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Quantencomputing
Hochzeit zwischen Künstlicher Intelligenz und Quantencomputer

Quantencomputer und Künstliche Intelligenz werden - jeder für sich - unser Leben gehörig umkrempeln. Manche Forschungslabors sind schon einen Schritt weiter: Sie arbeiten daran, Künstliche Intelligenz und Quantenrechner zu verschmelzen und entwickeln dafür komplett neue Algorithmen.

Von Frank Grotelüschen | 27.09.2019
Computer-Artwork der Schaltkreise eines Quantencomputers
So wie in diesem Computer-Artwork sehen die Schaltkreise eines Quantencomputers aus (imago / Alfred Pasieka)
"Quantencomputing ist für viele Leute sehr abstrakt – eine akademische Sache, die supergut klingt. Und es gibt viele Gerüchte, was denn Quantencomputing alles kann und dass es so eine Superpower ist."
Gerüchte sind zuweilen übertrieben – doch bei denen über den Quantencomputer ist einiges dran: Tatsächlich könnte er bestimmte Rechenoperationen ungleich schneller ausführen als heute der beste Supercomputer, sagt Stefanie Barz, Physikprofessorin an der Uni Stuttgart. Besonders für rechenintensive Aufgaben scheint er prädestiniert – vielleicht auch für manche Algorithmen der Künstlichen Intelligenz?
Nicht alle KI-Algorithmen eignen sich für Quantencomputer
"Die Idee ist, dass für bestimmte Künstliche-Intelligenz-Anwendungen hohe Rechenleistungen nötig sind und klassische Computer an die Grenzen gelangen können. Und die Idee ist, dass wir Quantenalgorithmen nehmen und so Verfahren ermöglichen, mit denen Klassikcomputer möglicherweise an die Grenze gelangen könnten."
Inwieweit lassen sich Quantencomputer und Künstliche Intelligenz miteinander verheiraten? Diese Frage will Barz in einem 19-Millionen-Euro-Projekt ausloten, bei dem auch diverse Industriepartner mitmischen. Das Problem: Die heutigen KI-Algorithmen sind nicht direkt auf die Quantenebene übertragbar. Denn ein Quantencomputer tickt ganz anders als ein PC.
"Quantencomputer funktionieren mit sog. Qubits. Wo ein klassisches Bit im Zustand Null und Eins sein kann, kann ein Qubit in der sogenannten Überlagerung sein. Im Prinzip kann es unendlich viele Zustände gleichzeitig annehmen. Ich kann nicht einfach einen klassischen Algorithmus nehmen und kann sagen: Ich schreibe ihn jetzt um. Sondern ich muss für Quantencomputer Algorithmen komplett neu entwickeln."
Dabei gibt es erst einmal grundlegende Fragen zu beantworten: Welche Art von KI-Algorithmen könnte sich überhaupt für den Quantenrechner eignen, welche eher nicht? Ein paar Ideen jedenfalls hätte Stefanie Barz schon mal.
"Als erstes denkt man an Optimierungsprobleme, z.B. Optimierung von Netzwerken. Das zweite ist eine Anwendung, wo man Anomalie-Erkennung machen kann. Wenn man an ein Verkehrsproblem denkt und erkennen muss, ob eine Situation normal ist oder nicht normal – das sind Anwendungen, wo es Quantenalgorithmen gibt, von denen man denkt, dass sie einen Vorteil bringen können."
Bislang gibt es noch keinen funktionsfähigen Quantencomputer
Das Interesse der Firmen sei groß, meint Barz, das zeige die große Zahl der Projektpartner. Einen Haken aber hat die Sache: Es ist noch kein richtiger Quantencomputer auf dem Markt. Es gibt nur Laborprototypen mit bislang begrenzter Leistung.
"Das ist ein ganz sensibler Punkt."
Sagt Maria Schuld, auch sie arbeitet an der Verquickung von KI und Quantencomputer, und zwar an der Universität von KwaZulu-Natal in Südafrika. Um zu prüfen, ob ein KI-Algorithmus auf einem Quantenrechner läuft, ist ihr Team vor allem auf mathematische Studien angewiesen und auf Computersimulationen, bei denen ein gewöhnlicher Rechner so tut, als wäre er ein Quantencomputer. Klingt ein wenig nach Trockenschwimm-Übungen.
"Ja, aber das fühlt sich gar nicht so an. Man hat schon viele Wege, mit denen man diese Dinge beschreiben kann. Es fühlt sich nicht so an wie Trockenschwimmen. Aber es ist trotzdem eine große Herausforderung."
Unter anderem arbeitet Schuld an folgender Frage: Sollte man den gesamten KI-Algorithmus auf dem Quantenrechner laufen lassen, oder nur die besonders zeitintensiven Rechenschritte?
"Es gibt eine Software, wo man die Machine-Learning-Software mit Quantencomputing-Simulatoren verbinden kann und dann im Hintergrund ein paar Teile davon auf dem Quantencomputer laufen lässt."
Eines jedenfalls ist klar: Das Feld steckt noch in der Findungsphase. Die Hochzeit zwischen Quantencomputer und Künstlicher Intelligenz will gut vorbereitet sein.