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Quinoa-Boom in Bolivien
Das "Korn der Inka"

Quinoa, ein nahrhaftes Getreide aus dem Andenhochland, war in Deutschland lange so gut wie unbekannt. In den letzten Jahren erlebt dieses Nahrungsmittel aber einen wahren Boom. Für die Bauern in Bolivien ist das eine gute Nachricht, denn plötzlich haben sie ein Produkt, mit dem sie ein wenig Geld verdienen können. Doch der Boom hat auch seine Schattenseiten.

Von Katharina Nickoleit | 11.02.2014
    Das Altiplano, die Hochebene Boliviens, ist ein lebensfeindlicher Ort: 4.000 Meter hoch gelegen, trocken, kalt, windig. Und trotzdem wächst hier etwas, das die Menschen ernährt: Quinoa.
    "Es ist ein Geschenk Gottes und der Mutter Erde, damit wir zu essen haben."
    Lydia Salgado Copa ist 55 Jahre alt und hat ihr ganzes Leben in dem Dörfchen San Pedro de Quemez, verbracht. Quinoa ist die einzige Pflanze, die in der steinigen, trockenen Wüste ohne zusätzliche Bewässerung angebaut werden kann. Jahrelang hat Dona Lydia mit ihrer Quinoa so gerade überleben können. Sie ernährten sich von ihr, aber Geld war damit nicht zu verdienen.
    "Wir haben die Quinoa quasi verschenkt, sie war kaum etwas wert. Für einen Sack Mehl mussten wir drei Sack Quinoa ernten. Das Geld hat einfach nicht gereicht, wir konnten nicht mal unsere Hütten in Schuss halten."
    Goldene Zeiten für die Bauern im Hochland
    Das ist heute völlig anders. Das Reisemeldegewächs enthält viele Proteine und ist damit ein idealer Ausgleich für Vegetarier, die auf tierisches Protein verzichten. Außerdem wird bei immer mehr Menschen eine Gluten-Unverträglichkeit festgestellt. Mit der Quinoa können sie herkömmliche Nudeln, Frühstücksflocken und Mehl aus Weizen ersetzen. So ist die Nachfrage nach dem "Korn der Inka" weltweit steil angestiegen. Und damit auch der Preis. Für die Bauern im Hochland Boliviens sind goldene Zeiten angebrochen:
    "Für die Bauern ist das gut, denn sie können endlich einmal Geld verdienen, nachdem sie ihre Quinoa jahrelang fast verschenken mussten. Aber der Boom ist auch gefährlich. Alle wollen daran teilhaben. Überall werden die Büsche gerodet und Quinoafelder angelegt. Die Lamas können auf den Flächen nicht mehr weiden. Das sind sehr ernste Probleme."
    Grover Cayo vertritt die Kooperative Anapqui, in der sich Quioabauern zusammengeschlossen haben. Die karge Ebene des Altiplanos ist für den intensiven Anbau nicht geeignet. Das bisschen fruchtbare Erde im Sand ist das Ergebnis jahrhunderterlanger Beweidung mit Lamas. Werden die stacheligen Büsche gerodet und der Boden mit Traktoren aufgebrochen, wird der wenige Humus vom Wind davon getragen. Anapqui versucht seine Produzenten dazu zu bringen, ihre Quinoa so nachhaltig wie möglich anzubauen.
    Quinoa braucht sehr viel Pflege
    "Das ist eine langwierige Arbeit. Aber die Produzenten leben von der Quinoa und müssen dafür sorgen, dass sich die Erde ausruhen kann. Sonst laugt sie aus und kann nicht über längere Zeit Erträge bringen. Es sind Dinge, von denen die Bauern vorher nichts wussten. Aber jetzt schon."
    Unterstützung erhält Anapqui dabei von dem Fairhandelshaus Gepa, das seit vielen Jahren von der Kooperative Quinoa bezieht. Der Mehrpreis finanziert vor allem Agraringenieure, die den Bauern nachhaltige Anbautechniken beibringen oder zeigen. Dazu gehört das Ausbringen von organischem Dünger.
    "Man muss die Quinoa sehr gut pflegen. Wenn sie klein ist, muss sie mit flüssigem Lama-Dung besprüht werden, und wenn sie größer ist, dann noch einmal. Das ist viel Arbeit."
    Um genug Lama-Dung zu haben, hält sich Dona Lydia eine 120-köpfige Herde. Sie sammelt den Kot ein, um daraus Dünger zu machen und treibt die Tiere regelmäßig über die Flächen, auf denen sie als nächstes Quinoa anbauen will. Ohne diesen zusätzlichen Aufwand wäre der karge Wüstenboden nach wenigen Jahren erschöpft.

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