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Radikal neu

Die beiden rechtsextremen Parteien DVU und die NPD wollen fusionieren. Künftig werden sie unter dem Namen NDP - die Volksunion auftreten. Für beide Seiten ist das keine Liebesheirat, sondern eine Vernunftsehe.

Von Susanne Arlt | 11.11.2010
    Vor einem Jahr wäre diese Wahl wohl noch unvorstellbar gewesen. NPD-Mitglieder stimmen für einen DVU-Mann. Doch jetzt er einer von ihnen. Noch vor Monaten waren sich die Verfassungsschützer einig: Die beiden rechtsextremen Parteien NPD und DVU werden in absehbarer Zeit nicht miteinander fusionieren. Den ersten Schritt aber machten sie jetzt- Auf ihrem Bundesparteitag am vergangenen Samstag in Hohenmölsen stimmten die Delegierten mit über 90 Prozent für eine Verschmelzung beider Parteien. Eine Liebesheirat sei das zwar nicht gewesen, sagte NPD-Bundesvorsitzender Udo Voigt, aber man erhoffe sich dadurch einen Synergieeffekt der nationalen Kräfte in Deutschland:

    "Weil es gibt viele Millionen Deutsche, die warten auf eine Partei rechts von der CDU und wir wollen diesen Platz besetzen und wir haben jetzt bessere Möglichkeiten mit vereinten Kräften das tun zu können als in der Vergangenheit."

    Noch muss die DVU der Fusion auf ihrem Parteitag Ende November zustimmen, doch das gilt als sicher. Anschließend sollen die Mitglieder beider Parteien die Fusion in einer Urabstimmung beschließen. Die notwendige zwei Drittel Mehrheit, wird sicherlich zustande kommen, sagt Titus Simon, Rechtsextremismus-Experte an der Hochschule Magdeburg-Stendal. Dass die Fusion jetzt so schnell über die Bühne geht, hat ihn trotzdem überrascht. Bislang hätten einer Fusion von NPD und DVU immer die persönlichen Differenzen der Führungspersönlichkeiten im Wege gestanden. Durch den Rücktritt des ehemaligen DVU-Parteivorsitzenden Gerhard Frey haben sich anscheinend neue Perspektiven ergeben. Auch wenn der Zusammenschluss keiner auf Augenhöhe sei, sondern die NPD die DVU übernehme, werde sich die neonazistische Kampfpartei NPD in den kommenden Monaten in ihren Auftritten ganz sicher mäßigen. Genau das habe die DVU schon lange gefordert, sagt Titus Simon:

    "Ich glaube, dass sie ein Stück weit weniger sichtbar radikal auftreten, als dieses die NPD in den letzten fünfzehn Jahren zumindest getan hat. Es ist zum Teil auch ne Bündelung des Personals, wobei man sagen muss, in der alten DVU war kein besonders aktiver Stamm mehr vorhanden. Aber vorübergehend ist es sicherlich noch einmal eine Bündelung der personellen Kräfte."

    Die neue Partei unter dem Namen NPD, die Volksunion, will im kommenden Jahr bei den Landtagswahlen antreten. Sie werde sich in den Wahlkämpfen bürgernah, offen und demokratisch geben, prognostiziert Simon. Erste Züge der neuen Offenheit waren schon auf dem Parteitag erkennbar. Schlossen sich für die Journalisten sonst nach einer halben Stunde die Türen der Parteitage, durften sie dieses Mal die ganze Zeit anwesend sein:

    "Ne moderne erfolgsorientierte rechtsextreme Partei versucht reinzugehen, versucht ein Teil der sogenannten Mitte der Gesellschaft zu sein und muss natürlich auf gewisse Spielregeln der Präsentation akzeptieren. Hat natürlich vielleicht auch damit zu mit einem gewachsenen Selbstbewusstsein, dass sie vielleicht sagen, unsere Thesen sind so schlecht nicht, dass die Leute, allein das wir sie vortragen, abgeschreckt werden."

    Das erste Bundesland, in dem die neue Partei ihre neue Strategie umsetzen wird, ist Sachsen-Anhalt. Die NPD verkündet schon jetzt, man werde alle Kräfte auf diese Landtagswahl im März konzentrieren. In einer Umfrage kam die rechtsextreme Partei immerhin auf vier Prozent. Titus Simon hält es darum für gut möglich, dass die neue rechte Partei in den Magdeburger Landtag einziehen wird. Titus Simon:

    "Das heißt, diese Partei wird wieder mehr vom rechten Rand in die Mitte wieder Wählerstimmen zu bekommen. Die Themen liegen auf der Hand, das Ausländer und Ausländerinnen Thema wird unverändert als ein Leitthema verhandelt werden, es wird nicht mehr in der primitiven Art verhandelt werden, wie wir das von früheren NPD und DVU-Plakaten speziell hier in Sachsen-Anhalt kennen. Es findet da vielleicht auch so ein Stückweit Sarrazinierung statt. Auf der anderen Seite, während speziell die ostdeutschen Verbände, immer die soziale Frage hochhalten und natürlich der neue, alte Slogan, Deutschland zuerst."

    Trotz allem sieht Titus Simon dieser Entwicklung gelassen entgegen. Seit über 40 Jahren setzt er sich mit Fragen der rechtsextremen Parteien auseinander. Es haben in ihrer Vergangenheit immer Höhen und Tiefen gegeben, sagt er. Daran werde auch eine Kräftebündelung künftig nichts ändern. Auch glaubt der Experte nicht, dass sich andere rechtsextreme Parteien wie beispielsweise Die Republikaner oder die Gruppierung Pro Köln der neuen NPD anschließen werden. Ob sich das rechte Lager künftig in zwei Blöcke aufspalten wird, vermag Titus Simon nicht zu sagen. Er appelliert stattdessen an die demokratischen Parteien im Land, sich endlich ernsthaft mit den Rechtsextremen auseinandersetzen. Eines aber sei klar, sagt Titus Simon. Durch die Fusion werden die Rechtsextremen erst einmal schlagkräftiger. Dass sich dies langfristig im Wahlverhalten der Bevölkerung widerspiegelt, bezweifelt er indes.

    "Also rechte Gesinnung, rassistische Orientierung in der Bevölkerung haben ja immer insbesondere dann, wenn vermeintliche oder reale Krisenszenarien vorhanden sind, immer ein stückweit Konjunktur. Nur haben wir in Deutschland diese besondere Erfahrung, dass diese Befindlichkeiten nicht automatisch in Wahlverhalten umschlagen."