Freitag, 19. April 2024

Archiv


Radiolexikon: Arzneipflanzen gegen Erkältungskrankheiten

Gegen eine manifeste Erkältung aber mit ihren lästigen und oft hartnäckigen Symptomen ist durchaus manches wirksame Kraut gewachsen. Salbei, Pfefferminze, Sanddorn oder Eukalyptus, aber auch Färberhülse, Efeu, Vogel-Knöterich oder Samtpappel - diese Pflanzen können helfen.

Von Andrea Westhoff | 30.11.2010
    "Das ganz besondere des Arzneipflanzengartens hier im Botanischen Garten in Berlin erschließt sich eigentlich aus der Vogelperspektive, also wenn wir uns in die Luft begeben, dann würden wir nämlich entdecken, dass der gesamte Arzneipflanzengarten die Form eines Menschen nachformt. So haben wir den Kopf, die Schilddrüse, dann haben wir zwei Lungenflügel, das Herz, die Leber, die Nieren, und so können wir also von einem Organ zum nächsten gehen und können die Pflanzen genau dort finden, wo sie auch in der Medizin ihre Wirkung entfalten."

    Salbei, Pfefferminze, Sanddorn oder Eukalyptus, aber auch Färberhülse, Efeu, Vogel-Knöterich oder Samtpappel – 33 Pflanzen findet man im Berliner Arzneipflanzengarten allein gegen Erkältungskrankheiten aller Art. Für sie ist die Phytotherapie auch besonders geeignet, meint Andreas Michalsen, Internist und Professor für Naturheilkunde an der Charite:

    "Natürlich Bronchitis, dann die Halsentzündung bis zur Mandelentzündung, Ohrentzündungen und die Nasennebenhöhlenentzündungen, dann find ich, sind pflanzliche Arzneimittel die erste Wahl; wo ich glaube, dass man nicht viel Medikamente einnehmen sollte, ist beim banalen Schnupfen. Da gilt eigentlich immer noch die alte Regel: "Mit Arzt sieben Tage und ohne Arzt eine Woche", das hat sich weder durch schulmedizinische noch durch pflanzliche Präparate groß verändert."

    Selbstverständlich warnt der Arzt auch davor, einen Infekt zu verschleppen, zu lange alleine "herumzudoktern" – egal ob mit pflanzlichen oder synthetischen Mitteln.

    Aber beim akuten Husten als typisches Erkältungssymptom, wenn die Bronchien wie verstopft scheinen, kann Efeu äußerst hilfreich sein, sagt Professor Matthias Melzig, Spezialist für Arzneipflanzen am Institut für Pharmazie der FU-Berlin. Die hedera helix - "die sich um den Baum schlingt" – wurde übrigens gerade zur Arzneipflanze des Jahres 2010 gekürt.

    Efeu galt früher als "Wahrzeichen des Lebens", wahrscheinlich weil er sehr lebendig selbst noch in der dunkelsten Ecke eines Friedhofes zu finden ist und schnell wächst. Medizinisch interessant sind die Blätter, aber nicht als einfacher Teeaufguss, vielmehr gewinnt man daraus einen Extrakt, der hauptsächlich als Hustensaft, Tropfen oder Brausetabletten eingenommen wird. Die auch klinisch inzwischen nachgewiesenen Wirkstoffe im Efeu sind die Saponine:

    "Das sind Stoffe, die seifenähnliche Eigenschaften haben und die nach der oralen Aufnahme die Magenschleimhaut reizen, und über diesen Reiz wird ein Rückkopplungsmechanismus induziert, und insbesondere dadurch wird die Produktion der Schleimdrüsen auch in den Bronchien verstärkt angeregt zu sekretieren und damit wird der Schleim dünner und kann dann besser abgehustet werden. Außerdem wirken diese Saponine auch noch direkt an der Bronchialmuskulatur, bronchiolytisch, und verbessern damit insgesamt auch das Krankheitsbild dieses krampfartigen Hustens."

    Als Hustenstiller ist Efeu nicht geeignet. Wenn durch Bakterien die Schleimhäute gereizt und entzündet sind, helfen eher Pflanzen mit hohem Anteil an ätherischen Ölen, wie Salbei und Thymian.

    "Hier spielen insbesondere die antibakteriellen Effekte der ätherischen Öle eine Rolle, gerade das Salbeibonbon, was man lutscht, oder die Salbeipastille, mit intensivem Kontakt der Rachenschleimhaut, wo sich dann gern Bakterien auf eine virale Infektion quasi aufsetzen - und eine der Paradedrogen ist der Thymian, der in seiner antibakteriellen Wirksamkeit sehr gut bestätigte Studien auch besitzt, und darüber hinaus ein wenig noch spasmolytische Eigenschaften aufweist, so dass das eine der Drogenzubereitungen ist, Thymiansirup oder Thymianextrakte, die man hier sehr gut empfehlen kann."

