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Quantentechnologie
China prescht voran beim Aufbau eines Quanten-Internets

Ultraschnelle Computer und absolut abhörsichere Kommunikationskanäle - das versprechen neuartige Quantentechnologien, an denen weltweit intensiv geforscht wird. Beim Austausch verschlüsselter Nachrichten, rechnen Fachleute in den nächsten fünf Jahren mit Durchbrüchen, mit einem universellen Quantencomputer erst in zehn Jahren.

Von Ralf Krauter | 06.07.2018
    Chinas Quantensatellit Micius startete am 16. August 2016.
    Chinas Quantensatellit 'Micius' startete am 16. August 2016 in den Erdorbit (AFP)
    Christiane Knoll: Um auszuloten, welches Innovationspotenzial die Quantentechnologie bietet und wie sich damit künftig Geld verdienen lässt, hat der 'Münchner Kreis' gestern zu einem eintägigen Symposium über Quantentechnologie geladen. Rund 200 Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft sind der Einladung gefolgt. Mein Kollege Ralf Krauter war dabei und ist jetzt bei mir im Studio. Was haben Sie mitgenommen von der Veranstaltung?
    Ralf Krauter: Dass die Industrie Blut geleckt hat. Vor fünf Jahren wären bei so einem Event Grundlagenforscher weitgehend unter sich gewesen, weil man in den Unternehmen dachte, korzielle Anwendungen sind noch Zukunftsmusik. Aber das hat sich geändert. Firmen wie Google, IBM und Intel investieren massiv in diesen Bereich, genau wir Regierungen weltweit. Also der Tenor war: Quantentechnologie wie Quantencomputer und abhörsichere Kommunikation via Quantenkryptographie werden bald Realität.
    Knoll: Im Fall der Quantencomputer, die bestimmte Rechenaufgaben viel schneller lösen können, weil sie hochparallel arbeiten, steht dieses Versprechen schon länger im Raum. Steht man jetzt wirklich davor, es einzulösen?
    Krauter: Die einen sagen so, die anderen so. Astrid Elbe, Leiterin der Entwicklung bei Intel in Europa sagte: Wir gehen davon aus, dass kommerziellen Anwendungen noch 10 Jahre entfernt sind. Markus Hoffmann von Google Germany dagegen bekräftigte Googles Ziel, noch dieses Jahr zu demonstrieren, dass schon ein relativ simpler Quantenrechner mit gerade mal 50 Qubits heutige Superrechner bei bestimmten Problemen ausstechen kann.
    Der Quantencomputer - ein 'Game Changer', der alles verändert
    Völlig unstrittig ist aber: Es ist nur eine Frage der Zeit, bis es universelle Quantencomputer geben wird. Und danach wird alles anders sein. Christoph Marquardt, der am Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts in Erlangen an abhörsicherer Kommunikation tüftelt, verglich es mit einem Erdbeben: Man weiß, es wird kommen, aber man weiß nicht genau wann. Trotzdem ist es sinnvoll, jetzt Sicherheitsvorkehrungen zu treffen.
    Knoll: Gemeint ist damit, dass gängige Algorithmen, mit denen wir heute Emails verschlüsseln, Banküberweisungen oder Internet-Einkäufe absichern, für einen Quantencomputer leicht zu knacken wären?
    Krauter: Genau. Und zwar auch rückwirkend. Wenn also etwa ein Geheimdienst heute eine verschlüsselte Botschaft abfängt, die er mangels Rechenpower nicht knacken kann, könnte er das wohl in 10 Jahren mit einem dann verfügbaren Quantencomputer, weil die Primfaktorzerlegung großer Zahlen für den ein Klacks ist. Für Regierungen, Banken, Konzerne, die vertrauliche Informatinen langfristig geheim halten wollen, heißt das: Sie müssen jetzt umstellen auf Verschlüsselungsverfahren, die auch ein Quantencomputer nicht knacken kann. Und der Königsweg dahin ist die Quantenkryptographie, weil sie absolut abhörsichere Kommunikation ermöglicht.
    Quantentechnologie gefährdet den Datenschutz - und liefert zugleich das Gegenmittel
    Knoll: Wie weit ist die Entwicklung der Quantenverschlüsselung?
    Krauter: Mit kommerziellen Systemen kann man heute via Glasfaser schon absolut abhörsicher über 200 km kommunizieren. Der Trick dabei ist: Der geheime Schlüssel des Codes als Quanteninformation übertragen, also als fragilen Überlagerungszustand, der sich nicht auslesen lässt, ohne ihn zu zerstören. Das heißt jede Abhöraktion fällt unweigerlich auf. Behörden, Banken und Konzerne nutzen solche Systeme bereits und die Herausforderung ist jetzt, die fit zu machen für größere Distanzen und für ein künftiges Quanteninternet.
    Knoll: Der Aufbau solch eines Quantennetzwerks wird in China mit Macht und viel Geld voran getrieben. Wie weit sind die Chinesen?
    Krauter: 2017 wurde zwischen Peking und Shanghai eine 2000 km lange Quanten-Connection in Betrieb genommen, die zahlreiche Firmen und Behörden via Glasfaser verbindet und über die zum Beispiel Kunden der Großbank ICBC schon Geschäfte abwickeln.
    China ist Vorreiter bei der Technologieentwicklung
    Dieses Quantennetz soll jetzt um 11 000 Kilometer erweitert werden und der Betrieb an eine eigens gegründete Firma namens ‚CAS Quantumnet’ ausgelagert werden, die ihren Kunden künftig als Service Quantenschlüssel für abhörsicher Verbindungen bereitstellt.
    Auch bei der Quantenkryptographie via Satellit haben die Chinesen die Nase vorn. Der 2016 gestartete Quantensatelliten Micius hat ja vergangenes Jahr erstmals eine absolut abhörsichere Videokonferenz zwischen Shanghai und Wien vermittelt. Über quantenmechanisch gekoppelte, verschränkte Photonen, die dieser Satellit aussendet.
    In München war der Chef-Entwickler von Micius da: Prof. Chengzhi PENG von der Uni Hefei. Und der sagte: Mit 3-5 solcher Quantensatelliten könnte man künftig in ganz China Quantenschlüssel für abhörsichere Kommunikation verteilen. Und man arbeite intensiv dran, diese Vision Wirklichkeit werden zu lassen.