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Radikale Energieeinsparung

Seit Anfang Oktober gilt das neue Energieeinsparungsgesetz und damit müssen Altbauten ihre Energiebilanz soweit wie möglich herunterschrauben. Dabei helfen zum Beispiel neue Fenster und eine gut gedämmte Fassade. Dafür hat ein Architekturbüro aus München eine geradezu revolutionäre Variante entwickelt: Die so genannte "Aktive Gebäudehülle".

Von Susanne Lettenbauer | 21.12.2009
    Bis vor fünf Jahren wohnten in den Kasernen von Bad Aibling US-Streitkräfte, heute ziehen Studenten in den grauen Wohnblöcken aus den 1930er-Jahren ein und aus. Für Architekt Arthur Schankula die besten Versuchsobjekte - unansehnliche Kasernen, durch die der Wind pfeift. Bis zu 300 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr verbrauchten die Kasernenblöcke bisher, ein Alptraum für Energiexperten. Jetzt hängen schmucke Holzfassaden vor dem grauen Putz:

    "Das sind Dämmelemente, die bestehen aus einem Holzständerwerk, welches ausgefacht ist mit Hobelspänen als Dämmaterial, also Elemente, die eine Oberfläche haben, die mit einer Holzschalung bekleidet ist und auf Konsolen, die vorher an der Hauswand befestigt worden sind, befestigt und verschraubt werden."

    Holz und Hobelspäne, also Verwendung nachwachsender Rohstoffe, heißt die Devise bei den gut 20 Zentimeter dicken Fassadenelementen. Laboruntersuchungen am Zentrum für angewandte Energieforschung am Campusstandort München-Garching ergaben erstaunliche Werte, so der wissenschaftliche Berater Jens Kuckelkorn:

    "Man kommt in unserem Referenzmodell auf primärenergetische Kennzahlen im Bereich von 40-50kWh pro Quadratmeter im Jahr, was sehr gut ist, auch für Passivhäuser ja ein Ziel ist, da liegt es bei 35 kWh pro Quadratmeter im Jahr."

    Da die bei einer Baufirma vorfertigten Fassadenelemente mit Glas überzogen sind, dienen sie gleichzeitig als Sonnenkollektoren. Bis zu 60 Grad kann sich Luft hinter Glas selbst an sonnigen Wintertagen erhitzen, erklärt der verantwortliche Architekt Schankula. Während bei herkömmlicher Dämmung die Wärme schnell einen Hitzestau entstehen lässt, nutzt die aktive Gebäudehülle diese kostenlose Heizquelle für eine Querlüftung. Gut 30 Grad kommen von der aufgeheizten Luft noch hinter der Fassade an, von wo sie weitergeleitet wird. So kann auch die sonnenabgewandte Hausseite unmittelbar profitieren, Gleichzeitig sorgt die aktive Gebäudehülle mit Hilfe kleiner Wärmetauscher für eine automatische Lüftung - nahezu unsichtbar, so der Architekt:

    "Den Wärmetauscher sieht man nicht. Davon weiß jemand, der das Konzept nicht kennt, nichts. Es wird lediglich auffallen; dass an manchen Fenstern in der Laibung außen ein Zuluft- oder Abluftgitter eingebaut ist, wo man ein leichtes Rauschen vernehmen wird."

    Erst die Entwicklung der Zwölf-Watt-starken Wärmetauscher mit einer Kantenlänge von 14 Zentimetern ermöglichte es dem Architekten Arthur Schankula, sie unsichtbar in die Fassadenbekleidung einzubauen. In etwa drei Stunden sorgt das System für einen vollständigen Luftaustausch. Eine absolut ausreichende Grundlüftung gemäß der neuesten Energieeinsparverordnung ENEV 2009, sagt Jens Kuckelkorn vom Zentrum für angewandte Energieforschung:

    "Gerade im Wohnbereich gehen wir davon aus, dass man damit eher so etwas wie eine kontinuierliche Grundlüftung macht, mit der man dann Luftwechselraten im Bereich von 0,5 bis 0,8 pro Stunde erreicht. Das sollte ausreichen. Die ENEV 2009 geht von 0,7 im Standardfall aus. Da sieht man schon, das liegt in der richtigen Größenordnung."

    Gut fünf Jahre hat das Münchner Architektenbüro an der Vision einer aktiven Gebäudehülle gearbeitet, die in einem Schritt Wärmedämmung, Fassadenerneuerung, Einsatz von Sonnenkollektoren und Lüftung bietet. Die Montage der etwa zimmerwandgroßen Elemente samt Fenster erfolgt je nach Gebäudegröße an einem oder zwei Tagen, ohne Gerüst, nur mit einem Kran, der sie auf die zuvor an der Altfassade angebrachten Konsolen hängt:

    "Die gesamte Maßnahmen erfolgt von außen. Wozu tatsächlich ein Monteur nach innen gehen muss, ist um den Bohrstaub wegzuräumen oder die Anschlüsse an die neuen Fenster in der Fensterlaibung innen und die Verkleidung am Fenster neu zu machen."

    Doch nicht nur die einfache Montage, sondern auch die mögliche Nutzung der aktiven Gebäudehülle für die Gebäudekühlung machte das Projekt für den Wissenschaftler Jens Kuckelkorn so interessant. Oft vergäßen die Hausherren, dass die Heizperiode in einigen Teilen Deutschlands nur vier Monate dauere. In Zukunft wird das Thema Kühlung sehr viel wichtiger werden. Da sollte man bedenken...

    " ..., dass man mit so einem System ja auch im Einzelfall es als Überhitzungsschutz nutzen kann, wenn man eine entsprechende Kältequelle und auch dieses System als Kälterückgewinnung nutzen kann, also dann kann man das System so erweitern, dass man damit das Gebäude auch kühlt."

    Die Erfindung im Internet unter www.aktive-huelle.de.