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Quantenphysik
Forscher testen neues Kryptographie-Verfahren

Physik. - Eine abhörsichere Datenübertragung – nie war sie so interessant wie heute. Die Technik dafür existiert sogar schon. Sie nennt sich Quantenkryptographie und basiert auf den eigenartigen Gesetzen der Quantenphysik. Nun ist es einem Forscherteam gelungen, die Technik weiter zu verfeinern. Mit ihr können nun auch Partner sicher miteinander kommunizieren, die sich eigentlich nicht so recht über den Weg trauen.

Von Frank Grotelüschen | 13.11.2014
    In welche Primfaktoren lässt sich die Zahl 410.068.373 zerlegen? Auf kniffligen Aufgaben wie dieser basiert die heutige Kryptographie, wie man sie nutzt, um seine Kreditkartennummer im Internet zu verschlüsseln. Nur: Absolut sicher ist diese Methode nicht. Mit ausreichender Rechenleistung lassen sich die Codes durchaus knacken. Ganz anders bei einer noch jungen Art der Datenverschlüsselung. Fachleute wie Nicolas Gisin von der Universität Genf bezeichnen sie als Quantenkryptographie.
    "Die Quantenkryptographie macht sich die Grundgesetze der Quantenphysik zunutze. Das Prinzip: Wir kodieren die Daten in einzelnen Lichtquanten. Diese Lichtquanten haben eine bemerkenswerte Eigenschaft – sie lassen sich nicht kopieren. Würde ein Datenspion sie abfangen wollen, würde er sie unweigerlich zerstören, und sein Abhörversuch würde sofort auffliegen."
    Doch ein Sicherheits-Schlupfloch gab es bislang noch – und zwar für den Fall, dass sich Sender oder Empfänger gegenseitig beschummeln wollen.
    "Stellen Sie sich zwei Leute vor, die sich auf etwas einigen sollen, sich aber gegenseitig nicht über den Weg trauen. Das könnte ein Ehepaar sein, das sich scheiden lassen will und nun darüber verhandelt, wer das Auto bekommt und wer den Hund. In so einem Fall könnte einer von beiden seinen Vorschlag auf einen Zettel schreiben und in einem versiegelten Umschlag einem Anwalt überreichen. Dadurch kann man sich sicher sein, dass er nicht mitten in den Verhandlungen seine Meinung wieder ändert und plötzlich statt dem Hund nun das Auto will, nur um damit seinen Expartner zu ärgern."
    Neutraler Bote in der Quantenkryptographie
    In der Quantenkryptographie allerdings existierte bislang kein neutraler Anwalt, der über das Geschehen wacht. Bisher müssen sich die beiden Parteien, die vertrauliche Daten austauschen, bedingungslos vertrauen. Deshalb hat das Team von Nicolas Gisin eine neue Variante der Quantenkryptographie entwickelt, Bit Commitment genannt. In sie ist ein neutraler Anwalt quasi eingebaut. Sein Name: Einsteins Relativitätstheorie. Sie garantiert, dass der versiegelte Umschlag mit der ursprünglichen Information zumindest so lange sicher verschlossen bleibt, wie die Lichtquanten für ihre Reise vom Sender zum Empfänger brauchen.
    "Wir haben unsere Signale über Glasfaser von Genf nach Singapur geschickt. Für diese Strecke benötigten unsere Signale rund 13 Millisekunden. In dieser Zeit war die Information absolut sicher. 13 Millisekunden – das hört sich zwar extrem kurz an. Aber für einen Computer ist das lang genug, um alles Mögliche berechnen und übertragen zu können."
    Und das ist lange genug, um den Schlüssel zu übertragen, ohne dass jemand die Chance hat, ihn zu verändern. Voraussetzung aber ist eine besondere Hardware: Laser, die einzelne Lichtquanten erzeugen und senden können. Sensoren, die diese äußerst schwachen Signale empfangen. Und Atomuhren sowohl in Genf als auch in Singapur, die die Übertragungszeiten präzise stoppen.
    "Das alles klingt ziemlich aufwändig. Aber Atomuhren und Spezialsensoren werden immer mehr zu bezahlbarer und verlässlicher Standardtechnologie. Und deshalb glaube ich schon, dass dieses Verfahren eine glänzende Zukunft vor sich haben."
    Denn nun ist eine potenzielle Sicherheitslücke der Quantenkryptographie geschlossen – die des Betrugsversuchs zwischen Sender und Empfänger. Doch bevor die neue Technologie praxistauglich ist, müssen die Experten noch einige Herausforderungen meistern: Datenraten erhöhen, Übertragungsstrecken vergrößern, Sende- und Empfangsgeräte billiger machen und auch die Zeit steigern, in denen der digitale Umschlag sicher verschlossen bleibt – das alles steht noch auf der Agenda.
    "Die ersten Anwender werden aus Bereichen kommen, in denen Informationen besonders wertvoll sind: Regierungen, Banken und Unternehmen, die sich vor Wirtschaftsspionage fürchten. Und natürlich für Verhandlungen mit Partnern, denen man nicht so ganz über den Weg traut."
    Und zu diesem Kreis von Partnern, denen man nicht unbedingt trauen darf, sind ja in letzter Zeit so einige dazugekommen.