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Radeln in die Zukunft

Ein komplett neu konstruiertes Fahrrad soll es werden, schnell und komfortabel. Ein Reisegefährt mit Hilfsmotor für die Steigungen und Wetterschutz gegen den Regen. Christian Heßling, Student an der Technischen Universität in Darmstadt, hatte die Idee für ein praxisbezogenes Projekt, komplett selbst organisiert und ergänzend, zum Studium angehender Maschinenbauer.

von Holger Bruns |
    An der FH Darmstadt gibt es Industriedesign. Und Industriedesign lebt davon, Begeisterung zu schaffen. Es ist 'ne Kommunikation. Sie bringt dem Nutzer rüber, was passiert hier eigentlich. Und gerade bei einem Fahrrad, bei einem muskelbetriebenen Fahrzeug ist verdammt wichtig, dass man sich wohl fühlt. Wir sind also hoch, haben auf dem Flur gefragt, wer kann hier Fahrräder zeichnen? Und auf diese banale Frage haben sich direkt zwei drangesetzt, in kurzer Zeit was gescribbelt, ein Bild gemalt. Und das war eigentlich der Schlüssel zum Erfolg, dass wir dann zu viert gemeinsam eine Idee hatten. Wir wollen ein Produkt auf die Beine stellen. Und mit dem Designmodell, was im Endeffekt daraus resultierte, sind wir zu den Firmen gegangen. Es ist sehr schwierig, Technik und Design zu vereinen. Wir haben Kommentare gehört, das können nur die Großen. Autoindustrie, vielleicht noch ein paar andere große Firmen, aber ihr kriegt das nie hin. Und wir haben dann im Bereich Kohlefasertechnik einen Sponsor gefunden, der gesagt hat, okay, ich find euere Begeisterung klasse, ich helfe euch. Und dann hat die Firma Weetje gesagt, ihr liefert CAD-Daten, wir liefern euch die Teile. Und so hat's angefangen.

    Christian Heßling ist jetzt seit rund fünf Jahren mit seinem Liegefahrrad aus Kohlefasern beschäftigt, an dem ständig neue Ideen ausprobiert werden. Er nennt sein Projekt den Läufer und spricht auch nicht mehr von einem Fahrrad, sondern von einem Innovationsträger.

    Das Besondere ist, dass Leute vom Meter fünfzig bis zwei Meter mitfahren können. Man kann den Läufer auf sich anpassen. Man ist wettergeschützt, hat eine sehr gute Aerodynamik, komfortabel, Luftfederung vorne, hinten. Und man fällt damit auf. Es macht Spaß, damit einfach durch die Stadt zu fahren, und sich an einem Straßencafé hinzusetzen und hat direkt Gesprächspartner und hat auch die Möglichkeit, nicht nur 'ne kleine Tour um die nächste Wiese zu drehen, sondern wirklich weit zu fahren. Wir fahren, je nachdem, wie trainiert man ist, 35 km/h damit und dann ist es schon möglich, einfach mal zu sagen, hier, wir haben eine Woche Zeit, lass´ uns an den Atlantik fahren.

    Das Läufer-Projekt hat sich in den fünf Jahren seines Bestehens entwickelt. Heute existieren Beziehungen zu mehreren Universitäten und Firmen, unter anderem auch zur Betrieblichen Bildung des Werkes Bremen von DaimlerChrysler. In der Ausbildungswerkstatt ist die Praxis zu Hause, die sich mit der Lehre an der TU-Darmstadt gut ergänzt. Davon können beide Seiten lernen, ist man bei DaimlerChrysler überzeugt.

    Mein Name ist Markus Koch. Ich bin Auzubildender in der KFZ-Elektrik im dritten Ausbildungsjahr. Und ja, mein Bezug zum Projekt Läufer besteht darin, dass zumal in der Fahrzeugtechnik immer mehr Elektrik und Elektronik Einsatz findet, natürlich auch beim Projekt Läufer die elektronische Komponente einen bedeutenden Faktor darstellt.

    In der Tat ergänzt sich bei diesem High-Tech-Fahrrad die menschliche Muskelkraft mit elektrischer Energie. Bremsenergie landet in Akkumulatoren, die einen Hilfsmotor mit Strom versorgen, falls es mal bergauf geht. Projektleiter Mathias Goldt.

    Es ist nicht unser Anspruch, damit Geld zu verdienen, sondern unser Anspruch ist ganz klar, am Läufer zu lernen. Der Läufer ist für uns ein Spielplatz der Möglichkeiten, wo wir uns austoben können, wo wir uns unsere Hobbies, unsere Interessen, wo wir die studientechnisch verwirklichen können. Und irgendwann die eigene Idee als Produkt in der Hand zu halten, beziehungsweise in unserem Fall das eigene Produkt zu erfahren.

    Der krönende Abschluss des Projektes steht noch vor der Tür. Sobald die Entwicklungsarbeiten abgeschlossen sind, geht der Läufer mit zehn Exemplaren in eine symbolische Serienfertigung. Läufer-Entwickler Christian Heßling ist optimistisch.

    Für mich bedeutet Studium, sich bemühen. Und unser Beispiel zeigt, wer sich bemüht, wer wirklich was will, kann in Deutschland sehr viel erreichen.