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Rache und traurige Rückblicke

Mit seinem melancholischen Film "Oslo, 31. August" beeindruckt und berührt der norwegische Regisseur Joachim Trier. Der Rachefeldzug von Colin Farrell und Noomi Rapace in "Dead Man Down" ist dagegen wenig überzeugend.

Von Hartwig Tegeler | 03.04.2013
    Wird jemals wieder etwas gut? Anders, 34, auf Drogenentzug, ein Tag außerhalb der Klinik; Bewerbung als Journalist. Wird es wieder was mit ihm? "Oslo, 31. August" heißt Joachim Triers Film. Protokoll eines vielleicht nicht angekündigten, aber immerhin sich andeutenden Todes. Anders war ein aufstrebender Journalist, dann die Drogen. Im Film taucht die Vergangenheit wie grelle, spitze Erinnerungssplitter auf. "Oslo, 31. August" ist Chronik eines traurigen Tages, auch, wenn sich bei uns Traurigkeit die Waage hält mit der eindrucksvollen Inszenierung von Joachim Triers Film. Das Bewerbungsgespräch bricht Anders ab. Du hast eine Familie, es wird besser, alles wird gut, sagt ein Freund. Anders und er sitzen auf einer Parkbank. Anders sagt nur: Das wird es nicht. In Georg Büchners Novelle "Lenz" lautet der letzte Satz: "So lebte er dahin!" Anders wird nicht einmal das schaffen.

    "Oslo, 31. August" von Joachim Trier - traurig, melancholisch, auch düster und herausragend.


    Das Happy End vorweg - gut, an dieser Stelle von Happy End zu sprechen, zynisch, absurd, makaber wohl auch, aber wenn man das neue Affen-Außengehege anschaut in Christian Rosts und Claus Strigels Dokumentarfilm "Unter Menschen", ist das einfach nur ein neues Gefängnis? Eines eben mit Auslauf? Nein, wohl viel mehr. Österreich, nahe der tschechischen Grenze - nach Jahrzehnten bekommen 40 Schimpansen aus den ehemaligen Versuchslabors des Pharmakonzerns Immuno - infiziert, traumatisiert, verstört, aggressiv - eine Chance, die Sonne zu spüren, den Wind, den Regen. Ob das eine Wiedergutmachung nach Jahren im Gitterkäfig sein kann, dieser Illusion geben sich Dokumentarfilmer Rost und Strigel in "Unter Menschen" kaum hin. Trotzdem, sie erzählen genau davon: von Schuld, Verantwortung und dem Versuch von Wiedergutmachung. Ende der 1990er-Jahre übernimmt der US-Pharmakonzern Baxter Immuno und damit die traumatisierte Hinterlassenschaft einer AIDS-Forschung, die zu keinem Ergebnis führte. "Unter Menschen", der Film, ist auch ein Pharma-Thriller über illegalen Tierhandel und die tägliche Torturen, die in unseren Tierversuchslabors nicht nur in der Vergangenheit stattfanden. Die 40 gequälten Immuno-Schimpansen dürfen zunächst mit ihren Artgenossen zusammen leben.

    "Das kann man sich nicht vorstellen, wenn Sie jetzt eine Gruppe sehen, kann man sich nicht vorstellen, was für einen mühevollen Weg die Schimpansen eigentlich gehabt haben, um zusammen in einem Raum zu leben."

    Christian Rost und Claus Strigel erzählen in "Unter Menschen" auch die Geschichte von vier Tierpflegerinnen, die es schafften, dass 2010 ein renommierter wie gut betuchter Tierschützer den Affenpark in sein Unternehmen aufnahm. 2012 entsteht dann das Außengehege. Auf eindrucksvolle Weise reflektieren Rost und Strigel in ihrem Dokumentarfilm in der Geschichte dieses Projektes unser Verhältnis zu Natur und Naturbeherrschung, und zwar als Horrorgemälde, aber auch als Porträt von vier Frauen, die sich mit einer unfassbaren Sturheit und Hartnäckigkeit für die Schimpansen einsetzen.

    "Ungefähr 30 Jahre haben manche alt werden müssen, um wieder in der Natur sein zu können."

    Wenn dann gegen Ende die Schimpansen das erste Mal ins Außengehege und in die Sonne treten, so ist das ein großes Medienereignis vor laufenden Kameras - das sind die Widersprüche der Welt -, aber dies ist auch ein sehr eindrucksvolles Bild von tiefer Emotionalität.

    "Unter Menschen" von Christian Rost und Claus Strigel - traurig, melancholisch, auch düster und herausragend.


    Nun ist auch der Schwede Niels Arden Oplev in der Traumfabrik angekommen. Oplevs Inszenierung von Teil 1 der skandinavischen Verfilmung der "Millenium"-Trilogie blieb auch in Hollywood nicht unbemerkt. Lisbeth-Salander-Darstellerin Noomi Rapace, nach ihrer Arbeit mit Ridley Scott oder Guy Ritchie ein Weltstar, ist in "Dead Man Down" wieder dabei an der Seite von Colin Farrell.

    "Ich dachte, es wäre nett, wenn wir uns mal kennenlernen. Beatrice! - Victor!"

    "Dead Man Down" erzählt von zweien, die Rache nehmen wollen. Victors Frau und Sohn wurden von der Mafia ermordet. Beatrice wurde von einem betrunkenen Mann angefahren.

    "Sie haben mein Gesicht plastisch wieder hergestellt."

    Nun versucht sie Victor, der zwei Gangsterbanden aufeinander hetzen will, als Killer anzuheuern - gegen den Mann, der sie anfuhr. Beatrice hat nämlich etwas gesehen:

    "Ich will, dass du ihn umbringst. So, wie den Mann in deinem Apartment."

    Noomi Rapace, geschundene Seele wie Racheengel und Colin Farrell, der nicht weiß, wie ihm hier passiert: Diese Szene ist ein Sahnestück in "Dead Man Down". Großartig gespielt, mitreißend. Doch genau hier, an dieser wunderbaren Szene, wird schmerzhaft deutlich, wie viel Niels Arden Oplevs Film in Gänze fehlt. Die Story: unausgegoren, widersprüchlich, unlogisch. Man weiß nie genau, ob man sich in einem Psychodrama oder einem brutalen Rachefilm befindet. Am Ende hilft auch nicht das Spiel von Noomi Rapace, Colin Farrell, Isabelle Huppert, Armand Assante oder F. Murry Abraham.

    "Dead Man down" von Niel Arden Oplev - enttäuschend.