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Radio ohne Moderator

Der amerikanische Radiosender 97X in Florida ist einen radikalen Weg gegangen: Er hat alle Moderatoren vom Sender genommen. Mit der App "Open Mic" können nun Hörer das Programm gestalten, indem sie Musiktitel vorschlagen und kurze Texte einsprechen.

Von Guido Meyer | 31.01.2013
    "(Hörerwunsch für Musik und Ablehnung durch Moderator)"

    Das also hat schon mal nicht funktioniert. Hervan war kaum zu verstehen - technisch wie inhaltlich. Seinen Musikwunsch hat er per Smartphone-App aufgesprochen und zum Sender 97X geschickt. Dennoch klingt es wie eine schlechte Telefonleitung. Und seinen Musikwunsch begründet hat er auch nicht. So geht's natürlich nicht.

    "Open Mic" nennt der Radiosender 97X diese App, mit deren Hilfe die Hörer das Programm gestalten, das heißt: Die Playlist beeinflussen soll. Er kann Titel vorschlagen, in der Playlist welche rauf- oder runterwählen und kurze Texte aufsprechen - maximal zehn Sekunden, und das eigentlich auch in bester Qualität.

    "(Hörerwunsch für Musik)"

    Schon besser. So muss das klingen - wie 97X-Moderatorin Danielle Belusky in einem Demovideo erklärt:

    "It's your station. Why shouldn't your voice be on the air?"

    Doch die Stimme von DJ Danielle selbst ist seit zwei Wochen nicht mehr "on the air". Sie und die anderen Moderatoren des Senders hat der Mutterkonzern, die Cox Media Group, vom Sender genommen und innerhalb der Mediengruppe versetzt. Danielle beispielsweise darf jetzt auf Facebook die Beschwerden der Hörer beantworten.

    "I'm still working with 97X, I'm very lucky." - "Good for you!" - "Right now I'm answering all the hate mail on Facebook. So, please!"

    Seit Mitte Januar haben - nach Angaben des Senders - bereits eine Million Mal Hörer ihre musikalische Meinung via App oder Webseite von 97X kundgetan. Und dennoch hat die Station schon nach wenigen Tagen das Konzept wieder leicht zurückgedreht. Nun lässt sie zwischendurch doch hin und wieder einen Moderator ans Mikrofon, um zwischen Befürwortern und Gegnern eines Titels zu vermitteln; einen gewissen Joel.

    Die junge Hörergruppe also, die eben keinen Nonstop-Musik-Internetstream hören mag, entscheidet sich bewusst fürs Radio hören - und dazugehört nun mal die persönliche Ansprache.

    Die Musikvorgaben der Hörer seien "Forderungen", keine "Wünsche", die die Hörer an den Sender stellten. So versucht sich 97X von anderen Stationen abzugrenzen - denn dass sich die Zuhörer Musik "wünschen" können, ist so neu wahrlich nicht. Der vollständige Verzicht auf Moderatoren hingegen wäre ein neuer Ansatz gewesen.

    Die Muttergesellschaft Cox Media Group erreicht in den USA wöchentlich 30 Millionen Fernsehzuschauer und rund 18 Millionen Radiohörer. Da kann man sich schon mal solch ein Experiment leisten. Und Damian aus Hudson - in der Nähe von Tampa - freut's, wie er per "Open Mic"-Smartphone-App samt Musikwunsch auf dem Sender kundtut.