Radio-Bericht von der Montagsdemonstration
"Uns ist Zeit geschenkt worden für den Dialog"

16. Oktober 1989. Der DDR-Rundfunk berichtet erstmals von der Leipziger Montagsdemo:

    Demonstranten vor der Nikolaikirche in Leipzig. Nach einem Gedenkgottesdienst in der Leipziger Nikolaikirche am 9.10.1989 demonstrierten schätzungsweise 70.000 Menschen mit einem Protestzug durch die Innenstadt für demokratische Erneuerungen in der DDR.
    Demonstranten vor der Nikolaikirche in Leipzig. Nach einem Gedenkgottesdienst in der Leipziger Nikolaikirche am 9.10.1989 demonstrierten schätzungsweise 70.000 Menschen mit einem Protestzug durch die Innenstadt für demokratische Erneuerungen in der DDR. (picture alliance / dpa / Heikko_Saukkomaa)
    "Natürlich würde ich Ihnen lieber jetzt sagen: normaler Montag, Einkaufshektik in der Innenstadt und natürlich auch Gottesdienst in der Nikolaikirche. Aber es ist eng um die Kirche, auf dem Weg dorthin. Zahlen zu nennen, das wäre sicher unseriös, denn man kann kaum auseinanderhalten, wer nun Neugierige sind, oder Leute, die bewusst hierher gekommen sind. Ja, bis vor wenigen Minuten hätte ich gesagt, es ist ruhig hier - mit einigen Einschränkungen -, aber im Moment, Sie werden das sicherlich hören, gibt es Sprechchöre ‚Neues Forum zulassen', ‚Gorbi, Gorbi'. Aber auch Sprechchöre, die da lauten ‚Wir bleiben hier!'. Da bleibt für mich natürlich nur die Frage: Um hier miteinander zu leben, muss man vernünftig miteinander reden. Ich erlebte Gesprächsrunden zu Fragen, die uns alle bewegen, wie Medienpolitik, Reisefreiheit, aber ich hörte auch, wie einige Krakeeler, zum Glück wenige, solche Dialoge niederbrüllten. Uns ist Zeit geschenkt worden für den Dialog und das Wege Finden - dieser Satz aus dem Predigerkolleg, der war ja heute in der Zeitung auch abgedruckt. Ich hoffe, dass er für den heutigen Abend, Zeichen für Ruhe und Besonnenheit ist und damit gebe ich zurück zu Ihnen zum Funkhaus."