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Radioastronomie
Per Software zum Ursprung des Universums

Astronomie. - Mit Softwarehilfe können Radioastronomen inzwischen Teleskopgrößen erreichen, die sie niemals bauen könnten. Die Programme schalten weit auseinanderliegende Empfangsantennen so zusammen, dass sie arbeiten wie ein gigantisches Teleskop. Dabei fallen enorme Datenmengen an. Entsprechend hoch sind die Ansprüche an die Datenverarbeitung.

Von Friederike Maier | 12.06.2014
    Die LOFAR-Station in Unterweilenbach
    Die LOFAR-Station in Norderstedt wird dieser in Unterweilenbach sehr ähneln (Rainer Hassfurter/MPA)
    Knapp 100 pyramidenförmige Drahtgestelle stehen auf einer grünen Wiese in der Eifel, dahinter die große, weiße, schwenkbare Schüssel des Radioteleskops Effelsberg. Aber auch die etwas unscheinbaren Drahtgestelle sind ein Radioteleskop, zumindest ein Teil davon. Es sind einfache Dipolantennen und sie gehören zum Low Frequency Array Teleskop, kurz LOFAR. Das besteht aus momentan knapp 50 solcher Antennenfelder, die über halb Europa verteilt sind. LOFAR wurde von der niederländischen radioastronomischen Organisation ASTRON konzipiert. Die Station in der Eifel wird vom Max Planck Institut für Radioastronomie in Bonn betrieben. Dort arbeitet Dr. Rainer Beck, der die Vorteile dieser neuen Art von Radioteleskopen erläutert.
    "Ein wichtiger Grund sind die Kosten. Man kann ein Teleskop von mehr als 100 Meter Durchmesser nicht mehr kostengünstig bauen. Und der zweite Grund ist, dass man mit den modernen Computertechniken kein mechanisch bewegliches Teleskop mehr braucht, sondern man kann die Bewegung am Himmel über sogenannte Phasendifferenzen am Computer steuern."
    Wellen haben bei ihrer Überlagerung die Eigenschaft sich gegenseitig auszulöschen oder zu verstärken, je nachdem welche Differenz zwischen ihren Phasen besteht. Durch das Einstellen der Phasendifferenzen der Antennen per Software können die Signale aus der Richtung im All, die untersucht werden soll, verstärkt werden, die anderen löschen sich gegenseitig aus. Interferometrie heißt diese Technik. Mit LOFAR wollen Forscher nach den ersten Strukturen des Universums suchen. Darüber hinaus wird die Radiostrahlung von Galaxien und Galaxienhaufen untersucht und magnetische Felder im Kosmos vermessen. Das erfordert eine extrem gute Auflösung, die erst durch das Zusammenschalten der verschiedenen Stationen zustande kommt. Dabei gilt, je weiter diese auseinander liegen, desto höher die Auflösung:
    "Die Auflösung einer einzelnen Station ist nicht besonders groß. Im Fall von Effelsberg, je nach Wellenlänge, kann das von einigen Grad am Himmel bis zu einigen zehn Grad am Himmel reichen. Das heißt eine einzelne Station hat so gut wie keine brauchbare Auflösung. Aber die Zusammenschaltung der verschiedenen Stationen, die bringt eigentlich die Auflösung. Wenn man also alle europäischen Stationen zusammenschaltet, erreicht man Auflösungen von unter einer Bogensekunde."
    Ein großer Teil der Teleskop-Funktionen, die sonst mechanisch umgesetzt werden, ist bei LOFAR in die Datenverarbeitung integriert worden. Die Herausforderungen daran steigen entsprechend. Jede Station sendet riesige Mengen an Daten über Glasfaserleitung nach Groningen in den Niederlanden. Dort werden die Daten von einem Großrechner miteinander korreliert. Mit diesen Informationen können die einzelnen Forscherteams dann arbeiten. LOFAR gilt auch als einer der Wegbereiter des in Planung befindlichen Square Kilometer Array Teleskops kurz SKA. Das SKA soll in Südafrika und Australien gebaut werden. Neben der größeren Sammel-Fläche von etwa einem Quadratkilometer soll auch der Frequenzbereich des SKA deutlich größer als der von LOFAR ausfallen. Und je mehr Frequenzen untersucht werden, desto mehr Daten fallen an. Alistair McPherson, Projektleiter und stellvertretender Direktor der SKA Organisation, die das Teleskop plant:
    "Wir werden mehr Daten generieren als momentan im gesamten Internet transportiert werden. All diese Daten müssen von den Antennen-Anlagen zu Rechenzentren übertragen werden. Sie müssen verarbeitet und für die Community bereitgestellt werden, damit diese damit arbeiten kann. Wir werden allein innerhalb der Antennen-Anlagen soviel Glasfaserleitung verlegen, dass sie zweimal um die Welt reichen würde."
    Das SKA befindet sich momentan noch in der Planungsphase. Der Bau des Teleskops soll 2017 oder 18 beginnen. Dabei gehen die Entwickler davon aus, dass sich bis dahin auch die Computertechnik weiterentwickelt, die hilft, die Datenmengen zu verarbeiten:
    McPherson: "Wir müssen bei dem Design darauf achten, dass wir uns nicht aus Versehen auf die heutigen technischen Möglichkeiten beschränken, sondern auch zukünftige Techniken zulassen."
    Erste wissenschaftliche Ergebnisse des Teleskops werden etwa 2020 erwartet. Ein Forschungsschwerpunkt des SKA wird die Messung von neutralem Wasserstoff im Universum sein. Damit wollen die Forscher Rückschlüsse auf die Entstehung und Entwicklung von Galaxien ziehen.