als stumm zu hoffen, dass es schon gut gehen wird.