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Radar-Staffel auf Rädern

Meteorologie. - Sonntag begann die bisher größte Messkampagne, die es jemals zur Erforschung von Tornados gegeben hat. Und zwar im Mittleren Westen der USA - auch bekannt als "Tornado Alley" - denn dort beginnt gerade die Hochsaison für diese gefährlichen Wetterphänomene, die sich aus Gewitterzellen entwickeln.

Von Volker Mrasek |
    Es ist nicht ganz einfach, die Forscher während der Feldarbeit zu erwischen. Wie Nomaden ziehen sie irgendwo durch die Great Plains, diesen nur dünn besiedelten Landstrich im Mittleren Westen der USA - ständig bereit, die nächste Gewitterzelle anzusteuern. Mobilfunk-Sendemasten sind rar. Und wenn mal einer in der Nähe ist, könnte er ja von einem Tornado weggefegt werden.

    "Alle Wissenschaftler sind in Fahrzeugen unterwegs. Es sind über 40 Stück. Im Prinzip fahren wir ständig hin und her. Wahrscheinlich werden wir in diesem Frühjahr über 20.000 Kilometer zurücklegen auf der Jagd nach Tornados."

    Zum Start des Experimentes meldet sich Joshua Wurman noch ziemlich entspannt aus Oklahoma im Süden der USA. Doch schon morgen kann es den Meteorologen bis an die kanadische Grenze verschlagen, wenn entsprechende Unwetterwarnungen von dort eingehen.

    "Wir sind mitten in der so genannten Tornado-Allee. Sie reicht von Texas im Süden bis Dakota im Norden. Es ist ein sehr flacher Landstrich. Es gibt viele Felder und kaum Bäume. Man hat einen unverstellten Blick bis zum Horizont und kann 150 oder sogar 200 Kilometer weit sehen. Ideale Bedingungen, um Tornados aufzuspüren."

    Über 100 Wissenschaftler sind bei Vortex-2 dabei. Darunter auch Howard Bluestein, Professor für Meteorologie an der Universität von Oklahoma in Norman:

    "Bei diesem Experiment kommt eine Reihe mobiler Radar-Systeme und anderer Instrumente zum Einsatz. Das hat es so noch nicht gegeben. Im letzten Jahr war unsere Arbeitsgruppe mit drei Radar-Geräten unterwegs. Jetzt kommen sieben weitere von anderen Forschern hinzu."

    Tornados entwickeln sich aus starken Gewittern, so genannten rotierenden Superzellen. Doch das geschieht nicht immer, nur in jedem vierten bis fünften Fall. Joshua Wurman und seine Kollegen möchten herausbekommen, warum das so ist:

    "Uns interessieren Größen wie Windgeschwindigkeit, Niederschlag, Temperaturen und relative Luftfeuchte in den Gewitterstürmen. Das alles wollen wir erfassen, um zu sehen, was Gewitter unterscheidet, die keine, die nur schwache oder die gefährliche Tornados erzeugen."

    Der mobilen Radar-Staffel kommt dabei eine besondere Rolle zu. Einige der Geräte sollen komplette Windfelder der Gewitterstürme erstellen, und das alle sechs Sekunden. Andere sind imstande zu enthüllen, was die Gewitterzellen enthalten: Regentropfen oder Hagelkörner. Insgesamt sind es um die 60 wissenschaftliche Instrumente, die die Tornado-Jäger auf ihre Fahrzeuge geschnallt haben. Darunter auch so genannte Disdrometer. Sie schicken Laserstrahlen in den Himmel, um Wasser- und Eispartikel in den Gewitterwolken zu erfassen. Um sie kümmert sich Katja Friedrich. Die Leipziger Meteorologin lehrt an der Universität von Oklahoma. Auch sie ist schon seit Tagen im Feldeinsatz:

    "Unser Anteil ist eigentlich, dass wir vor dieser Superzelle oder vor dieses Gewitter uns placieren und dann die Instrumente da aufstellen. Und dann eben das Gewitter über diese Instrumente ziehen lassen. Und damit also wissen halt, wie die Tropfenverteilung in diesen Gewittern ausfällt."

    Der Mittlere Westen der USA ist zwar dünn besiedelt. Doch immer wieder fordern Tornados Menschenleben. Das Vortex-2-Experiment soll dazu beitragen, ihre Vorhersage zu verbessern. Bisher beträgt die Vorwarnzeit gerade mal zehn bis 15 Minuten. Und oftmals kommt es dabei auch noch zu einem Fehlalarm. Vier Wochen lang werden die Sturmjäger auf Achse sein und hoffen, dass ihnen auch wirklich Tornados ins Netz gehen. Für den Fall, dass das nicht klappt, haben die Forscher vorgesorgt: Im nächsten Frühjahr werden sie erneut mit ihrem Radar auf Rädern losziehen.