    Beim Salbei deutet schon der lateinische Name "Salvia", also "heilen, retten", darauf, dass es sich um eine uralte Arzneipflanze handelt, nicht nur um ein Würzkraut. Weniger bekannt ist vielleicht, dass auch der Thymian nicht nur lecker, sondern gesund ist. Dabei heißt es schon in einem Kräuterbuch von 1543:

    "Thymian mit Honig gekocht und getrunken ist förderlich und nützlich denjenigen, die das Keuchen und das schwere Atmen haben."

    Und natürlich darf bei den Arzneipflanzen, die mit ätherischen Ölen gegen Erkältungen wirken, die Pfefferminze nicht fehlen. Sie hilft beim Abschwellen der gereizten Schleimhäute und damit doch auch ein wenig bei Schnupfen:

    "Wenn die ätherischen Öle verdampfen, entziehen sie der Umgebung Wärme, und die gereizte Schleimhaut, die entzündet ist, die wird durch diesen Wärmeentzug ein wenig kontrahiert, und damit wird eine Verbesserung auch der Atmungstätigkeit über die Nase vermittelt."

    Bei allen ätherischen Ölen ist aber Vorsicht geboten: Jährlich werden allein in Berlin, in der größten deutschen Giftnotrufzentrale, rund 1000 Vergiftungen von Kleinkindern gemeldet, vor allem durch japanisches Heilpflanzen-, Teebaum- oder Pfefferminzöl. Deshalb warnt auch der Arzneipflanzenexperte Matthias Melzig:

    "Wenn es nicht ausdrücklich auf den Arzneimitteln dargestellt ist, dass man sie auch bei Kleinkindern anwenden kann, sollte man sie nicht verwenden, weil ätherische Öle über ihre reizende Wirkung einen so genannten Glottiskrampf auslösen können, der dann mit Luftnot und Apnoe einhergeht. Hier ist es aber auch so, die Dosis macht es, dass ein Ding ein Gift ist oder eben nicht. Reine ätherische Öle sollte man generell eigentlich nicht verwenden, die sind viel zu stark in ihrer Wirksamkeit. Man kann mit einem ätherischen ölhaltigen Tee sicher häufig genauso gut therapieren wie mit einer eher konzentrierten Zubereitung, die es natürlich auch gibt."

    Eine Pflanze schließlich, die immer wieder beim Thema Erkältungskrankheiten auftaucht, ist der Rote Sonnenhut - Echinacea purpurea. Tropfen, Kapseln oder Tee sollen eine immunstärkende Wirkung haben und somit Infektionen vorbeugen. Es hat mehrere Studien zu Echinacea gegeben in den letzten Jahren, mit unterschiedlichen, teils widersprüchlichen Aussagen zur Wirksamkeit, so dass der Professor für Naturheilkunde, Andreas Michalsen, heute feststellt:

    "Ich denk schon, dass man sagen muss, die Datenlage ist nicht überzeugend für Echinazin, es gibt zwar noch mal eine Diskussion, ob spezielle Zubereitungsformen und Extrakte besser sind als die anderen, aber man kommt doch nicht umhin zu sagen: Die Wirkungen sind nicht sehr ausgeprägt, und wenn man das wiederum vergleicht mit andere Maßnahmen wie regelmäßige Bewegung an frischer Luft oder Kneipptherapien oder Saunagänge, dann ist das Echinacea nicht sehr wirksam."

    Gegen eine manifeste Erkältung aber mit ihren lästigen und oft hartnäckigen Symptomen ist durchaus manches wirksame Kraut gewachsen. Allerdings rät der Arzneipflanzenspezialist Professor Matthias Melzig von der FU-Berlin doch eher davon ab, jetzt einfach loszuziehen und die Kamille am Wegrand zu pflücken oder Efeublätter auf dem nächsten Friedhof zu sammeln – die übrigens unbearbeitet sogar giftig sind.

    "Wenn man gute Pflanzenkenntnisse hat und das tut auf einer Wiese, die weit entfernt ist von irgendwelche Straßen oder Umwelteinflüssen, kann man das tun, aber: die Arzneipflanzen sind stark abhängig in ihrer Wirksamkeit vom Standort, vom Erntezeitpunkt, auch von der Sorte, da sind zwar auch die Wirkstoffe enthalten, aber sie können durchaus im geringeren Maß enthalten sein, und es können Begleitstoffe enthalten sein, wenn Sie die Arzneipflanzen in der Apotheke kaufen, dann können Sie eigentlich davon ausgehen, dass diese Arzneipflanzen den Qualitätsregeln entsprechen, die entweder im Arzneimittelgesetz gefordert sind oder dem Lebensmittelrecht, das sich aber, was das betrifft, nicht großartig unterscheidet."