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"Quo vadis Promotion?"

In drei Jahren die Doktorarbeit, dieser Richtwert kann in der Praxis allerdings eher selten eingehalten werden. Doktoranden fühlen sich häufig alleine gelassen, haben wenig Möglichkeiten zum wissenschaftlichen Austausch oder müssen nebenher jobben. "Quo vadis Promotion?" – Was wird aus der Promotion?, das fragen sich 150 Experten auf Einladung der Hochschulrektorenkonferenz.

Von Svenja Üing |
    Das Gustav-Stresemann-Institut in Bonn. Rund 150 Experten aus Wissenschaft und Bildung sind aus ganz Deutschland zusammengekommen, um zu beraten, wie es um die Doktorandenausbildung hierzulande steht. Und welchen Weg die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses in Zukunft gehen muss, um im internationalen Vergleich bestehen zu können. Denn dass da nachgebessert werden muss, darüber ist man sich einig, sagt Margret Wintermantel, Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz – HRK:

    "Verbesserungsmöglichkeiten sicher in dem Sinne, dass wir eine Betreuung von Doktoranden haben, die nicht nur auf den Schultern eines einzelnen Doktorvaters oder Doktormutter liegt. Und wir brauchen auch bei den Doktoranden ein Stück weit eine Gruppenbildung, wo die Doktorandinnen und Doktoranden sich treffen, wo sie voneinander lernen können. Wir halten das für sehr wichtig einmal für die Identität des Doktoranden oder der Doktorandin, aber auch natürlich, um neue Ideen zu generieren."

    Was aber sind jetzt die Reformvorschläge aus Bonn? Eine intensivere Betreuung, mehr Kontakt der Promovierenden untereinander, bessere Finanzierungsmöglichkeiten – und eine höhere Zahl stukturierter Doktorandenprogramme. Denn die Reform der Doktorandenausbildung ist auch erklärtes Ziel des Bologna-Prozesses. Bis zum Jahr 2010 sollen im angestrebten europäischen Hochschulraum mehr junge Frauen und Männer unter besseren Bedingungen und mit besseren Ergebnissen promovieren. Dr. Andreas Frijdal vom Europäischen Hochschulinstitut in Florenz, ist skeptisch, dass das so schnell gelingen wird:

    "Ich denke, das keines der Länder es bis 2010 schaffen wird – das habe ich ja in meinen letzten Statistiken gezeigt: Sehen wir irgendwelche Verbesserungen innerhalb der vergangenen zehn Jahre was das Alter der Doktoranden angeht? Offensichtlich nicht."

    Die letzten Statistiken zeigten zum Beispiel, dass das Einstiegsalter der europäischen Promovierenden in ihre Doktorarbeit seit 1995 um rund ein Jahr gestiegen ist. Je später jemand aber beginnt, desto länger brauche er, wurde auch auf der Tagung noch mal deutlich. Und wer länger als fünf Jahre promoviert, bei dem steigt die Gefahr, dass er’s gar nicht schafft. Der Rat Frijdals deshalb an Deutschland: Die Doktoranden müssen gezielter ausgewählt und nur für wenige Jahre gefördert werden. Außerdem sollten sie einen so genannten "Code of Conduct" bekommen, der das Miteinander von ihnen und ihren Betreuern schriftlich regelt:

    "Als erstes sollte man festlegen, wie häufig man sich sieht. Außerdem sollte man, wenn man eine schriftliche Arbeit eingereicht hat, mit einem relativ zügigen Feedback rechnen dürfen. Und es sollte Einigung über die Zusammensetzung der Prüfungskommission und den Zeitpunkt der Verteidigung bestehen."

    Mit den gegenwärtigen Schwächen in der Doktorandenausbildung stehe Deutschland im europäischen Vergleich aber nicht alleine da. Einzig Großbritannien mit seinen Graduiertenschulen sei hier ein wirkliches Vorbild:

    "Es ist kein Zufall, dass jedes Jahr 6.000 deutsche Studierende zur Promotion nach Großbritannien gehen."

    Als Ratgeber aus der Schweiz hat auch Prof. Konrad Osterwalder an der Bonner Konferenz teilgenommen, Rektor der ETH in Zürich. Seine Hochschule macht derzeit erste Schritte in Richtung einer Graduiertenschule. Er empfiehlt seinem Nachbarland:
    "Es tut mir leid, das zu sagen als jemand Vertreter einer der Hochschulen, die vielleicht zu den bestdotierten in Europa gehören: Wenn Deutschland wirklich weltweit wettbewerbsfähig werden will – und eben auf der Doktoratsstufe geht das nicht ohne weltweiten Wettbewerb, wenn man die besten Leute holen will – dann brauchen die Spitzenuniversitäten mehr finanzielle Unterstützung."

    Und mit den gestrigen Beschlüssen zur Föderalismusreform dürften die Hochschulen in Deutschland – und damit auch ihre Doktorandinnen und Doktoranden – darauf hoffen, dass sich auch in Zukunft der Bund und die Länder an der Förderung von Forschung und Lehre beteiligen.