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Radio und Propaganda
Die Radioschlacht um Nachkriegsdeutschland

Nicht nur Adolf Hitler sah im Radio das ideale Beeinflussungsmedium. Auch im Nachkriegsdeutschland wurde das Radio von verschiedensten Interessengruppen zur Einflussnahme auf die Bevölkerung benutzt - was in den 60er Jahren zu einer regelrechten Radio-Propagandaschlacht zwischen Ost und West führte.

von Michael Meyer |
    Ein Radiogerät von Quelle, das Simonetta Stereo-Großsuper ST 6501 aus dem Jahr 1965
    Das Radio wurde auch in der Nachkriegszeit intensiv als Propagandamedium benutzt. (picture alliance / dpa / Daniel Karmann)
    "Da sind wir also, liebe Hörer! Und wir begrüßen Sie! Nicht mit einer feierlichen Eröffnungsansprache, seien Sie unbesorgt. Obwohl uns ein bisschen feierlich zumute ist, bei dieser ersten Begegnung."
    So begrüßte der damalige RIAS-Gründungintendant Franz Wallner-Basté die Hörerinnen und Hörer am 07. Februar 1946. Anfangs sendete man noch über Drahtfunk, hieß noch "DIAS", und setzte auch noch nicht so sehr auf eine bunte Programmfarbe, womit man den Sender späterhin assoziierte. Unterhaltung, leichte Musik - all das kam erst später, erläutert die Historikerin Petra Galle, die eine Dissertation über den RIAS verfasst hat:
    "Man hat ganz klar versucht, ein Programm mit Bildungsinhalten, Wort und ernste musik-lastig, aufzubauen. Unterhaltungskultur ist massiv gefördert worden ab 1948, und hat dann auch die Farbe des RIAS wesentlich mitgeprägt."
    "RIAS Berlin – eine freie Stimme der freien Welt"
    Der RIAS war einer der bedeutendsten Hörfunksender im Nachkriegsdeutschland, hatte er doch einen großen Einfluss auf die Meinung der Hörerschaft, nicht nur in Berlin - er sendete weit in den Ostteil Deutschlands hinein. Anfangs, so Petra Galle, sei es hauptsächlich um das Anknüpfen an demokratische Traditionen gegangen und das Aufklären über nationalsozialistische Verbrechen. Und doch gab es seitens der amerikanischen Militäradministration Eingriffe ins Programm, analysiert Petra Galle:
    "Allerdings kam es zu Auswüchsen politischer Art, 1948/49. Auch zu Hetzsendungen. Das ist nicht von allen mitgetragen worden, da gab es auch Unruhe im Funkhaus selbst, aber ab der Blockade 1948 muss man davon ausgehen, dass die Zustimmung so groß war, dass eine eingreifende Kontrolle mal stattgefunden hat, aber nicht die Regel gewesen ist, weil es nicht notwendig war."
    Die Amerikaner waren die einzige westliche Besatzungsmacht, die recht offen auch auf Propaganda setzte, die Briten und Franzosen gingen subtiler vor. Die Franzosen wollten beispielsweise unbedingt Frankreich als Kulturnation präsentieren - was sich in einer Vielzahl von Konzerten, Lesungen und anderen Sendungen niederschlug.
    Subtile Propaganda im Westen, offene Propaganda im Osten
    In der britischen Besatzungszone setzte man auf eine zentrale Einheit, den NWDR, dem Nachfolger von Radio Hamburg, aus dem später der NDR und WDR werden sollte. Die Briten organisierten den neuen Rundfunk nach dem Vorbild der BBC. Nachrichten, Information und eine plurale Meinungsbildung waren den Briten das Wichtigste.

    Und doch: Auch wenn es nicht so schien, so war die Mischung aus populärer Musik, manchmal auch Avantgarde-Musik und aktueller Information eine subtile Propaganda, und zwar für die Integration der Bundesrepublik in die NATO und in die westliche Staatengemeinschaft. Man wollte anti-totalitäre, humane Werte vermitteln.

    Im Osten Deutschlands war die Propaganda deutlich weniger subtil, die Radioprogramme waren zentralistisch dem staatlichen Rundfunkkommittee unterstellt. In der Propaganda-Schlacht des Kalten Krieges gründete man in der DDR 1960 sogar zwei geheime Radioprogramme: 1956 den "Freiheitssender 904": "Der Freiheitssender 904 gibt jetzt das Wort der trotz Verbots kämpfenden kommunistischen Partei Deutschlands...". Und später, 1960, ein geheimes Soldatenradio namens "Soldatensender 935". "Hier ist der deutsche Soldatensender auf Mittelwelle 935 Kilohertz…"
    Höhepunkt der Propagandaschlacht in den 60er Jahren
    Die Programme richteten sich an westdeutsche Jugendliche und Armeeangehörige. Mittels viel westlicher Musik sollte die Meinungsbildung der jungen Hörer beeinflusst werden – und immer wieder wurden propagandistische Botschaften eingeflochten. Beide Sender, sowohl der "Freiheitssender", als auch der "Soldatensender" erweckten den Eindruck, als seien sie westdeutsche Untergrundradios. Wie viele Hörer das glaubten, und wie viele überhaupt einschalteten, ist nicht überliefert. Doch die Propagandaschlacht veränderte sich im Laufe der Jahrzehnte: Anfang der siebziger Jahre beendete die DDR das Experiment der beiden Propagandasender und stellte die Programme ein.