Ich habe großen Respekt vor diesem Seegebiet. Von hinten kommt eine starke Meeresströmung, doch der Wind bläst meist von vorn. Und das Wasser hier ist relativ flach. Bei solchen Bedingungen können hohe Wellen quasi aus dem Nichts entstehen. Auf solche Wellen sollte man stets gefasst sein, um rechtzeitig Fahrt raus zu nehmen. Deshalb muss man, wenn man eine 30 Knoten schnelle Fähre wie diese steuert, bei Schlechtwetter jede Sekunde konzentriert sein.
Hilfe könnte Kapitän Christiansen eines Tages von einem Fahrgast erwarten, der heute mit an Bord ist. Jürgen Dittmer ist Geschäftsführer der OceanWaves GmbH, einer Firma aus Lüneburg. Sie entwickelt ein Radar zur Überwachung des Seegangs. Wave Monitoring System, kurz WaMoS, so heißt das System.
Das WaMoS benutzt als Sensor ein herkömmliches nautisches Radargerät, wie es jedes Schiff hat. Dieses vorhandene Radargerät zapfen wir an, um aus den Radarbildern den Seegang rauszurechnen. Der Seegang ist eigentlich eine Störgröße, die der Nautiker auf seinem Radarschirm gar nicht sehen will. Die möchte er möglichst unterdrücken. Aber genau dieses Rauschen ist das für uns interessante Signal. Das werten wir aus, um den Seegang zu bestimmen. Wir errechnen daraus die Wellenhöhe, Wellenrichtung und die Wellenperiode.
Ähnlich wie ein Videorecorder nimmt WaMoS einen Film auf, allerdings besteht dieser Film aus einer Serie von 32 Radarbildern. Der Kurzfilm wird elektronisch analysiert: Die Bildinformation wird in ihre unterschiedlichen Frequenzen zerlegt. Danach durchläuft das Signal spezielle Filter, und am Ende spuckt das Gerät auf 10 Prozent genau die gerade herrschende Wellenhöhe aus, noch genauer sogar Länge und Richtung der Wellen.
Haupteinsatzgebiet sind Öl- und Gasförderplattformen. Für die Betreiber besteht der Vorteil darin, ein besonders genaues und zuverlässiges Messgerät zu haben. Wir können alle 5 Minuten die Wellenhöhe liefern. Dadurch bekommt man eine Trendinformation. Man kann sehen: Geht die Wellenhöhe herauf, geht sie hinunter? Bei bestimmten Situationen müssen einige Ölplattformen ausgeschaltet werden, weil sie aus Sicherheitsgründen bei bestimmten Wellenhöhen nicht mehr betrieben werden dürfen. Und je früher man die Entwarnung geben kann über ein genaues Messgerät, umso früher kann die Ölfirma die Plattform wieder in Betrieb nehmen und spart dadurch bares Geld.
Auf Deutschlands einziger Hochseeinsel Helgoland betreibt Dittmer eine unbemannte Außenstation. Heute ist er mit der "Flying Viking" herausgefahren, um die Station zu reparieren und Teile auszutauschen. Kein Kinderspiel, die Radarantenne dreht sich in 30 Metern Höhe auf dem weithin sichtbaren Telefonmast der Insel. Und den dürfen Dittmer und sein Begleiter Jens Bockhold nur mit einem Spezialgurt bestiegen, der sie an die Leiter sichert. Bepackt mit Werkzeug und Ersatzteilen beginnt die Kletterei – nicht gerade ein Vergnügen bei Windstärke fünf.
Mit Hilfe der Helgoländer Außenstation will Dittmer sein Seegangsradar weiterentwickeln. Zurzeit noch misst das System nur die durchschnittliche Wellenhöhe. Künftig aber soll es auch einzelne Wellen erkennen – sog. Kavenzmänner oder Monsterwellen. So nennt man seltene, bis zu 35 Meter hohe Brecher, die sich plötzlich vor einem Schiff auftürmen können, weil sich mehrere kleine Wellen ungünstig überlagern.
Wenn man die Vorwarnzeit lange genug hinbekommt, dann könnte man in der Schifffahrt versuchen, sich rechtzeitig auf diese Riesenwelle einzustellen. Also z.B. je nach Schiffstyp die Welle von vorne oder eventuell auch von der Breitseite zu nehmen – je nachdem, was für diesen Schiffstyp günstiger ist.
Sinnvoll erscheint auch der Einsatz bei Förderplattformen, etwa als Warnsystem bei Verladevorgängen. Dittmer ist optimistisch.
Die Theorie dafür steht. Wir sind im Moment dabei, sie zu implementieren. Und wir denken, dass wir in etwa zwei Jahren mit der Einzelwellenerkennung in die Serienreife gehen können.
