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Radio Ratzinger

Dicke Luft im Radiosender des Vatikans. Der 1931 auf Wunsch von Papst Pius XI. eingerichtete offizielle Sender des Heiligen Stuhls ist seit einigen Wochen Gegenstand scharfer Kritik durch viele seiner Mitarbeiter. Meinungsvielfalt sei weniger wichtig geworden, Glaubensstärke und Doktrinen das Gebot der Stunde.

Von Thomas Migge | 12.05.2007
    "Ich denke mir und kenne den Fall gut, dass der Sender auf Vordermann gebracht werden soll. Der soll gleichgeschaltet werden. Aus Sicht unserer Vorgesetzten mag das richtig sein, aber es ist wenig praktisch."

    Und, erklärt dieser Radiotechniker von Radio Vatikan, der wegen möglicher Repressalien anonym bleiben will, die Gleichschaltung widerspreche allen Geboten des Journalismus. Genauso denkt auch diese Kollegin des Radiotechnikers:

    "Das ist doch absurd. So kann man doch mit uns nicht umgehen. Das ist Gewalt von oben!"

    Dicke Luft im Radiosender des Vatikans. Der 1931 auf Wunsch von Papst Pius XI. eingerichtete offizielle Sender des Heiligen Stuhls ist seit einigen Wochen Gegenstand scharfer Kritik durch viele seiner Mitarbeiter.

    Für die Hörer von Radio Vatikan hat sich oberflächlich besehen nicht viel verändert. Immer noch ertönen mehrmals am Tag die bekannte Erkennungsmelodie und die Glocken von Sankt Peter.

    Wie immer werden die Sendungen in allen nur denkbaren Sprachen ausgestrahlt. Rund um den Globus und rund um die Uhr

    Doch hört man genauer hin kann man nur staunen. Da werden politische Skandale rechter und erklärtermaßen katholischer Politiker mit nicht einem einzigen Wort erwähnt. Zum Beispiel der Fall des Politikers Francesco Storace von der neofaschistischen Partei Alleanza Nazionale. Er hatte eine politische Gegnerin, die noch rechtere Duce-Enkelin Alessandra Mussolini, widerrechtlich abgehört. Eine Nachricht, die durch die internationalen Medien ging. Bei Radio Vatikan existierte das Thema überhaupt nicht. Dafür wird der libysche Staatsführer Muammar al-Ghadaffi dafür gewürdigt, dass er in Tripolis ein interreligiöses Treffen organisiert hat. Ein Thema, das in anderen Medien überhaupt kein Echo fand. Radio Vatikan, meint Sandro Magister, Vatikanexperte des Wochenmagazins "L'Espresso", werde inzwischen komplett von Padre Lombardi kontrolliert, einem Vertrauensmann von Josef Ratzinger:

    "Er ist es, der Papst, der gezielt Indikationen gibt, wie und ob bestimmte Themen behandelt werden sollen. Der Papst und Lombardi nennen, so meine Quellen im Vatikan, gezielt jene Leute, die zur Programmgestaltung herangezogen werden sollen."

    Padre Lombardi ist ein medialer Supermann. Mit dem Segen von Benedikt XVI. ist er nicht nur Pressesprecher des Papstes, sondern auch Direktor von Radio Vatikan. Alleinentscheidender Direktor. Die noch unter Johannes Paul II. existierende Aufteilung in verschiedene Unterdirektoren ist aufgehoben worden. Nur einer soll entscheiden. Und der entscheidet, ganz im Sinn seines obersten Dienstherrn, dass weniger Laien, dafür aber mehr Geistliche als Gesprächspartner geladen werden. Auch zu historischen und politischen Sendungen: Historiker und Politikwissenschafter sind nicht mehr erwünscht, stattdessen aber Bischöfe und Kardinäle.

    Politik und das gezielte Sich-Einmischen hätten für Radio Vatikan immer schon einen wichtigen Stellenwert gehabt, erklärt Padre Eberhard von Gemmingen, der deutsche Redaktionsleiter des Papstsenders:

    "Die Politik hat eine große Rolle gespielt für die Entwicklung von Radio Vatikan, nämlich als Herr Stalin bis an die Elbe marschiert ist, also alles kommunistisch wurde, da haben dutzende von Staaten gesagt, jetzt muss Radio Vatikan bitte auch in unserer Sprache senden, Lettland, Litauen, Polen usw. Der große Sprung von Radio Vatikan wurde ausgelöst durch die politischen Verhältnisse."

    Auch jetzt scheinen es wieder die politischen Verhältnisse zu sein, die bei Radio Vatikan einen großen Sprung auslösen: die fortschreitende Laizisierung der italienischen Gesellschaft und eine Mitte-Links-Regierung, die Gesetze erlassen will, die für die katholische Kirche unerträglich sind, führten dazu - da sind sich alle Vatikanexperten einig - dass der Papstsender aggressiver und auch gleichgeschalteter auftritt. Meinungsvielfalt ist weniger wichtig geworden. Glaubensstärke und Doktrinen sind das Gebot der Stunde.

    Auch im alltäglichen Arbeitsleben hat sich einiges für die Angestellten von Radio Vatikan geändert: Nach Ende der Arbeitszeit dürfen sie sich nicht mehr in den Büros und auf den Fluren aufhalten. Der Inhalt und das Benutzen von Dienstcomputern sollen kontrolliert werden. Kontrolle und Zensur: Radio Vatikan, so das Magazin "L'Espresso", ist zu "Radio Ratzinger" geworden.