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Quo vadis, Musikindustrie?

Die Musikindustrie hat in den letzten Jahren erfahren müssen, dass Hunderte an Millionen Songs illegal gedownloaded werden, hat massive Umsatzeinbrüche..

Von Martina Schulte |
    Georg Albrecht, Apple Deutschland

    Und die Einbrüche werden weiter gehen.
    Helge Sasse, Anwalt

    Da ist es doch völlig egal, wie Sie pleite gehen, oder?
    Thomas M. Stein, Ex-BMG-Chef

    Bei der letzten Bank haben sie zu uns gesagt: Jungs, macht doch einen Puff auf, das ist echt seriöser als eine Plattenfirma.
    Thees Uhlmann, Plattenlabel Grand Hotel van Cleef

    Mit Witzen über die Krise der Musikindustrie konnte man in dieser Woche auf dem Kölner mem-Kongress zumindest große Lacherfolge erzielen. Sollte doch die neue Messe für "Musik - Entertainment und Medien" vor allem Optimismus und Dynamik verbreiten, ganz im Zeichen des selbst gewählten Mottos: Nicht heulen, sondern arbeiten! In Zeiten, in denen der Geiz-ist-geil-Konsument seine Musik lieber illegal aus dem Internet saugt, statt sie legal im Laden zu erwerben, wollte sich die gebeutelte Musik-Sparte auf dem Kölner Kongress auf die Suche machen nach neuen Geschäftsfeldern - auch außerhalb der eigenen Branche. "Crossmedia" hieß das Stichwort. Dieser Blick über den Tellerrand ist auch dringend erforderlich. Die Umsätze im klassischen Musikgeschäft fielen allein im Vorjahr um ein Fünftel. Massenentlassungen, Fusionen und geschasste Spitzenmanager machen deutlich, dass die Krise der ehemals so erfolgsverwöhnten Musikbranche alles andere als vorbei ist.


    Ich glaube, das ist das Hauptproblem: Dass in den großen Musik-Konzernen noch zu wenig Denken über etablierte Grenzen innerhalb der Musikindustrie stattfindet. Hier gibt es die Internetleute, da gibt es die Konzertveranstalter, da gibt es Musik-TV, da gibt es Radio. Und man ist noch zu wenig bereit zu sagen: okay, das wächst irgendwie zusammen, ich muss meine Grenzen neu definieren, ich muss eigentlich neu sehen, wie ich mich positioniere.


    Der Musik- und Medienstratege Michael Westhoven bringt es gleich in der ersten Diskussionsrunde des Kölner mem-Kongresses auf den Punkt. Die Musikindustrie ist zwar mittlerweile aus ihrem Dornröschenschlaf erwacht. Überzeugende Lösungsansätze fehlen den großen Konzernen aber nach wie vor. Wie ein Don Quichotte kämpft man gegen Musikpiraterie und illegalen Download, mit großem Kraftaufwand, aber letztendlich doch vergeblich. Immer weniger Konsumenten wollen die hohen Preise für CDs noch bezahlen. Der Versuch der Konzerne, im Internet Musik gegen Bezahlung zu etablieren, ist gescheitert.
    Und während die Musikriesen mehr und mehr Marktanteile verlieren, schlägt die Stunde der kleinen Firmen, der branchenfremden Global Player und der kreativen Startups. Ravin Mehta von der Kölner Internetfirma Pixelpark formuliert das so:

    Klar, große Konzerne sind langsam. Aus meiner Sicht ist zur Zeit die Zeit der Kleinen, ich sage mal; die berühmten drei Freunde in der Garage, für die ist das eigentlich die Chance. Jeder der jetzt was gründen möchte, sollte jetzt was gründen, es war noch nie so einfach und noch nie mit soviel Potential behaftet, ja?

    Auf dem ehemals so zementierten Musikmarkt gibt es mittlerweile zahlreiche spannende Projekte, die durchaus eine Chance haben, diese unruhigen Jahre des Umbruchs erfolgreich zu überstehen. Da ist zum Beispiel das Internetmagazin Phlow, das sich als Plattform für so genannte Netlabels versteht. Netlabels sind kleine Musikverlage im Internet, die von Musikern und Produzenten betrieben werden und die dem Internetnutzer ihr Angebot direkt zum Download anbieten. Dann gibt es unabhängige Musikfirmen wie LADO, die ihre Nischenangebote jenseits des Mainstream erfolgreich zu vermarkten wissen. Aber auch Branchenfremde haben Witterung aufgenommen. Cola-Abfüller, Fernsehanstalten, Waschmittelkonzerne und Fast-Food-Ketten sind ins Musikgeschäft eingestiegen. Vor etwas mehr als einem Jahr hat der Technologiekonzern Apple mit dem Musicstore das bisher erfolgreichste Angebot platziert.

    Wir haben am 28. April 2003 den Musicstore in den USA vorgestellt und am 15. Juni den Store in Deutschland, England und in Frankreich. Und seitdem haben wir über einhundert Millionen Songs online legal verkauft. Und wir glauben, dass wir damit eigentlich auf dem richtigen Weg sind, dass Musik nicht in großem Umfang illegal irgendwo geklaut wird, sondern dass es einen Markt dafür gibt, dass Musik legal online verkauft werden kann.

    Georg Albrecht von Apple Deutschland sieht seine Firma in einer Vorreiterrolle. Man habe etwas geschafft, was die Musikindustrie vergeblich versucht habe. Dabei hat Apples Vorzeigegeschäft mit den legalen Musik-Downloads einen entscheidenden Schönheitsfehler: 99 Cent kostet ein Lied im Musicstore. Dieser Dumpingpreis rechnet sich im Moment nur, weil der Konzern über den Internetshop gleichzeitig den Verkauf seiner hippen Abspielgeräte, der so genannten Ipods befördert. So ist ein "Cross Media Geschäft" á la Apple nur das Vehikel einer Marketingmaschinerie, Gewinn wird vorerst nicht gemacht. Eines aber hat der der umtriebige Technologiekonzern bereits jetzt bewirkt. Der Plattenkonzern BMG wird in Zukunft eine Billig-Variante der CD für unter zehn Euro in den Handel bringen. Crossmedia sei Dank!