Bis es aber soweit ist, wird Jürgen Dittmer wohl noch einige Male den Telefonmast von Helgoland erklimmen müssen.
von Frank Grotelüschen
Links:
OceanWaves
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Hilfe könnte Kapitän Christiansen eines Tages von einem Fahrgast erwarten, der heute mit an Bord ist. Jürgen Dittmer ist Geschäftsführer der OceanWaves GmbH, einer Firma aus Lüneburg. Sie entwickelt ein Radar zur Überwachung des Seegangs. Wave Monitoring System, kurz WaMoS, so heißt das System.
Das WaMoS benutzt als Sensor ein herkömmliches nautisches Radargerät, wie es jedes Schiff hat. Dieses vorhandene Radargerät zapfen wir an, um aus den Radarbildern den Seegang rauszurechnen. Der Seegang ist eigentlich eine Störgröße, die der Nautiker auf seinem Radarschirm gar nicht sehen will. Die möchte er möglichst unterdrücken. Aber genau dieses Rauschen ist das für uns interessante Signal. Das werten wir aus, um den Seegang zu bestimmen. Wir errechnen daraus die Wellenhöhe, Wellenrichtung und die Wellenperiode.
Ähnlich wie ein Videorecorder nimmt WaMoS einen Film auf, allerdings besteht dieser Film aus einer Serie von 32 Radarbildern. Der Kurzfilm wird elektronisch analysiert: Die Bildinformation wird in ihre unterschiedlichen Frequenzen zerlegt. Danach durchläuft das Signal spezielle Filter, und am Ende spuckt das Gerät auf 10 Prozent genau die gerade herrschende Wellenhöhe aus, noch genauer sogar Länge und Richtung der Wellen.
Haupteinsatzgebiet sind Öl- und Gasförderplattformen. Für die Betreiber besteht der Vorteil darin, ein besonders genaues und zuverlässiges Messgerät zu haben. Wir können alle 5 Minuten die Wellenhöhe liefern. Dadurch bekommt man eine Trendinformation. Man kann sehen: Geht die Wellenhöhe herauf, geht sie hinunter? Bei bestimmten Situationen müssen einige Ölplattformen ausgeschaltet werden, weil sie aus Sicherheitsgründen bei bestimmten Wellenhöhen nicht mehr betrieben werden dürfen. Und je früher man die Entwarnung geben kann über ein genaues Messgerät, umso früher kann die Ölfirma die Plattform wieder in Betrieb nehmen und spart dadurch bares Geld.
Auf Deutschlands einziger Hochseeinsel Helgoland betreibt Dittmer eine unbemannte Außenstation. Heute ist er mit der "Flying Viking" herausgefahren, um die Station zu reparieren und Teile auszutauschen. Kein Kinderspiel, die Radarantenne dreht sich in 30 Metern Höhe auf dem weithin sichtbaren Telefonmast der Insel. Und den dürfen Dittmer und sein Begleiter Jens Bockhold nur mit einem Spezialgurt bestiegen, der sie an die Leiter sichert. Bepackt mit Werkzeug und Ersatzteilen beginnt die Kletterei – nicht gerade ein Vergnügen bei Windstärke fünf.
Mit Hilfe der Helgoländer Außenstation will Dittmer sein Seegangsradar weiterentwickeln. Zurzeit noch misst das System nur die durchschnittliche Wellenhöhe. Künftig aber soll es auch einzelne Wellen erkennen – sog. Kavenzmänner oder Monsterwellen. So nennt man seltene, bis zu 35 Meter hohe Brecher, die sich plötzlich vor einem Schiff auftürmen können, weil sich mehrere kleine Wellen ungünstig überlagern.
Wenn man die Vorwarnzeit lange genug hinbekommt, dann könnte man in der Schifffahrt versuchen, sich rechtzeitig auf diese Riesenwelle einzustellen. Also z.B. je nach Schiffstyp die Welle von vorne oder eventuell auch von der Breitseite zu nehmen – je nachdem, was für diesen Schiffstyp günstiger ist.
Sinnvoll erscheint auch der Einsatz bei Förderplattformen, etwa als Warnsystem bei Verladevorgängen. Dittmer ist optimistisch.
Die Theorie dafür steht. Wir sind im Moment dabei, sie zu implementieren. Und wir denken, dass wir in etwa zwei Jahren mit der Einzelwellenerkennung in die Serienreife gehen können.
Bis es aber soweit ist, wird Jürgen Dittmer wohl noch einige Male den Telefonmast von Helgoland erklimmen müssen.
von Frank Grotelüschen
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